STIKO-Chef will Impfung von Risikogruppen gegen Affenpocken prüfen

Auch wenn die Risikogruppe sehr klein ist, soll hier über eine mögliche Impfung diskutiert werden.
Titelbild
Thomas Mertens ist Vorsitzender der Ständigen Impfkommission.Foto: Kay Nietfeld/dpa/dpa
Epoch Times25. Mai 2022

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Der Chef der Ständigen Impfkommission (STIKO), Thomas Mertens, regt an, eine präventive Impfung von Risikogruppen gegen Affenpocken zu prüfen. „Darüber wird derzeit nachgedacht und das könnte möglicherweise sinnvoll sein“, sagte Mertens der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Zu einer möglichen Impfung der gesamten Bevölkerung sagte er: „Das ist derzeit sehr wenig wahrscheinlich.“

Wer zur Risikogruppe gehört, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach so: „Ohne jede Stigmatisierung müssen insbesondere Männer mit anonymen Sex vor Affenpocken gewarnt werden. Sie sind im Moment eine Risikogruppe. Nur gemeinsam kann der Ausbruch beendet werden.“

Mögliche Nebenwirkungen der Impfung machen Mertens nach eigenen Angaben keine Sorgen. Zwar sei die klassische Pockenimpfung tatsächlich bei der Erstimpfung nicht ganz ungefährlich gewesen; so sei in Deutschland bei einem von etwa 20.000 Impflingen nach der Immunisierung eine Hirnentzündung aufgetreten. „Der aktuelle Impfstoff – und nur dieser kommt in Frage – ist aber viel besser verträglich. Das Impfvirus in diesem Impfstoff kann sich im Menschen nicht mehr vermehren“, sagte Mertens.

Die Schutzwirkung sei laut dem STIKO-Chef hoch: „Eine Impfung mit Vakziniavirus (also dem Impfvirus gegen die Pocken des Menschen) schützt auch vor den Affenpocken, die beide in das gleiche Genus (Orthopoxviren) der Familie der Pockenviren gehören. Ein gewisser Schutz hält wahrscheinlich lebenslang an. Der Schutz ist nicht vollständig, schützt aber vor schwerer Erkrankung“, so Mertens.

Zu den Komplikationen schwerer Fälle von Affenpocken zählt die STIKO Hautinfektionen, Lungenentzündung, Verwirrtheit und Augeninfektionen, die zu Sehverlust führen können.

Pockenimpfung in der Vergangenheit

1967 startete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine weltweite Impfkampagne gegen Pocken, im Zuge derer Milliarden Menschen geimpft wurden. 1980 erklärte die WHO die Ausrottung der Pocken weltweit. Die Pflicht zur Erstimpfung wurde in der BRD 1976 und in der DDR 1982 aufgehoben.

Aufgrund der vereinzelt neu aufgetretenen Affenpockenfällen in westlichen Ländern durch einen verwandten Erreger stellen sich die Behörden nun erneut die Frage nach einer Impfungen. Speziell gegen Affenpocken gibt es in Europa keine zugelassenen Impfstoffe. Allerdings nehmen Fachleute an, dass herkömmliche Pockenimpfstoffe einen gewissen Schutz bieten.

Insbesondere nach dem Anschlag auf das World Trade Center in den USA legten viele Länder aus Furcht vor Bioterrorismus Vorräte mit Pockenimpfstoff an. Vermehrungsfähige echte Menschenpockenviren lagern in den USA und in Russland, wie der Virologe Norbert Nowotny vom Institut für Virologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien sagte. „Rückblickend muss man aber festhalten, dass die Ängste vor Bioterrorismus nach 2001 irrational waren. Der Einsatz von Pocken als Waffe wäre schließlich überhaupt nicht kontrollierbar.“

Alter Pockenimpfstoff nicht geeignet

Die Bundesregierung hat laut einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages etwa 100 Millionen Dosen Pockenimpfstoff eingelagert. Dieses Vakzin sei wegen zu erwartender Nebenwirkungen jedoch nicht zum Einsatz gegen Affenpocken geeignet, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

„Der ältere Pockenimpfstoff hat viele Nebenwirkungen, zudem enthält er vermehrungsfähige Viren, die sich im Körper von immungeschwächten Menschen ausbreiten könnten“, erklärte Stefan Kaufmann, emeritierter Direktor am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

Daneben gibt es noch einen neueren Pockenimpfstoff, der auf einer Weiterentwicklung durch den Mikrobiologen Anton Mayr in den 1960er Jahren in Bayern basiert. Dabei werde ein im Labor abgeschwächtes Impfvirus genutzt, um eine Immunantwort gegen Pocken zu erzeugen, sagte der Wiener Facharzt für Impfen und Reisemedizin Herwig Kollaritsch. Fachleute sprechen kurz von MVA-Impfung (MVA: Modifiziertes Vacciniavirus Ankara).

