Strompreisexplosion 2024: Was Verbraucher und Unternehmen erwartet
Seitdem die Spitzen der Ampelkoalition am vergangenen Mittwoch, 13. Dezember 2023, ihren Haushaltskompromiss im Bundeskanzleramt präsentierten, sind viele Details nach wie vor ungeklärt. Eines war allerdings schon nach wenigen Minuten am Mittwoch klar: Im kommenden Jahr müssen sich sowohl Verbraucher als auch Unternehmen auf höhere Strompreise einstellen.
Zwei Beschlüsse sind es, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) präsentierten, die den Strompreis nach oben schnellen lassen werden: Zum einen soll der CO₂-Preis von 30 auf 45 Euro pro Tonne ansteigen; zum anderen werden die geplanten Subventionen zur Abfederung der Erhöhung der Netzentgelte gestrichen. Insgesamt 5,5 Milliarden Euro waren dafür ursprünglich im kommenden Jahr eingeplant. Das hat Auswirkungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher. Ob Strom, Heizung oder Sprit – bei allem werden sie nun tiefer in die Tasche greifen müssen.
5,5 Milliarden Euro sollten Strompreisexplosion verhindern
Dass die Strompreise 2024 noch einmal ansteigen werden, das war schon vor dem Haushaltskompromiss bekannt. Schon im Oktober 2023 hatte das Vergleichsportal Verivox eine Auswertung präsentiert, die genau zu diesem Schluss kam: „Die Netzgebühren für Strom steigen 2024 auf ein neues Allzeithoch“, schrieb das Portal am 19. Oktober 2023 in seiner Mitteilung. Da die Stromnetzgebühren, die regional unterschiedlich sind, schon damals um bis zu 18 Prozent steigen sollten, war klar, dass sich das auch auf die Strompreise niederschlagen würde.
„Bei einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden werden künftig durchschnittlich 395 Euro netto für die Nutzung der Stromnetze fällig. Das entspricht einem Plus von 11 Prozent oder 40 Euro“, schrieben damals die Verivox-Experten. Grund für die Erhöhung der Netzentgelte ist in erster Linie, dass das Stromnetz wegen der politisch gewollten Energiewende ausgebaut werden muss. Damit ist der Netzausbau, laut Verivox, heute und auch in Zukunft der stärkste Strompreistreiber.
Um diese Preissteigerung zu verhindern, hatte sich die Bundesregierung im Oktober darauf verständigt, den Anstieg der Netzentgelte zu dämpfen. Konkret sollte das im Jahr 2024 mit einem Zuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzentgelte in Höhe von 5,5 Milliarden Euro geschehen. Damit ist nun seit Mittwoch vorbei.
Netzentgelte zum Jahreswechsel verdoppelt
Was das nun ganz konkret für jeden einzelnen Haushalt bedeutet, lässt sich nicht so pauschal sagen, da die Netzentgelte lokal festgelegt werden. Fest steht allerdings, dass die Netzentgelte für Haushalte knapp ein Viertel des Strompreises ausmachen. Sie setzen sich neben den Kosten aus den Entgelten für Messungen und Messstellenbetrieb sowie aus den örtlich unterschiedlichen Gebühren für die Verteilnetze zusammen.
Nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums wird ein Preisanstieg von elf Prozent für private Haushalte im kommenden Jahr erwartet. Allerdings floss damals noch die Subvention von 5,5 Milliarden Euro in die Berechnung ein.
Trotzdem braucht man, was die zukünftigen Strompreise betrifft, nicht im Dunkeln stochern. Kurz nachdem die Ampelspitzen am Mittwochmittag ihre Entscheidung bekannt gegeben hatten, meldeten sich auch die Betreiber der Stromübertragungsnetze zu Wort. Sie kündigten an, die Entgelte für die Netznutzung zum Jahreswechsel zu verdoppeln. Damit würden die Netzentgelte der Unternehmen 50Hertz, Amprion, TenneT und Transnet BW ab dem 1. Januar 2024 von derzeit 3,12 Cent je Kilowattstunde auf 6,43 Cent erhöht werden.
