Streit um E-Scooter: Fachverband kritisiert geplante Regelungen und Bußgelderhöhung
Seit ihrer Einführung im Jahr 2019 haben sich E-Scooter in deutschen Städten rasant verbreitet. Aus großen Städten sind sie kaum noch wegzudenken. Jetzt plant das Bundesverkehrsministerium im Zuge einer Evaluation neue Regelungen für E-Scooter-Fahrer. Dazu gehört auch eine „Radwegbenutzungspflicht“. Dafür hagelt es Kritik vom Fachverband Fußverkehr Deutschland.
Wie für alle Fahrzeugführer sind auch für die Benutzer von E-Scootern Regeln in der Straßenverkehrsordnung festgeschrieben. Die eigentliche Rechtsgrundlage in diesem Bereich ist die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung des Bundes. Im Jahr 2019 wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Fahrzeuge mit Lenk- oder Haltestange, wie sie bei E-Scootern vorhanden sind, am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Ein vom Bundesverkehrsministerium vorgelegter Referentenentwurf vom 15. März soll den Verkehr für E-Scooter-Fahrer neu regeln.
E-Scooter dem Fahrrad gleichgestellt
Eine der geplanten Regelungen besagt: „Der Radverkehr und Elektrokleinstfahrzeuge dürfen nicht die Fahrbahn, sondern müssen den Radweg benutzen (Radwegbenutzungspflicht).“ Weiter sieht das neue Gesetz in einer Änderung des Paragrafen 39 Absatz 7a vor, dass Verkehrszeichen mit dem Sinnbild „Radverkehr“ auch für Elektrokleinstfahrzeuge gelten.
Der Fachverband Fußverkehr Deutschland (Fuss e. V.) zeigt sich alarmiert: „Das betrifft zahlreiche Gehwege und Fußgängerzonen. Dabei werden vor allem Leih-E-Scooter oft gefährlich und chaotisch gefahren. Wo Kinder, Ältere, Menschen mit Behinderungen und viele andere unterwegs sind, haben sie nichts verloren.“
Daran ändert auch der weitere Passus im Gesetzentwurf nichts, in dem es heißt: „Fußgänger dürfen als schwächere Verkehrsteilnehmer auf gemeinsamen Geh- und Radwegen weder gefährdet noch behindert werden. Erforderlichenfalls hat der Fahrverkehr die Geschwindigkeit an den Fußverkehr anzupassen.“
Laut Referentenentwurf entbindet diese Regelung die Fußgänger nicht von der erforderlichen Rücksichtnahme. Insbesondere müssen Fußgänger im Rahmen „des Möglichen und Zumutbaren“ für E-Scooter- und Radfahrer Platz machen.
Bußgelderhöhungen und Parkflächen für E-Scooter
Unverständnis zeigt der Verband auch für die in Aussicht gestellten Bußgelderhöhungen, die ihm nicht weit genug gehen. So fallen etwa statt 15 Euro zukünftig 25 Euro an, wenn E-Scooter auf Gehwegen fahren, wo dies nicht erlaubt ist.
„Selbst gefährliches, schnelles Slalomfahren in dichtem Gewühl“ koste nur 35 Euro, kritisiert der Verband weiter.
Dass auch das Parkrecht für E-Scooter in der Straßenverkehrsordnung festgeschrieben und an die für Fahrräder geltenden Bestimmungen angepasst werden soll, ist nach Ansicht von Fuss e. V. ein Zeichen dafür, dass „Verkehrsminister Wissing das Abstellchaos auf Gehwegen verfestigen will“.
Der Verband schlägt als Alternative vor, dass nach einer Übergangszeit ab Anfang 2026 E-Scooter auf Gehwegen „nicht mehr wild überall“, sondern nur noch auf markierten Flächen abgestellt werden dürfen. Diese Maßnahme koste zwar auch Geld, aber neben Städten könnte man auch Verleihfirmen an den entstehenden Kosten beteiligen.
Weiter bemängelt der Verband, dass der Referentenentwurf an einem wichtigen Thema vorbeigehe: „Wer heute durch einen falsch abgestellten E-Scooter verletzt wird, bleibt auf dem Schaden sitzen, da es keine Halterhaftung des Verleihers gibt und der letzte Nutzer behaupten kann, jemand anders habe ihn gefährdend umgestellt.“
Insoweit fordert der Verband eine gesetzlich geregelte Halterhaftung für Verleiher, damit diese selbst gefährliches Abstellen unterbinden.