„Diese Impfung wurde in den 1960ern eine Zeit lang verwendet, aber nie in großem Stil“, sagte Kollaritsch, der Mitglied des österreichischen Pendants zur Ständigen Impfkommission (STIKO) ist.

Lauterbach kündigt Bestellung des Impfstoffs Imvanex an

Das seit 2013 in der EU für Erwachsene gegen Pocken zugelassene MVA-Vakzin heißt Imvanex und kommt von der deutsch-dänischen Firma Bavarian Nordic. In den Vereinigten Staaten ist es bereits gegen Affenpocken zugelassen. Die WHO wies kürzlich darauf hin, dass es nicht flächendeckend verfügbar sei. Britische Gesundheitsbehörden haben jüngst mehr als 1.000 Dosen davon an Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten verabreicht.

Auch in Deutschland könnten solche sogenannten Ringimpfungen laut Behörden bei Kontakten von Erkrankten notwendig werden. Lauterbach kündigte die prophylaktische Bestellung von bis zu 40.000 Dosen Imvanex an. Konkrete Pläne, diesen auch zu verwenden, gebe es noch nicht. „Wir könnten diesen Impfstoff, sollte es notwendig werden, unmittelbar einsetzen“, sagte Lauterbach.

Winer Arzt: „Für die breite Bevölkerung wäre diese Impfung Unfug“

In dem neueren Impfstoff sieht der Wiener Arzt Kollaritsch allenfalls ein Instrument, um Menschen zu impfen, die ein hohes Risiko haben, dem Erreger ausgesetzt zu sein, etwa Personal spezieller Isolierstationen. „Für die breite Bevölkerung wäre diese Impfung Unfug. Affenpocken sind wesentlich harmloser als die Pocken und infektionsepidemiologisch von viel geringerer Bedeutung. Wir müssen auch bedenken, dass eine sehr gute Therapie für Infizierte verfügbar ist.“

Der Erreger der Affenpocken sei ein DNA-Virus, sagte der Virologe Nowotny. Das heiße, es sei sehr viel träger als Sars-CoV-2 und mutiere kaum. Varianten werde man daher nicht so schnell sehen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hielt fest, dass nach derzeitigem Wissen ein enger Kontakt für eine Erreger-Übertragung erforderlich sei, „deshalb kann gegenwärtig davon ausgegangen werden, dass der Ausbruch begrenzt bleibt“. Empfohlen wird Isolierung beziehungsweise Quarantäne für Infizierte und ihre engen Kontakte. Kontakte von Infizierten müssen aus Expertensicht genau nachverfolgt werden. Die Inkubationszeit beträgt laut RKI fünf bis 21 Tage. Menschen mit mehreren Sexualpartnern haben nach RKI-Einschätzung eine höhere Infektionsgefahr als andere. Gerade bei ihnen dürften aber auch anonyme Kontakte eine Rolle spielen.

Keine Gefahr für Kinder

Kinderärzte haben eine „Panikmache“ bei den Affenpocken beklagt. Das Affenpocken-Virus sei „weit weniger ansteckend als Corona“ und werde fast ausschließlich durch „engen Körperkontakt und Körperflüssigkeiten“ übertragen, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die registrierten Fälle seien „vorwiegend auf sexuelle Kontakte unter Männern“ zurückzuführen. „Kinder gehören daher definitiv nicht zu denjenigen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko.“

„Es ist extrem unwahrscheinlich, dass sich in der momentanen Lage in Europa Kinder mit Affenpocken anstecken“, sagte auch der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, Tobias Tenenbaum, der Zeitung. „Es sind auch keine Fälle bekannt, in denen sich Affenpocken in Europa innerhalb von Familien ausgebreitet haben.“ Daher brauchen sich Eltern aktuell keine Sorgen zu machen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im ersten Ausbruch der Affenpocken in Zaire 1981 bis 1986 insgesamt 338 Fälle registriert, 33 endeten tödlich. Seit 1970 bis 2022 waren der WHO Fälle aus elf afrikanischen Ländern bekannt. 2003 war der erste „nicht direkt importierte Fall außerhalb Afrikas“ registriert. Es folgten vereinzelte Fälle in den USA im Jahr 2003 sowie Fälle 2017-19 in Nigeria, 2018 Großbritannien, 2019 in Singapur sowie weitere Fälle in 2021/22.

Zum Stand 21. Mai 2022 ging die WHO von 92 bestätigten und 28 Verdachtsfällen in westlichen Ländern aus. Von Todesfälle ist nichts bekannt. (afp/dts/red/sua)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion