Steuererhöhung auf Fleisch: Jetzt steht auch der Bauernverband hinter Özdemirs Vorschlag

Landwirtschaftsminister Özdemir will für das Tierwohl die Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte erhöhen. Der Grünen-Politiker plädiert für eine Anhebung von derzeit sieben auf neun oder zehn Prozent. Verbraucher „merken das kaum“, so das Argument des Ministers.
Cem Özdemir spricht während einer Pressekonferenz zum Abschluss der dreitägigen Agrarministerkonferenz.
Cem Özdemir: Der erste vegetarische Landwirtschaftsminister will Fleisch teurer machen.Foto: Martin Schutt/dpa
Von 9. Juli 2024

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Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir strebt eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte von derzeit sieben auf neun oder zehn Prozent an. Das hatte der grüne Minister auf dem Deutschen Bauerntag in Cottbus angekündigt.

In dem Kontext betonte Özdemir, dass es nicht darum gehe, die Steuer auf den vollen Satz zu erhöhen, sondern lediglich, um einige Punkte anzuheben. Das sei verkraftbar für die Verbraucher, so Özdemir gegenüber „Welt-TV“:

Ich finde, das merken Sie kaum.“

Eine vollständige Anhebung auf 19 Prozent sei nicht vorgesehen, um Fleisch und Wurst auch für einkommensschwächere Familien erschwinglich zu halten. Auch Bauernpräsident Joachim Rukwied hat eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um genau diese Punktzahl vorgeschlagen.

Noch vor wenigen Monaten, im April 2024, hatte der Bauernverband unter Rukwied eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch abgelehnt. Damals kam der Vorschlag von der Zukunftskommission Landwirtschaft, ein Gremium, das seit 2020 existiert und von Özdemir zur Weiterarbeit mandatiert wurde. Der Bauernverband ist Teil der Kommission. Der damalige Vorschlag sah eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch von aktuellen sieben Prozent auf 19 Prozent vor.

„Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab“, sagte Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied noch im April zum Vorschlag der Kommission gegenüber der „Tagesschau“. Zudem solle das Geld für den Tierwohlumbau aus dem Bundeshaushalt kommen, argumentierte der Präsident des Bauernverbandes ursprünglich. Jetzt also fordert auch Rukwied eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleischprodukte.

Dass Fleisch teurer werden soll, ist schon länger im Gespräch. Das Konzept, das Landwirtschaftsminister Özdemir für die Einführung eines sogenannten Tierwohlcent erarbeiten ließ, scheint vom Tisch. Nach diesem hätten die Endverbraucher einige Cent je Kilo Fleisch mehr bezahlen sollen.

Der ursprüngliche Plan der Einführung eines Tierwohlcent hätte aber wie eine zusätzliche Steuer zusätzlich eingeführt werden müssen. Die bürokratischen Auswirkungen und Aufwände bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte erscheinen leichter durchführbar. Auch die Zukunftskommission Landwirtschaft befand, die Erhöhung der Mehrwertsteuer sei am einfachsten umzusetzen.

Der Endverbraucher zahlt

Seit dem 1. Januar 2007 liegt der Mehrwertsteuersatz in Deutschland bei 19 Prozent. Der Steuersatz für Güter des täglichen Bedarfs, zu denen auch Nahrungsmittel wie Fleischwaren, aber auch unter anderem Bücher zählen, beträgt sieben Prozent. Die Mehrwertsteuer, im wirtschaftlichen Kontext auch Umsatzsteuer genannt, ist eine indirekte Steuer. Sie wird nicht von denjenigen gezahlt, die sie verursachen. Denn die Kosten der Steuer trägt der Endverbraucher, der die Mehrwertsteuer weder absetzen noch verrechnen und daher nicht weiterleiten kann.

In Deutschland erfolgte die Einführung der Mehrwertsteuer im Jahr 1968 mit den anfänglichen Steuersätzen von zehn Prozent als Standardsteuersatz und einem ermäßigten Steuersatz von fünf Prozent. Bis Ende 1967 hatte es bereits eine „Umsatzsteuer“ gegeben, doch deren Sätze lagen deutlich niedriger – zuletzt bei vier Prozent.

