Streit um LNG-Terminals auf Rügen: Teilerfolg für Deutsche ReGas vor Gericht

Im Streit um zwei vor der Ostseeinsel Rügen geplante LNG-Terminals hat die Betreibergesellschaft Deutsche ReGas einen teilweisen vorläufigen juristischen Sieg errungen. Doch es bleiben trotzdem Unklarheiten bestehen, die sich bis zu Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und verschiedenen Treffen zwischen ihm und den Investoren hinter dem Projekt ziehen.
Ein LNG-Shuttle-Tanker liegt vor der Küste der Insel Rügen. Landeswirtschaftsminister Meyer zufolge sollen im Hafen von Mukran zwei sogenannte Regasifizierungseinheiten festmachen.
Ein LNG-Shuttle-Tanker liegt vor der Küste der Insel Rügen. Landeswirtschaftsminister Meyer zufolge sollen im Hafen von Mukran zwei sogenannte Regasifizierungseinheiten festmachen.Foto: Stefan Sauer/dpa
Von 19. August 2023

Die Bundesregierung hat keine intensive Prüfung der geplanten Betreibergesellschaft für die in Planung stehenden LNG-Terminals vor Rügen, die „Deutsche ReGas“, durchgeführt, obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Projekt offenbar als Chefsache betrachtet. Dies geht aus einer jetzt bekannt gewordenen Regierungsantwort hervor.

Gleichzeitig zog ein Urteil zu einem Rechtsstreit zu einem „intransparenten Finanzierungshintergrund“ zwischen Deutsche ReGas und dem Anwalt der Rügener Gemeinde Binz die Aufmerksamkeit auf sich. Die Gemeinde Binz kämpft seit Bekanntwerden der Pläne gegen das Projekt.

Der Anwalt der Gemeinde Binz, Reiner Geulen, erhob am 21. Juli mehrere Vorwürfe in einer Pressemitteilung gegen Deutsche ReGas.

Das Landgericht München I teilte in seinem Urteil am Donnerstag nun mit, dass der Anwalt der Gemeinde Binz auf Rügen nicht behaupten dürfe, dass die Investoren der Deutschen ReGas in der Energiebranche bisher nicht in Erscheinung getreten seien und es am Firmensitz der Betreibergesellschaft Deutsche ReGas in Bruchsal keine Geschäftstätigkeit gebe.

Außerdem darf Geulen nicht mehr behaupten, dass der Geschäftsführer der Deutschen ReGas Kapital beziehungsweise „Finanzkörperschaften“ von den Caymaninseln nach Deutschland transferiert habe. Es handelt sich laut Gericht um eine einstweilige Verfügung, die noch nicht rechtskräftig ist.

Allerdings darf Anwalt Geulen weiter den Vorwurf des „intransparenten Finanzierungshintergrunds“ in Bezug auf das LNG-Projekt und Deutsche ReGas verbreiten. Jedoch darf er dabei keinen Zusammenhang mehr mit Kapitalgesellschaften auf den Cayman–Inseln herstellen.

Beide Seiten sehen Urteil als Erfolg

Für die Deutsche ReGas sei man in dem Rechtsstreit „erfolgreich gegen rechtswidrige Anschuldigungen der Gemeinde Binz vorgegangen“, heißt es in ihrer Pressemitteilung.

Allerdings zeigt sich der Prozessbevollmächtigte von Anwalt Geulen, Rechtsanwalt Markus Hennig, ebenfalls siegreich: Das Gericht habe erwartungsgemäß den für seinen Mandanten grundlegenden und wichtigsten Punkt der Pressemitteilung vom 21. Juli bestätigt. Es darf behauptet werden: Der Finanzierungshintergrund der LNG–Terminals sei intransparent, so Hennig laut „Nordkurier“ nach der Urteilsverkündung.

Auch Anwalt Geulen fühlt sich trotz der Teilniederlage in seiner ursprünglichen Auffassung bestätigt: „Das Urteil bestätigt meine Auffassung, dass die Deutsche ReGas nicht die für den Betrieb einer gefährlichen Störfallanlage gesetzlich geforderte Zuverlässigkeit aufweist. Sollte dieses törichte LNG–Projekt auf Rügen gleichwohl genehmigt werden, stellen wir sofort die bereits vorbereiteten Anträge auf Baustopp vor dem Bundesverwaltungsgericht.“

Karsten Schneider, Bürgermeister der Gemeinde Ostseebad Binz, bezeichnete „das Urteil als Schlappe für die Deutsche ReGas und auch für die Politik. Denn es wurde gerichtlich bestätigt, dass die Bundesregierung eine Störfallanlage von einem Unternehmen mit intransparentem Finanzierungshintergrund betreiben lassen möchte.“

Die Bundesregierung sollte diesem Vorhaben voller Undurchsichtigkeiten endlich den Stecker ziehen, so Schneider laut „Nordkurier“.

Regierung hat bisher Deutsche ReGas nicht überprüft

In Berlin haben die Vorwürfe gegen die Deutsche ReGas mittlerweile für eine verstärkte Aufmerksamkeit innerhalb der Bundesregierung gesorgt.

Offenbar will die Regierung jetzt „im Hinblick auf die geplante Vermietung des schwimmenden Flüssigerdgasterminals (FSRU) des Bundes an die Deutsche ReGas im Rahmen seiner Sorgfaltspflichten“ bei dem Projekt genauer hinsehen. „Es muss sichergestellt sein, dass die Finanzierung der Energieinfrastruktur auf einer tragfähigen Finanzierung fußt“, heißt es dazu in einer Antwort des von Robert Habeck geführten Bundeswirtschaftsministeriums. Die Anfrage hatte der Essener CDU–Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer gestellt.