Ein Singlehaushalt, der im Schnitt 1.600 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, würde so im kommenden Jahr mindestens jährlich 49,92 Euro mehr bezahlen. Der durchschnittliche Zwei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von durchschnittlich 2.900 Kilowattstunden wird im kommenden Jahr mit mindestens 95,99 Euro mehr im Jahr rechnen müssen. Eine Familie mit zwei Kindern, die durchschnittlich einen Verbrauch von 4.500 Kilowattstunden hat, wird ab Jahresbeginn mit einem Preisanstieg von mindestens 148,95 Euro im Jahr rechnen müssen.
Allerdings wäre in dieser Rechnung lediglich die Erhöhung des Netzentgeltes eingepreist. Durch den Anstieg des CO₂-Preises ist allerdings davon auszugehen, dass sich auch dieser noch einmal auf die Strompreise schlagen wird.
Stromanbieter befürchten Insolvenz
Die Entscheidung der Bundesregierung ist aber nicht nur ein Problem für Verbraucherinnen und Verbraucher. Auch die Stromanbieter könnten nun in eine Schieflage geraten. Der Ökostromanbieter LichtBlick hat deshalb gerade erst in einem Brandbrief an den Ausschuss für Energie und Klimaschutz im Bundestag davor gewarnt, die 5,5 Milliarden Euro Subventionen zu streichen. „Sie muten ansonsten nicht nur Millionen Stromkunden und -kundinnen deutlich höhere Preise zu, sondern gefährden auch insbesondere wettbewerbliche Energieversorger“, hieß es in dem Brief.
Energieversorger, die mit ihren Kunden Verträge mit Preisbindung vereinbart haben, könnten aus rechtlichen Gründen die Mehrkosten jedoch nicht weitergeben – was bei kleineren Anbietern zu Insolvenzen führen würde, warnte LichtBlick damals. Die Bundesregierung hat die Warnung allerdings in den Wind geschlagen und sich für eine Subventionsstreichung entschlossen.
Bürger im Regen stehen gelassen
Der CEO von LichtBlick, Constantin Eis, kritisiert diese Entscheidung dann auch in der „Frankfurter Rundschau“ scharf: „Die Bundesregierung verspielt viel Vertrauen und ist mittlerweile kein verlässlicher Partner mehr. Gerade der Energiemarkt braucht eine klare Gesetzgebung und Planungssicherheit. Das politische Versagen trifft ausgerechnet die Unternehmen, die in Deutschland die Energiewende vorantreiben und in großen Teilen sicher durch die Energiekrise gesteuert haben. Gleichzeitig sehen wir Milliardensubventionen für Einzel-Unternehmen, die bisher wenig für den Ausstieg aus fossiler Energie getan haben“, so Eis. Man lasse mit der nun getroffenen Entscheidung Bürger im Regen stehen.
Auch der bundesweit tätige Stromanbieter Octopus Energy übt Kritik an der Bundesregierung: „Der Anstieg der Netzentgelte ist ein harter Schlag für alle Haushalte, die ohnehin schon unter hohen Energiekosten leiden und zu viel für ihren Strom zahlen“, so CEO Bastian Gierull.
Enttäuscht über die Entscheidung der Ampel zeigte sich am Mittwoch auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): „Leider werden die heute beschlossenen Kürzungen zu Steigerungen bei den Energiepreisen führen und Haushalte, Gewerbe und Industrie im kommenden Jahr zusätzlich belasten“, so BDEW-Chefin Kerstin Andreae.
Sorgen macht sich auch die Wirtschaft. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet mit einem sprunghaften Anstieg der Strompreise für Unternehmen. „Wir haben unterschiedliche Fall-Konstellationen durchgerechnet und kommen auf Steigerungen der Stromrechnung um 10 bis 20 Prozent“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der „Rheinischen Post“.
„Das ist nicht nur eine zusätzliche Konjunkturbremse zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt“, so Adrian weiter. „Es ist auch das falsche Signal an viele Betriebe, die etwa ihre Produktion oder ihren Fuhrpark von fossiler Energie auf Strom umstellen wollen – zumal gleichzeitig hier bei Diesel und Kerosin die Kosten ebenfalls steigen.“
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