STIKO rät nicht mehr zur Impfung für Kinder und Jugendliche
Die Ständige Impfkommission (STIKO) überarbeitet derzeit ihre Empfehlungen für Corona-Impfungen. Demnach empfehlen die Mitglieder keine Verabreichung des Vakzins mehr an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Dies berichtet der „Mitteldeutsche Rundfunk“ (MDR). Erwachsene sollten nach Ansicht der Kommission zweimal geimpft sein und einen dritten Kontakt mit dem Antigen von Corona in einem Abstand von drei bis sechs Monaten gehabt haben. Wer also „grundimmunisiert“ ist, sollte nach Ablauf der genannten Zeit noch eine Booster-Impfung bekommen – wenn er sich zwischenzeitlich nicht mindestens einmal mit dem Coronavirus angesteckt hat.
Auffrischung für Risikogruppen
Nur Menschen über 60 Jahre und Personen mit Risikofaktoren für einen schweren Coronaverlauf sollten auch künftig Auffrischungsimpfungen bekommen. Die STIKO empfiehlt dafür den Herbst, wenn etwa auch gegen Grippe geimpft wird. Das gelte auch für Mitarbeiter von Pflegeheimen und Kliniken.
Die STIKO will sich derzeit allerdings noch nicht festlegen, ob diese Auffrischungen jährlich erfolgen müssen oder ob eine bestimmte Anzahl von Impfdosen genügt. Dazu würden Daten zur Entwicklung der Immunität über den Zeitraum mehrerer Jahre gebraucht. Diese lägen bislang aber noch nicht vor.
Die STIKO-Mitglieder begründeten die Überarbeitung mit dem Ende der Pandemie. In Deutschland seien in den vergangenen zwei Jahren mehr als 200 Millionen Impfdosen verabreicht worden. Daher seien die meisten Menschen nun grundimmunisiert. Die Immunität innerhalb der Bevölkerung sei relativ groß, da auch viele mindestens einmal an Corona erkrankt seien. Das verhindere bei den meisten Menschen eine Ansteckung mit schwerem Verlauf und eventuellem Klinikaufenthalt.
Außerdem habe das Virus in seiner Evolution zwar an Ansteckungsfähigkeit gewonnen, mache aber nicht schwerer krank. Daher entfalle die bisherige Sonderrolle für Impfungen gegen Corona. „Sie können nun in den allgemeinen Impfkanon aufgenommen werden“, sagte der Immunologe Christian Bodgan vom Universitätsklinikum in Erlangen.
Kein großer Nutzen für die Jüngsten
Die neue Empfehlung löst die bisherigen 25 Aktualisierungen ab. Sie soll langfristig gelten. Eine Folge der Rücknahme der Impfempfehlung könne sein, dass bestimmte Personengruppe weitere Impfungen selbst bezahlen müssen.
Carsten Watzl, Generalsekretär der deutschen Gesellschaft für Immunologie, betonte, dass die STIKO ausdrücklich darauf hinweise, dass die Änderung der Empfehlung für Kinder und Jugendliche nichts mit einer veränderten Risikobewertung für die Impfstoffe zu tun habe. Das Risiko für schwere Verläufe sei bei Kindern und Jugendlichen sehr gering, daher gebe es keinen großen Nutzen durch die Impfung. Watzl gehört der Kommission nicht an.
Martin Terhardt ist STIKO-Mitglied und Kinder- und Jugendarzt in Berlin. Seinen Angaben zufolge erhielten Neugeborene einen Nestschutz durch die Antikörper ihrer geimpften Mütter. Die STIKO gehe davon aus, dass unter Kindern auch eine relativ große Basisimmunität vorhanden sei. Für Schwangere gelte die allgemeine Impfempfehlung für Erwachsene über 18 Jahren. Auffrischimpfungen für Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft geimpft waren, empfehle die STIKO nicht.
Impfstoff verhindert Infektion nicht
Christian Bogdan betonte, dass die Vakzine eine Infektion der Atemwege nicht verhindern könnten. „Wir müssen uns lösen von der Idee, dass die Impfstoffe einen Atemwegsinfekt total verhindern“, sagte das STIKO-Mitglied. Das sei auch nicht das Ziel der Impfstoffentwicklung gewesen. Stattdessen gehe es darum, schwere Verläufe zu verhindern. Bogdan bezeichnete die Impfungen aus diesem Blickwinkel als großen Erfolg.
Regelmäßige Auffrischungsimpfungen seien bei gesunden Erwachsenen nicht notwendig. „Corona ist kein neues Influenzavirus“, sagte Bogdan. Im Gegensatz zum Grippeerreger, der sich regelmäßig sehr stark verändere, seien die Mutationen bei Corona überwiegend auf das Spike-Protein beschränkt. Die zelluläre Immunantwort durch die sogenannten T-Zellen sei durch die neuen Virusvarianten bisher nie umgangen worden.
Die derzeitige Debatte um das sogenannte Post-Vac-Syndrom habe keinen Einfluss auf die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, betonten Bogdan und Terhardt. Schwere Reaktionen auf die Impfung mit langwierigen oder dauerhaften Schäden seien zwar möglich: „Das hat aber oft weniger mit dem Impfstoff zu tun, sondern mit immunologischen Effekten, die ungewöhnlich, aber bekannt sind“, behauptete Bogdan.
Überreaktionen des Immunsystems
Es könne sein, dass ein Mensch sogenannte Autoantikörper entwickle, die eine Überreaktion des Immunsystems darstellten. Solche Überreaktionen seien aber nach Infektionen deutlich häufiger als nach Impfungen. Schwierig sei zudem zu unterscheiden, welche Komplikationen die Impfung tatsächlich auslöste und welche nur zufällig zur gleichen Zeit auftraten. „Wir haben über 200 Millionen Dosen verimpft. Da ist es praktisch unvermeidlich, dass Impfungen zeitlich gemeinsam auftreten mit einem neuen klinischen Gesundheitsbild“, erklärte der Immunologe.
Es gebe aber auch durch die Impfung verursachte Komplikationen, räumte Bogdan ein. Daher müsse noch geforscht werden, um beides voneinander unterscheiden zu können. Aufgrund der immunologischen Grundlagen sei es unvermeidbar, dass es in einzelnen Fällen solche Impfreaktionen gebe. Diese seien aber besonders gemessen am Nutzen der Impfung verhältnismäßig sehr selten, betonte das STIKO-Mitglied.
Die neue Empfehlung der Kommission wird nun in einem Stellungnahmeverfahren von den Bundesländern und Fachgesellschaften geprüft. Dabei können auch Änderungsvorschläge eingereicht werden. Im Anschluss an das Verfahren veröffentlicht die STIKO in zwei Wochen ihre endgültige Empfehlung.
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