Steingart über die SPD: Drei Gruppen kämpfen um Macht – und vergessen den Wähler

Dass SPD-Vize Ralf Stegner seinen Platz zugunsten von Juso-Chef Kevin Kühnert räumen will, erhöht dessen Chancen, auf dem kommenden Parteitag ins Präsidium aufzurücken. Teile der Fraktion und alte Schröder-Weggefährten wollen den Linksruck nicht mittragen.
Von 4. Dezember 2019

In der Ausgabe seines „Morning Briefing“-Podcasts vom Mittwoch (4.12.) widmet sich Publizist Gabor Steingart der Situation in der SPD vor deren Parteitag am kommenden Wochenende. Er sieht im Wesentlichen eine De-facto-Spaltung der Sozialdemokraten in drei innerparteiliche Gruppierungen, die um die Vorherrschaft in der zuletzt arg unter die Räder gekommenen Partei kämpfen.

Zum einen die radikale Linke, die er „Brigade Kevin“ nennt und neben den designierten neuen Bundesvorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als „Aufpasser“ deren Stichwortgeber Kevin Kühnert in den Vorstand entsenden dürfte. 

„Der Chef-Chef der Parteivorsitzenden will als Vize in den Vorstand einziehen, um die Arbeit der beiden zu flankieren. Es gilt das Leninsche Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, kommentiert Steingart dessen Avancen, Vizeparteichef zu werden.

„Sozialismus oder Sancerre“

Die Chancen, gewählt zu werden, steigen weiter, da der amtierende Vize und Partei-Linksaußen Ralf Stegner gegenüber der „SHZ“ bereits am Dienstag erklärt hat, zugunsten Kühnerts seinen Platz zu räumen.

Das zweite Lager stellt das der Pragmatiker. Dazu gehörten vor allem die 152 Bundestagsabgeordneten, von denen der eine oder anderer zwar durchaus Sympathien für die radikalen Parolen zur Schaffung einer neuen Gesellschaft haben mag, jedoch kaum einer bereit wäre, dafür Abstriche an eigenen Vorrechten hinzunehmen. Steingart schreibt über sie:

„Für die 152 SPD-Abgeordneten beginnt soziale Gerechtigkeit mit der pünktlichen Überweisung ihrer Diäten. Die Leidenschaft für das Klima ist groß, aber die Freude an der Fahrbereitschaft des Bundestages nicht minder. So schnell lassen sich die Abgeordneten nicht enteignen. Wenn die gewöhnlichen Parlamentarier zwischen Sozialismus oder Sancerre wählen müssten, wüssten sie sich zu entscheiden.“

Außerdem gäbe es noch einen kleinen Rest an Rest-Schröderianern, die sich vor allem nach einer SPD sehnten, die staatsmännische Verantwortung in den Vordergrund gestellt habe – und Ideologie hintan. Zu diesen gehöre Ex-Generalsekretär und -Parteichef Franz Müntefering, der erklärt, dass über die Politik der Bundesregierung und der SPD-Fraktion nicht das Präsidium entscheide: „Wir haben kein Zentralkomitee.“

Politik am Wähler vorbei

Diese Gruppe sei hauptsächlich in der niedersächsischen Staatskanzlei und im Arbeits- und Finanzministerium versammelt. Neben den langjährigen Kanzlerweggefährten gehörten auch Stephan Weil, Malu Dreyer und Manuela Schwesig dazu. Viele Schröderianer, so Steingart, halten das Mitgliedervotum „nicht für eine Meinungsäußerung, sondern für einen Anfall geistiger Umnachtung“.

In der verbliebenen Wählerschaft der Sozialdemokraten herrsche Entsetzen, denn die SPD-Mehrheit habe keinen Draht mehr zu ihr. Die Wähler der SPD wollten nicht die Welt retten, sondern eine Lösung alltäglicher Gegenwartsprobleme und elementarer Herausforderung:

„Man will, dass Frieden herrscht. Man möchte, dass es den Kindern besser geht. Man hofft, dass der Staat nicht nur Parksünder bestraft, sondern auch den Asylbetrug. Der Rest ist Beilage.“



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