Strafanzeige gegen Bundeskanzler: Hat Scholz im Untersuchungsausschuss gelogen?
Der frühere Bundestagsabgeordnete der Linken, Fabio De Masi, hat gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Anzeige wegen Verdachts auf „uneidliche Falschaussage zur Warburg-Affäre“ gestellt. Das teilte der Ex-Linkenpolitiker auf der Plattform X (vormals Twitter) mit und stellte auch die Anzeige ein, die er an den Hamburger Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich und Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) geschickt hat.
„Wer A sagt, muss auch B sagen“, kommentiert De Masi seinen Tweet. „Es mag wichtigere Themen geben, Politik soll gestalten“, so der frühere Bundestagsabgeordnete weiter. Für ihn sei es aber inakzeptabel, wenn ein Kanzler einen Untersuchungsausschuss täuscht.
Wer A sagt muss auch B sagen! Ich habe eine Strafanzeige gegen den @Bundeskanzler wegen unendlicher Falschaussage zur #Warburg Affäre verfasst, die dem Hamburger Generalstaatsanwalt sowie der Grünen Justizsenatorin @AnnaGallinaHH als Dienstherrin soeben vorab elektronisch… pic.twitter.com/Ys7pC1dbDj
— Fabio De Masi 🦩 (@FabioDeMasi) August 28, 2023
Fabio De Masi wirft Scholz vor, dass dieser im Zusammenhang mit der sogenannten Cum-ex-Steuergeldaffäre eine Falschaussage vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss gemacht habe. Er möchte aufklären, inwieweit die damalige Stadtregierung unter ihrem damaligen Bürgermeister Scholz Einfluss auf die Finanzbehörde genommen hat.
Welche Rolle spielte Scholz bei Entscheidung der Finanzbehörde?
Die Warburg Bank hatte über Jahre mit illegalen Aktiengeschäften (Cum-ex) den Fiskus an der Nase herumgeführt und zu Unrecht Steuergutschriften erhalten. 2016 hatte das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen 47 Millionen Euro, die aus den illegalen Finanzgeschäften stammten, zunächst von der Bank zurückgefordert. Dann kam es zum Treffen zwischen Warburg-Vorstand Christian Olearius und Scholz. Plötzlich änderte die Hamburger Finanzverwaltung überraschenderweise ihre Meinung und die Bank durfte die 47 Millionen Euro zunächst behalten. Inzwischen hat Warburg alle Gutschriften aus den Cum-ex-Geschäften zurückgezahlt.
Immer wieder hat Scholz zurückgewiesen, dass er damals Einfluss auf die Finanzbehörde genommen hätte. An Treffen mit Vertretern der Warburg Bank, in den Jahren 2016 und 2017, so behauptet Scholz bis heute, könne er sich nicht erinnern. Diese Version der Geschichte erzählte er auch vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss.
Scholz‘ Erinnerungslücke in Zweifel gezogen
Diese Erinnerungslücke wird nun durch neue Erkenntnisse erheblich in Zweifel gezogen. „Olaf Scholz muss mindestens ein Treffen im Jahr 2017 erinnert haben, da er dieses Treffen über seinen Sprecher Steffen Hebestreit im Februar 2020 öffentlich unter (unwahrer) Berufung auf seinen Dienstkalender bestätigen ließ“, heißt es in der Strafanzeige des Ex-Linken-Politikers.
De Masi hält es für ausgeschlossen, dass Scholz einen Termin bestätigen lässt, an den er sich nicht erinnern kann und der auch nicht in seinem Kalender eingetragen ist.
Tatsächlich tut sich hier ein Widerspruch auf. In Vorbereitung auf den 30. April 2021, dem Tag, an dem Scholz vor dem Untersuchungsausschuss in Hamburg aussagte, gab sich Scholz‘ Büroleiterin Jeanette Schwamberger in einer E-Mail an Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt – einem engen Vertrauten des damaligen Finanzministers Scholz – sehr „irritiert“, dass dieser in einem Sprechzettel für Scholz für den Unterausschuss als Formulierung vorschlägt: „Im November 2017 hat sich der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz mit Herrn Olearius in seinem Bürgermeister-Amtszimmer zu einem Gespräch getroffen. Dies ist dem Dienstkalender des Bürgermeisters zu entnehmen.“ Christian Olearius ist der Vorstandsvorsitzende der Warburg Bank.
Schwamberger schrieb damals an den Staatssekretär: „Ich habe noch nie einen Termin mit Olearius von November 2017 im Kalender gesehen. Auch nicht einen Termin im Oktober 2017. Das ist alles merkwürdig, aber wir sind alle Kalender durch.“
Scholz präsentiert im Untersuchungsausschuss dann eine reichlich spezielle Erklärung, warum der betreffende Kalendereintrag fehlt. Aufgrund eines IT-Problems im Finanzministerium habe es damals Probleme mit der Übertragung von Terminen aus seinem Kalender als Bürgermeister in seinen Kalender als Finanzminister gegeben. „Insofern gehe ich davon aus, dass das Treffen stattgefunden haben wird, auch wenn ich daran keine eigene Erinnerung habe.“, erklärte Scholz damals im Untersuchungsausschuss. In der vergangenen Woche berichtete der „Stern“ über die Ungereimtheiten mit dem Scholz-Kalender.
Zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft
Für den Kanzler könnte es eng werden, sollte die Generalstaatsanwaltschaft in Hamburg einen Anfangsverdacht sehen. Anders als ein einfacher Parlamentsausschuss sind die Rechte eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses anders gewichtet. Zeugen sind beispielsweise verpflichtet, auf Ladung des Untersuchungsausschusses zu erscheinen. Tun sie das nicht, kann ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 Euro festgesetzt und eine zwangsweise Vorführung angeordnet werden.
Zeugen, die vor einem Untersuchungsausschuss etwas Falsches sagen, können dafür strafrechtlich belangt werden. Auch dann, wenn sie nicht vereidigt wurden. Für die uneidliche Falschaussage drohen zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft. Ein Meineid wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. Für minder schwere Fälle sind zwischen sechs Monaten und fünf Jahre Haft vorgesehen.
Bisher gab es im Zusammenhang mit der Cum-ex-Affäre und Olaf Scholz schon mehrere Strafanzeigen gegen den heutigen Kanzler. Bisher hat die Staatsanwaltschaft Hamburg mehrfach Ermittlungen gegen Scholz abgelehnt.
Fabio De Masi war von 2017 bis 2021 stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Zur Bundestagswahl 2021 bewarb er sich nicht erneut um eine weitere Legislaturperiode. Im Mai 2022 trat er aus seiner Partei aus. Seinen Austritt begründete er damals damit, dass er nicht mitverantwortlich sein möchte „für das eklatante Versagen der maßgeblichen Akteure in dieser Partei“.
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