Steuerrabatt für ausländische Fachkräfte: Debatte geht weiter

Der Plan der Ampelregierung, Steuerrabatte für ausländische Fachkräfte einzuführen, wird heftig diskutiert. Kritiker warnen vor gesellschaftlichen Missverständnissen. Experten bezweifeln die Wirksamkeit der geplanten Steuererleichterungen. Was hierzulande heiß diskutiert wird, ist in anderen Ländern allerdings längst Realität.
Titelbild
Ein Elektronikingenieur arbeitet an einem Forschungsprojekt. Symbolbild.Foto: iStock
Von 23. Juli 2024

Punkt 27 des geplanten Wachstumspaketes ist nur sieben Zeilen lang. Doch dieser birgt Sprengstoff in sich und sorgt seit Tagen für Diskussionsstoff. Die Bundesregierung möchte Deutschland durch einen Steuerrabatt für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiver machen. Nach den Plänen der Ampelregierung sollen für neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und zehn Prozent vom Bruttolohn steuerfrei gestellt werden.

Damit die gewährten Steuerrabatte einerseits keine Geringverdiener anzieht und andererseits ausländische Spitzenverdiener den Steuervorteil nicht ausnutzen, will die Regierung noch Gehaltsober- und -untergrenzen definieren. Erste Überlegungen gehen dahin, einen Mindestverdienst von jährlich etwa 40.000 oder 50.000 Euro anzusetzen. 

SPD-Politiker schießen gegen Ampelpläne

Politisch erhitzen die Pläne die Gemüter. „Ob die steuerliche Begünstigung von ausländischen Arbeitnehmern tatsächlich zu den gewünschten Effekten führt, kann zumindest bezweifelt werden“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) dem „Handelsblatt“. „Zudem dürfte die damit verbundene Besserstellung ausländischer Fachkräfte zu sicher nicht gewollten Debatten führen.“

Steinbach rät, den Fokus auf andere Maßnahmen zu legen, um mithilfe von Zuwanderung die weiter steigenden Fachkräftebedarfe zu decken. „Wichtig wäre es zum Beispiel, die Visaverfahren im Ausland zu beschleunigen und die Anerkennung beruflicher Abschlüsse in Deutschland zu vereinfachen“, sagte der SPD-Politiker.

Ähnlich sieht es auch der SPD-Spitzenkandidat für die Wahl in Thüringen, Georg Maier.  Solange die Menschen im Osten „deutlich unterdurchschnittlich verdienen und die Renten und Vermögen ebenfalls stark unter dem Bundesdurchschnitt liegen, sollte man solche Privilegien für Zuwanderer überdenken“, so Maier, der in Thüringen im Moment Innenminister in der Regierung unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ist. 

Auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte schon Anfang Juli Abstand zu den Plänen der Bundesregierung genommen. Gegenüber dem „Deutschlandfunk“ sagte der Minister damals, er sei mit dem Vorhaben der Koalitionsspitze „nicht furchtbar glücklich“. 

Und Heil weiter: „Das gehört zu der Abteilung: Das müssen wir uns noch einmal genauer anschauen.“

Der Arbeitsminister befürchtet „gesellschaftliche Missverständnisse“. Das sei alles „etwas luftig im Papier formuliert“, legte er später noch einmal gegenüber dem Sender ntv nach. „Es darf kein Missverständnis entstehen. Die Arbeit in diesem Land muss gleich viel wert sein“, betonte Arbeitsminister Heil weiter. Außerdem sei viel entscheidender für die Zuwanderung von Fachkräften, dass besser für Deutschland geworben werde.

Arbeitgeberseite übt ebenfalls Kritik

Gegenwind erhalten die Ampelpläne auch von der Opposition. So sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber: „Die Ampel spaltet und brüskiert die hart arbeitende Bevölkerung.“ BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nannte die Pläne der Ampel in der „Welt“ einen „Schlag ins Gesicht für den Normalbürger, der hier schon immer brav seine Steuern und Abgaben zahlt“. 

