Streit um Wahlempfehlung eskaliert – Deutschland diskutiert über Elon Musk
Bundeskanzler Olaf Scholz wird in seiner Neujahrsrede am Dienstagabend, 31.12., auch die jüngste Debatte um Elon Musk und dessen Wahlempfehlung ansprechen. Dies geht aus vorab zugänglichen Informationen über deren Schwerpunkte hervor.
Mit Blick auf die am 23.2. stattfindenden Bundestagswahlen äußert der Regierungschef an die Adresse der Bürger:
„Wie es in Deutschland weitergeht, das bestimmen Sie – die Bürgerinnen und Bürger. Darüber entscheiden nicht die Inhaber sozialer Medien.“
Habeck: Europa heißt „Regulierung als Begrenzung der Macht“
Zuvor hatte Scholz geäußert, Redefreiheit gelte auch für Multimilliardäre – und Meinungsfreiheit heiße auch, „dass man Dinge sagen darf, die nicht richtig sind“.
Demgegenüber warf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Musk in seiner eigenen Neujahrsansprache vor, seine Wahlempfehlung erfolge „nicht aus Unkenntnis der AfD“. Mit seiner „Kommunikationsmacht“ stärke Musk „die, die Europa schwächen“. Ein schwaches Europa sei „im Interesse von jenen, für die Regulierung eine unangemessene Begrenzung ihrer Macht“ sei.
Diese „Begrenzung der Macht“ sei aber erforderlich, wenn ein Geschäftsmodell drohe, „unsere Demokratie [zu] zerstören“. Eine neue Bundesregierung, so Habeck, müsse sich „ganz der europäischen Idee verschreiben“.
Palmer: „Großer Direktinvestor hat ein Recht, Probleme anzusprechen“
Der frühere Parteifreund von Habeck, Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, kritisiert unterdessen die Aufregung um den Gastbeitrag von Elon Musk. In der „Welt“ äußerte er, eine „pointierte Meinung“ gefährde nicht die Demokratie.
Musk sei einer der größten Direktinvestoren in Deutschland während der vergangenen Jahre gewesen. Es sei sein gutes Recht, Fehlentwicklungen anzusprechen:
„Wenn ein Unternehmer die Probleme des Standorts anspricht, dann sollte man das ernst nehmen und nicht als Einmischung von außen ansehen.“
Die „hysterischen Reaktionen“, die der Beitrag auslöse, sieht Palmer dadurch bedingt, dass „die vorausgehende Analyse leider nicht so falsch ist“. Ein Land, das wirtschaftlich gut dastehe, würde eine solche Wahlempfehlung kaum ernst nehmen. Dass das Gegenteil der Fall sei, sei die Konsequenz daraus, dass Deutschland seine Probleme nicht gelöst bekomme:
„Durchschlagskraft verleiht Musks Intervention nicht nur seine Nähe zu Donald Trump oder der Status als reichster Mensch der Welt. Sie entsteht vor allem aus der anhaltenden Rezession in Deutschland und der Abwesenheit politischer Führung.“
Berliner Zeitung: „Macht der Ideologen und Mitläufer schwindet“
In der „Berliner Zeitung“ wirft Moritz Eichhorn dem „politmedialen Hauptstadtkomplex“ Heuchelei vor. Während Musk „illegale Einmischung“ vorgeworfen werde, hätten Ralf Stegner und Luisa Neubauer in den USA Wahlkampf für die Demokraten gemacht. Auch SPD-Chef Lars Klingbeil habe im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erklärt, man wolle „Kamala Harris im Weißen Haus“.
Friedrich Merz wiederum habe sich jüngst in den rumänischen Wahlkampf eingemischt. Zudem habe es kaum Proteste der nun Empörten gegeben, als US-Milliardär George Soros 2020 EU-rechtswidrige Anleihen gefordert oder sich 2017 gegen die Wahl der CSU ausgesprochen habe. Eichhorn äußert weiter, die Aufregung über den Musk-Beitrag sei eigennützig motiviert:
„Die Ideologen und Mitläufer in Parteien und Redaktionen spüren, wie ihre Macht durch die sozialen Medien schwindet. Lügen, Widersprüche und Unredlichkeiten, die bisher verschwiegen wurden, werden unabweisbar.“
Thomas Schmoll von n-tv wirft Musk hingegen vor, nur „marginal Ahnung von Deutschland und Europa“ zu haben. Bezüglich der Problemanalyse gebe es einen breiten Konsens, allerdings würden Deutschlands Politik und sein Föderalismus Lösungen häufig verhindern. Der AfD „politischen Realismus“ zuzugestehen, sei verfehlt. Außerdem gingen die Probleme auch dort nicht weg, wo die Partei bereits Landräte oder Bürgermeister stelle.