Weiter heißt es: Die Regierung werde im Rahmen seiner Sorgfaltspflichten „eingehende Prüfungen der Eignung und Zuverlässigkeit des möglichen Vertragspartners“ durchführen. „Dazu gehört im rechtlich möglichen und gebotenen Umfang auch die Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit und die Herkunft der Finanzmittel.“

CDU-Politiker: Scholz vertraut blindlings einem Branchen-Neuling

Doch warum geschieht dies erst jetzt, fragt sich Hauer. Für ihn ist der fehlende Hintergrundcheck durch die Regierung skandalös. „Bundeskanzler Scholz hat das Projekt zur Chefsache gemacht, vertraut aber blindlings einem Branchen-Neuling, dass schon alles geordnet laufen werde“, zitiert „Business Insider“ den CDU-Politiker.

Allerdings sind die Geldwäschevorwürfe gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden des geplanten Rügener Flüssigerdgasterminals Stephan Knabe vom Tisch. Die Rostocker Staatsanwaltschaft sieht nach Prüfung einer Strafanzeige gegen den Manager der Deutschen ReGas keinen hinreichenden Anfangsverdacht. Die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen sei abgelehnt worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Der Rechtsanwalt Reiner Geulen hatte Ende Juli erklärt, Recherchen hätten Ungereimtheiten unter anderem zur Herkunft des Geldes für die privatwirtschaftlich finanzierte LNG-Anlage ergeben. Vor allem ging es um mutmaßliche Verflechtungen der Deutschen ReGas mit einem Fonds auf den Caymaninseln, die als Steuer- und Geldwäscheparadies gelten. Geulen forderte eine Untersuchung durch die Finanzermittler des Zolls. Die Deutsche ReGas wies die Vorwürfe umgehend zurück.

Wo kommen die 100 Millionen Euro Startkapital her?

Allerdings bleibt weiter ungeklärt, woher genau das 100-Millionen-Euro-Startkapital der Deutschen ReGas für das LNG-Terminalprojekt vor Rügen stammt. Laut den Investoren und Unternehmensgründern Ingo Wagner und Stephan Knabe gründete man dafür die Deutsche ReGas GmbH & Co. KGaA und sammelte bei Investoren 100 Millionen Euro Startkapital ein. Hinter Wagner steht ein Geflecht mehrerer Firmen. Wobei hinter der Deutschen ReGas die WCP Deutschland GmbH in Bruchsal (Baden-Württemberg) steht, deren alleiniger Geschäftsführer Ingo Wagner ist.

Was zudem Fragen aufwirft, ist der Umgang der Bundesregierung mit den Treffen zwischen Bundeskanzler Scholz und den Deutsche-ReGas-Gründern.

Der Kanzler traf sich laut den Regierungsangaben erstmals am 15. September 2022 in seinem Bundestagswahlkreis Potsdam mit dem Steuerberater Stephan Knabe. Allerdings traf er sich als Bundestagsabgeordneter und nicht in seiner Funktion als Regierungschef, wie Scholz bekannt gab.

Knabe und sein Geschäftspartner Ingo Wagner waren zuvor Unbekannte im Bereich der Energiewirtschaft. Bereits seit 2016 versuchte Knabe nach eigenen Aussagen, in das Wasserstoffgeschäft einzusteigen. Doch damals gab es viele Hürden und Schwierigkeiten. Nun hat sich offenbar unter der jetzigen Regierung ein Tor aufgemacht.

Was genau das Gesprächsthema war, wurde nicht bekannt gegeben. Denn anders als in seiner Funktion als Kanzler unterstehen die Treffen als Bundestagsabgeordneter nicht der Protokollpflicht. Dass Scholz so ein wichtiges Thema als Potsdamer Wahlkreisabgeordneter führt und nicht als Regierungschef, erscheint Kritikern fragwürdig und weckt unweigerlich Erinnerungen an den Fall der Hamburger Warburg-Bank, die Cum-Ex-Geschäfte und Treffen zwischen der Bank und Scholz.

Regierung: Bund unterhält keine Vertragsbeziehungen mit Deutsche ReGas

Gleichzeitig wirft die Tatsache, dass man im Energiesektor Unbekannten, die vom Kanzler und der Bundesregierung persönlich protegiert werden, wichtige Aufgaben für die Energieversorgung anvertraute, obgleich man sie vorher nicht überprüfte, Fragen auf.

Laut der Bundesregierung sei dies bisher offenbar nicht nötig gewesen. „Der bestehende Betrieb des Terminals für Flüssigerdgas (LNG) in Lubmin und der geplante Betrieb eines LNG-Terminals in Mukran erfolgen privatwirtschaftlich durch die Deutsche ReGas“, erklärt Wirtschaftsstaatssekretär Dr. Philipp Nimmermann. Und: Der Bund unterhalte zurzeit keine mittelbaren oder unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit der Deutschen ReGas.

Aus der Regierungsantwort gegenüber dem CDU-Bundestagsabgeordneten Hauer geht hervor, dass sich allein der Kanzler dreimal mit Wagner und Knabe traf.

Und neben Konten bei der Deutschen Bank in Luxemburg hat laut „Business Insider“ die Deutsche ReGas seit September 2022 auch welche bei der Warburg Bank in Hamburg.



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