Auch aus der Wirtschaft kommt Kritik an den Plänen der Ampel. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger lehnt die von der Bundesregierung geplanten Steueranreize für ausländische Spitzenkräfte ab. Dulger sagte der „Deutschen Presse-Agentur“: „Der Vorschlag widerspricht der Steuergerechtigkeit und sendet ein falsches innenpolitisches Signal. Auch dürfte es vielerorts zu Unruhe im Betriebsfrieden führen.“

Gegen die von der Bundesregierung geplante Steuererleichterung für ausländische Fachkräfte hat sich am Dienstag, 23. Juli, auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gewandt. Wie das Institut schätzt, würde eine solche Maßnahme bis zu 600 Millionen Euro kosten – und dabei, laut IW-Pressemitteilung, wenig bringen. „Weniger Bürokratie und kürzere Visumverfahren wären besser und wirksamer.“

Im ersten Jahr würde der Staat für diese Steuererleichterungen nach den Berechnungen des IW auf 300 Millionen Euro verzichten. Nach drei Jahren – wenn der erste Jahrgang nur noch zehn Prozent Rabatt bekäme und neue Fachkräfte dazugekommen wären – würden die Kosten demnach auf bis zu 600 Millionen Euro im Jahr ansteigen.

Die Kosten könnten noch höher ausfallen, je nachdem, wie gut ausländische Fachkräfte ausgebildet sind und wie viel sie verdienen, erläuterte das Institut. Sie könnten auch niedriger liegen, wenn Fachkräfte in den drei Jahren wieder zurückwandern oder niedriger Qualifizierte kommen.  

Das Institut stellte klar: Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, sei richtig und sinnvoll. Die deutsche Wirtschaft leide unter Fachkräftemangel, derzeit fehlten etwa 573.000 qualifizierte Arbeitskräfte. 

Steuererleichterungen seien aber der falsche Weg. „Steuerrabatte für eine spezielle Gruppe sind diskriminierend im Sinne der Steuergerechtigkeit“, erklärte IW-Steuerexperte Martin Beznoska. „Besser wäre es, die Abgabenlast für alle zu senken.“ Zudem bleibe fraglich, ob das Instrument überhaupt zusätzliche Fachkräfte anlockt, wenn es nach drei Jahren wegfällt. 

In anderen Ländern längst Realität

Die Idee, zugewanderten Fachkräften Freibeträge bei der Lohnsteuer zu gewähren, ist keine Erfindung der Ampel. Wie die Industriestaatenorganisation OECD auf Anfrage der „Welt“ mitteilte, gewähren 24 der insgesamt 38 Mitgliedstaaten manchen Fachkräften aus dem Ausland in einer Form Steuervorteile. Das von der Ampel vorgeschlagene Modell der Gewährung von Freibeträgen bei der Lohnsteuer findet laut OECD in zehn Mitgliedstaaten Anwendung: in Österreich, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Italien, Irland, Korea, Polen, Schweden und Island.

Wie von der Ampel geplant, gelten diese steuerlichen Vorteile auch in diesen Ländern zeitlich beschränkt. Anders als die drei Jahre, die die Ampel vorschlägt, bestehen die Steuervorteile in diesen Ländern meist fünf Jahre und mehr.

Gegenüber der „Welt“ sagt Thomas Liebig, Leiter der OECD-Migrationsabteilung: „Insgesamt ist das geplante neue Modell für Deutschland im internationalen Vergleich keinesfalls außergewöhnlich. Was den Steuervorteil und die Dauer anbelangt, sind andere Länder sogar großzügiger, allerdings ist die betroffene Gruppe in Deutschland relativ breit gefasst.“ Dies sei „auch vor dem Hintergrund der häufig relativ hohen Steuerlast im mittleren Einkommensbereich“ zu sehen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion