Steuerboom bringt Mini-Entlastung – auch für die Koalition
Zwischen 2015 und 2019 könnten die Einnahmen um satte 102 Milliarden Euro auf dann fast 769 Milliarden Euro klettern – weit stärker als noch bei der November-Schätzung in Aussicht gestellt.
Ohne jede Aufregung verkündet der gewiefte Polit-Profi dann, dass die Bürger bereits vom nächsten Jahr an auf etwas mehr Geld hoffen können. Eine Mini-Steuersenkung zwar nur, aber der Dauerbrenner „kalte Progression“ soll nun früher angegangen werden.
Es geht um die „heimlichen Steuererhöhungen“ durch das Zusammenspiel von Lohnerhöhungen, steigenden Steuersätzen und Preissteigerungen. Das fordern SPD, Gewerkschaften sowie CSU und der Wirtschaftsflügel der Union seit Monaten vehement.
Schäubles Ankündigung nützt eher dem aktuell besonders brüchigen Koalitionsfrieden, dem Bürger aber nur wenig. Der oberste Kassenwart gibt sich auch kaum Mühe, den überraschenden Schritt als große Reform und üppiges Geschenk für die Steuerzahler zu verkaufen. Die mit Wirkung zum 1. Januar 2016 geplante geringe Korrektur beim Einkommensteuer-Tarif, mit der die „kalte Progression“ gemindert werden soll, kostet Bund, Länder und Kommunen zusammen gerade 1,5 Milliarden Euro. Ein Klacks angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen.
Ein Klacks aber auch im Geldbeutel der Bürger. Allenfalls ein paar Euro mehr pro Monat werden rausspringen, die gerade mal für eine weitere Tasse Kaffee reichen dürften. Würde die Korrektur im Umfang der tatsächlichen Preissteigerung pro Jahr ausfallen, wäre die Entlastung kaum noch messbar.
„Dass das für den Einzelnen keine große Entlastung ist, habe ich den leidenschaftlichen Befürwortern immer schon gesagt“, gibt Schäuble unumwunden zu. Aber es gehe halt ums Prinzip, schiebt der Finanzminister nach, der schon 2012 mit einem ersten Vorstoß am Widerstand der Länder gescheitert war – von weiteren Versuchen in dieser Sachen aber eigentlich nicht allzuviel hielt.
Die öffentliche Debatte über die „kalte Progression“ war zuletzt weit größer als das eigentliche Problem. Denn wegen der seit längerem andauernden extrem niedrigen Preissteigerung wirken auch diese „heimlichen Steuererhöhungen“ kaum.
Aber angesichts der in Aussicht gestellten Mehreinnahmen kann die Koalition die immer wieder versprochenen Änderungen nicht weiter hinauszögern. Der ursprüngliche Zeitplan lautete: Bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017 solle das Problem endlich angegangen werden.
Schäuble erwartet diesmal Zustimmung auch aus den Ländern und Kommunen. Diese würden mit den Mindereinnahmen nicht überfordert, meint er. Länder und Kommunen werden aber wohl nicht bereitwillig Ja sagen, sondern sich eine Zustimmung teuer abkaufen lassen – auch wenn sie kräftig von den Mehreinnahmen profitieren. Doch das Geld ist teils schon verplant, und sicher in den Kassen verbucht ist das von den Schätzern prognostizierte Plus noch lange nicht.
So wird es weiter Forderungen nach mehr Geld vom Bund geben – etwa für die Unterbringung von Flüchtlingen. Und es wird erbittert über die künftigen Bund-Länder-Finanzen und die Zukunft des „Soli“-Zuschlages ab 2020 gefeilscht. Schäuble bietet den Ländern sieben Milliarden Euro mehr an, die fordern aber zehn Milliarden – pro Jahr als feste Zusage, statt vager Prognosen.
Führende Wirtschaftsforscher hatten sich angesichts der guten Konjunktur für spürbare Steuersenkungen und eine Reform der Einkommensteuer ausgesprochen. Der Steuertarif sollte abgeflacht und so auch der „Mittelstandsbauch“ beseitigt werden. Das ist der gewölbte Teil im Tarifverlauf, durch den die Steuerlast unterer Einkommen weit stärker steigt als in den oberen Bereichen. Was SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gern aufgriff.
Die SPD feilt angeblich an einem Konzept – auch um Familien mit Kindern stärker zu entlasten. Gabriel stellt jedoch Bedingungen: Die Abgeltungsteuer – also die günstigere Besteuerung von Kapitalerträgen – müsse wegfallen und der Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent angehoben werden. Zudem dürfe der „Soli“ nicht abgeschafft werden, wie es Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer vereinbart haben. Es gibt also weiter reichlich Konfliktstoff für Schwarz-Rot.
(dpa)
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