Erhöhung, um den Staatshaushalt zu finanzieren

Über die Jahre wurde die Mehrwertsteuer in Deutschland mehrfach erhöht, um den steigenden Finanzierungsbedarf des Staates zu decken. Noch im selben Jahr der erstmaligen Einführung erfolgte gleich die erste Erhöhung: Der reguläre Satz wurde im Juli 1968 auf elf Prozent angehoben, der ermäßigte Satz auf 5,5 Prozent. Bis 1998 folgten fünf weitere Steigerungen des regulären Satzes um jeweils einen Prozentpunkt.

Die bisher größte Mehrwertsteuererhöhung kam im Januar 2007. Die zusätzlichen Einnahmen des Staates sollten seinerzeit für die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und für die Haushaltssanierung verwendet werden.

Als Union und SPD damals den Koalitionsvertrag aushandelten, einigten sie sich auf eine Erhöhung erstmals um gleich drei Prozentpunkte. Dieser Standardsteuersatz von 19 Prozent besteht bis heute beziehungsweise ist heute wieder gültig. Denn zwischenzeitlich wurden am 1. Juli 2020 die Steuersätze für ein halbes Jahr gesenkt. Unternehmen und Bürger sollten wegen der Lockdown-Politik entlastet werden – zeitlich befristet. Seit dem 1. Januar 2021 gelten wieder die vorherigen Steuersätze.

Für Özdemir ein „kluger Vorschlag“

Auf dem Deutschen Bauerntag in Cottbus sprach Özdemir bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung auf Fleischprodukte von einem „klugen Vorschlag“.  Nach den Planungen des Grünen-Politikers soll das zusätzliche Geld aus der Mehrwertsteuererhöhung ausschließlich in die Tierhaltung fließen, insbesondere in höhere Haltungsformen und in den Umbau von Ställen. Der Umbau der Ställe koste viel Geld und die Landwirte verschuldeten sich zum Teil für Jahrzehnte. Das könnten die Bauern nicht aus den Erlösen der Fleischverkäufe finanzieren, so Özdemir.

Die Zweckgebundenheit einer Mehrwertsteuererhöhung ist in Deutschland wenig üblich und schwieriger umzusetzen als bei Sonderabgaben oder spezifischen Verbrauchssteuern. Ein Beispiel ist die Tabaksteuer, von deren Einnahmen Teile zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zweckgebunden wurden.

Wenn Mehrwertsteuereinnahmen für bestimmte Zwecke verwendet werden sollen, muss dies in dem Gesetz verankert werden, das die Mehrwertsteuererhöhung einführt.

Alternativ dazu könnten die zusätzlichen Einnahmen im jährlichen Haushaltsplan explizit bestimmten Ausgabezwecken zugewiesen werden. Hier muss der Bundestag diese Zweckbindung jedes Jahr aufs Neue bestätigen.

Es gibt auch die Möglichkeit, dass die zusätzlichen Einnahmen in einen speziellen Fonds oder ein Sondervermögen fließen. Ein solcher Fonds müsste gesetzlich eingerichtet werden und klare Regeln zur Mittelverwendung enthalten. Ein Beispiel dafür ist der Energie- und Klimafonds, in den die Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten fließen und der für Klimamaßnahmen verwendet wird.

Auch wenn dies weniger bindend ist, könnte durch politische Absprachen oder Koalitionsvereinbarungen festgelegt werden, dass die Einnahmen aus einer Mehrwertsteuererhöhung für bestimmte Zwecke verwendet werden. Solche Vereinbarungen hätten jedoch nur politischen und keinen rechtlichen Bindungscharakter.

Ein Beispiel dafür war die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 von 16 auf 19 Prozent, wo die damalige Große Koalition vereinbart hatte, dass ein Teil der zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung zur Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und zur Konsolidierung des Haushalts verwendet werden sollte. Dies war jedoch keine rechtliche Zweckbindung, sondern eine politische Vereinbarung.

Ministerium stellt auf vegetarisch um

Ungeachtet dieser noch zu regelnden Details bei einer möglichen Mehrwertsteuererhöhung hat Özdemir unlängst Fleisch vom Speiseplan des Landwirtschaftsministeriums gestrichen. Dieses gibt es nur noch mit Sondergenehmigung, wie „Agrar heute“ berichtet. Seit einem Jahr gibt es bei Veranstaltungen grundsätzlich nur noch vegetarische Kost, die zu 100 % aus ökologischem Landbau stammen soll.



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