AfD weiter kritisch gegenüber Tesla-Gigafactory
Wie intensiv sich Tesla-CEO Elon Musk im Vorfeld seiner Wahlempfehlung tatsächlich mit der AfD befasst hat, bleibt offen. Klar ist jedoch, dass sich die Partei in Brandenburg in der Vergangenheit gegen die Gigafactory von Tesla positioniert hatte.
Der ehemalige verkehrspolitische Sprecher der Partei im Bundestag, Dirk Spaniel, wandte sich 2018 gegen den möglichen Bau von Tesla-Werken in Südwestdeutschland. In diesem Zusammenhang äußerte er, Tesla sei „kein gesundes Unternehmen“. Er fügte hinzu:
„Die mögliche Hybris schillernder Unternehmer sollte nicht mit Steuergeld befeuert werden.“
Spaniel hat die Partei mittlerweile verlassen. Aber auch in Brandenburg selbst hatte sich die AfD stets gegen den Bau des Tesla-Werks ausgesprochen. Gegenüber dem „Nordkurier“ erklärte Landeschef Hans-Christoph Berndt:
„Wir bleiben der Meinung, dass Tesla am falschen Standort ist, und wir werden weiter darauf achten, dass die Anwohnerbelange eingehalten werden.“
Musk will Fachkräftevisa und warnt vor Geburtenrückgang
Während Musk die AfD in seinem Beitrag für die „Welt“ als konsequent marktwirtschaftliche Kraft zeichnet, ist deren Politik nicht in jedem Bereich in dieser Weise ausgerichtet. Die Partei befürwortet unter anderem die – ohnehin bereits geltende – Vorrangprüfung für inländische Arbeitskräfte bei der Arbeitsplatzvergabe. Musk macht sich aktuell in den USA für die Beibehaltung eines Einreisevisaprogramms für ausländische Arbeitskräfte in der Technologiebranche stark.
Im EU-Wahlprogramm von 2024 betonte die AfD, „Künstliche Intelligenz (KI), Robotik und Digitalisierung, die menschliche Arbeit ersetzen“, habe Vorrang vor der Einstellung von ausländischen Arbeitskräften.
Eine deutliche Diskrepanz zeigt sich auch bezüglich der Bevölkerungspolitik. Während Elon Musk seit mehreren Jahren vehement vor den Gefahren des weltweiten Bevölkerungsrückgangs warnt, hat die AfD in ihrem Bundestagswahlprogramm von 2021 „das Problem der Überbevölkerung (…) südlich des europäischen Kontinents“ thematisiert.
2019 hat der damalige Berliner Vorsitzende der Jungen Alternative und jetzige EU-Kandidat, David Eckert, gefordert, die Entwicklungszusammenarbeit von der Einführung einer Ein-Kind-Politik nach chinesischem Vorbild abhängig zu machen.
Facebook, YouTube und TikTok in Deutschland verbreiteter als X
Wie viel Einfluss die Unterstützung durch Elon Musk tatsächlich auf den Wählerzuspruch für die AfD haben wird, ist schwer abzuschätzen. Die Einschätzung, dass sich Wirtschaftspolitik, Migrationspolitik und Energiepolitik in Deutschland erheblich ändern müssen, teilen breite Bevölkerungsgruppen mit Elon Musk.
Aktuellen Statistiken zufolge hat X in Deutschland etwa 11,2 Millionen Nutzer. Damit ist die Zahl der Personen, die über einen Account verfügen, weiter im Steigen begriffen. Wie viele den Account aktiv nutzen, ist schwer zu bestimmen – immerhin ist jedoch auch die Größe des Werbepublikums auf mehr als 16,2 Millionen angewachsen.
Dennoch ist die Bedeutung von X in Deutschland deutlich geringer als die anderer sozialer Netzwerke wie TikTok (22,8 Millionen monatliche Nutzer), Facebook (32,9 Millionen) oder YouTube (88,1 Millionen Accounts).
Überdurchschnittliche Bedeutung für politische Multiplikatoren
X hat jedoch vor allem für politisch interessierte Nutzer eine große Bedeutung. So verfügen 83 Prozent aller Spitzenpolitiker in Deutschland über einen Account. Außerdem sind 25 Prozent aller verifizierten Konten Journalisten zuzuordnen. Gleichzeitig haben 73 Prozent der Nutzer des Dienstes mindestens ein Konto eines Journalisten abonniert.
Die Plattform wird als wichtiges Medium für aktuelle Krisensituationen und zeitnahe Informationen geschätzt. Elon Musk nutzt den Dienst aktiv, um Kommentare zum Zeitgeschehen abzugeben. Die Zahl der Nutzer, die ihm folgen, liegt derzeit bei mehr als 209 Millionen. Wie viele davon aus Deutschland stammen, ist nicht ausgewiesen.
Elon Musk hat unterdessen seinen Profilnamen auf X in „Kekius Maximus“ geändert.
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