Strafanzeige gegen Ministerpräsident Woidke wegen mutmaßlicher „uneidlicher Falschaussage“

In einer Aussage von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Corona-Untersuchungsausschuss des Landes am 15. März 2024 sieht der ehemalige Berliner Abgeordnete Marcel Luthe den Tatverdacht der „uneidlichen Falschaussage“. Daraufhin reichte der Politiker eine Strafanzeige bei der Potsdamer Staatsanwaltschaft ein.
Titelbild
Vernehmung des Zeugen Dr. Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, beim Corona-Untersuchungsausschuss im brandenburgischen Landtag am 15. März 2024.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 13. April 2024

Marcel Luthe, Politiker und Bundesvorsitzender der Good Governance Gewerkschaft, hat bei der Potsdamer Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) eingereicht.

Er bezichtigt ihn der „uneidlichen Falschaussage“ (Paragraf 153 StGB) vor dem brandenburgischen Corona-Untersuchungsausschuss am 15. März 2024. Im Falle einer Verurteilung droht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Im Untersuchungsausschuss im brandenburgischen Landtag in Potsdam wurde er von einem Ausschussmitglied gefragt, wie es zu den nächtlichen Ausgangssperren für COVID-19-Ungeimpfte in sechs Landkreisen im Januar 2022 kam und ob es Absprachen mit diesen Landkreisen gab.

Woidke erklärte, dass diese Ausgangsbeschränkungen „auf Landkreisebene beschlossen“ wurden und es sich um „eigenverantwortliche“ Entscheidungen der Landräte handelte. Die Landräte hätten seiner Ansicht nach damit sehr verantwortlich gehandelt. Er begrüßte, dass die Lokalpolitiker „eigeninitiativ“ Maßnahmen verhängt hätten, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

War es eine „uneidliche Falschaussage“?

Luthe sieht darin eine „uneidliche Falschaussage“.

Sein Vorwurf: Die in den sechs Brandenburger Landkreisen verhängten Ausgangssperren für Ungeimpfte konnten keinesfalls von Landräten „eigeninitiativ“ beschlossen worden sein, so wie Woidke es vor dem Ausschuss dargestellt habe. Denn sie würden auf der Corona-Verordnung der brandenburgischen Landesregierung beruhen und seien eine Muss-Bestimmung und keine Kann-Bestimmung gewesen. Nach der bindenden Verordnung der Landesregierung Brandenburg hätten die Landkreise keinen Ermessensspielraum gehabt.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam bestätigte gegenüber der Epoch Times den Eingang der Anzeige. Die Abteilung 9, die unter anderem zuständig für Anzeigen gegen Politiker des Landes ist, prüfe nun, ob ein Anfangsverdacht vorliege, teilte ein Sprecher mit.

Von einem brandenburgischen Regierungssprecher hieß es zu dem Vorwurf, dass Ministerpräsident Woidke im Ausschuss nicht wahrheitsgemäß geantwortet habe: „Die Corona-Schutzverordnungen des Landes bildeten auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes des Bundes den Rahmen für notwendige Maßnahmen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern und somit den Gesundheitsschutz der Bevölkerung trotz aller Einschränkungen zu gewährleisten.“

Dazu hätten in einem „beschränkten Zeitraum“ auch Ausgangsbeschränkungen ab bestimmten Inzidenzen und Schwellenwerten verfügbarer Intensivbetten gehört. Laut Verordnung sei die Anordnung der Ausgangsbeschränkungen gemäß Paragraf 27 in die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte gelegt worden.

Ausgangsbeschränkung für Ungeimpfte von 22 Uhr bis 6 Uhr

In der Verordnung steht, dass wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien, die Landkreise zu reagieren haben. Ob diese Formulierung als eigenverantwortliches Handeln ausgelegt werden kann, das muss indessen die Staatsanwaltschaft klären und dann eventuell ein Gericht. Wörtlich heißt es in der damals gültigen Corona-Verordnung vom 23. November 2021 unter Paragraf 27:

(1) Sobald […] in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz für drei Tage ununterbrochen den Schwellenwert von 750 überschreitet und zusätzlich landesweit […] der Anteil der intensivstationär behandelten COVID-19-Patienten in Bezug auf die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten den Schwellenwert von mindestens zehn Prozent erreicht, hat die zuständige Behörde die Überschreitung und Erreichung unverzüglich in geeigneter Weise öffentlich bekanntzugeben.

Ab dem Tag nach der Bekanntgabe gelten in diesem Landkreis oder dieser kreisfreien Stadt folgende Schutzmaßnahmen:

1. In der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages ist der Aufenthalt im öffentlichen Raum nur in den folgenden Fällen sowie in weiteren vergleichbar gewichtigen Ausnahmefällen zulässig: […]

Die nächtliche Ausgangsbeschränkung nach Satz 3 Nummer 1 gilt nicht für:

1. geimpfte Personen […], die einen auf sie ausgestellten Impfnachweis […] vorlegen,

2. genesene Personen […], die einen auf sie ausgestellten Genesenennachweis […] vorlegen,

3. Personen, für die aus gesundheitlichen Gründen keine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission ausgesprochen wurde; die gesundheitlichen Gründe sind vor Ort durch ein schriftliches ärztliches Zeugnis im Original nachzuweisen; die datenschutzrechtlichen Bestimmungen nach § 4 Absatz 4 Satz 2 bis 7 gelten entsprechend.“

„Schlag ins Gesicht des Souveräns“

Für Luthe sei es klar, dass die Staatsanwaltschaft gegen Woidke tätig werden muss: „Wenn ein Anfangsverdacht vorliegt, also eine strafbare Handlung nach dem beschriebenen Sachverhalt auch nur möglich ist, muss ermittelt werden“, äußerte er gegenüber der Journalistin Aya Velázquez.

Für das ehemalige parteilose Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses sei es ein „Schlag ins Gesicht des Souveräns“, wenn ein Vertreter der Exekutive einen Untersuchungsausschuss „entweder auf die leichte Schulter nimmt und Märchen erzähle oder gar vorsätzlich lüge“, um sich aus der Verantwortung zu stehlen, so Luthe weiter.

Luthe erklärte gegenüber der Epoch Times seine Motivation für die Einreichung der Strafanzeige. Er sagte, der fehlende Anstand Woidkes, für die eigene Entscheidung auch Verantwortung zu übernehmen und sogar noch im Parlament die „eigene Großmannssucht“ auf die Landräte abschieben zu wollen, habe ihn dazu veranlasst.

Die Ministerpräsidenten haben sich als Alleinherrscher aufgespielt – dann müssen sie dafür jetzt auch Verantwortung übernehmen.“

Keine automatische Immunität

Im Gegensatz zum Land Berlin genießt Woidke als Ministerpräsident von Brandenburg nicht automatisch Immunität.

Im betreffenden Artikel 58 der brandenburgischen Verfassung heißt es: „Jede Strafverfolgungsmaßnahme gegen ein Mitglied des Landtages, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Landtages auszusetzen, wenn durch sie die parlamentarische Arbeit des Landtages beeinträchtigt wird.“

Dies bedeutet, Brandenburgs Landtag müsste erst selbst per Abstimmung Woidke eine Immunität verschaffen, um ihn vor einer Strafverfolgung zu schützen.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 13. April 2024 aktualisiert. Marcel Luthe ist kein Jurist.  



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