Besonders gefährdete Gruppen
Besonders gefährdet seien Gehbehinderte, Ältere, Rollstuhlfahrer und Blinde, die über die herumliegenden Scooter stolpern können. Das geht aus einer von Fuss e. V. unter fachlicher Beratung des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins (ABSV) Berlin beauftragten Studie aus dem Jahr 2022 hervor.
In drei repräsentativen Stadtgebieten waren mehr als zwei Drittel (67,5 Prozent) der Sharing-Zweiräder wie E-Scooter, Fahrräder und E-Mopeds so positioniert, dass sie andere Menschen behinderten, gefährdeten oder rechts- und regelwidrig abgestellt waren.
Vor allem für blinde und sehbehinderte Menschen stellen falsch abgestellte E-Scooter eine Gefahr dar, da sie stürzen könnten. Menschen mit eingeschränktem Blickfeld können laut ABSV ihre Umgebung nur verschwommen oder als Hell-Dunkel-Kontrast wahrnehmen.
„Ein liegender Roller wird in der Regel erst beim Stolpern wahrgenommen“, heißt es in der Studie. Blinde, die ihren Weg mithilfe eines weißen Langstocks erkunden, hätten Mühe, einen stehenden oder liegenden Roller aufgrund seiner schlecht zu ertastenden Oberfläche rechtzeitig und richtig zu identifizieren.
Herausforderungen stellen laut Studie auch E-Scooter dar, die häufig an sogenannten Blindenampeln und Treppen zu U- und S-Bahnen abgestellt werden.
Das Ministerium rechnet damit, dass sich das Gesetzgebungsverfahren noch bis Anfang 2025 hinziehen wird. Im Entwurf ist der 1. April 2025 als mögliches Darum des Inkrafttretens aufgeführt.
Mit den E-Scootern in Richtung Verkehrswende?
E-Scooter sollen zur Mobilitätswende beitragen, doch das Umweltbundesamt bezweifelt ihren Nutzen. Unter Berufung auf Studien seien E-Scooter momentan kein Beitrag zur Verkehrswende, sondern bewirken in Innenstädten eher das Gegenteil. Als Leihfahrzeug in Innenstädten, in denen ÖPNV-Netze gut ausgebaut sind und kurze Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können, bringen die Roller eher Nachteile für die Umwelt mit sich. Sie laufen Gefahr, als zusätzliche Mobilitätsform die bestehende Infrastruktur für das Zufußgehen und Fahrradfahren unattraktiver zu machen.
Dabei hätten die Roller durchaus das Potenzial, Mobilität nachhaltiger zu machen – aber nur, wenn sie Autofahrten ersetzen.
Außerdem stellt das Umweltbundesamt die Frage in den Raum, wie umweltfreundlich Herstellung, Ladeprozess und Betrieb sowie Entsorgung der E-Scooter inklusive ihres wichtigsten Bestandteils, des Akkus, ist. Der ist in der Regel ein Lithium-Ionen-Akku und kann Kobalt, Nickel, Kupfer, Aluminium und andere Rohstoffe enthalten, deren Abbau häufig mit Belastungen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt einhergeht.
Mehr E-Scooter, mehr Unfälle
Im Einführungsjahr 2019 waren über 54.000 E-Scooter verschiedener Anbieter auf den Straßen zu finden, wobei die meisten in großen Städten wie Berlin, Hamburg und München im Einsatz waren. Im Jahr 2022 hatte sich die Zulassung der E-Scooter mehr als vervierfacht.
Mit der steigenden Zahl der E-Roller erhöhte sich auch die Zahl der Unfälle. Insgesamt registrierte die Polizei im Jahr 2023 in Deutschland 9.425 E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden. Das waren 14,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor mit 8.260 Unfällen, wie das Bundesamt für Statistik mitgeteilt hat. Dabei kamen insgesamt 22 Menschen ums Leben. Die Zahl der Todesopfer hat sich damit gegenüber 2022 verdoppelt. Damals starben elf Menschen bei E-Scooter-Unfällen.
Wie Epoch Times berichtete, betraf das von der Polizei festgestellte Fehlverhalten von E-Scooter-Fahrern im Jahr 2023 mit einem Anteil von 19,4 Prozent die falsche Benutzung der Fahrbahn oder der Gehwege. Bei weiteren 15 Prozent wurde Alkohol festgestellt, wobei hier die im Straßenverkehr übliche 0,5-Promille-Grenze gilt. Nicht angepasste Geschwindigkeit war das dritthäufigste Fehlverhalten (sieben Prozent).
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