Steigende Gaspreise befürchtet: Geopolitik und kalter Winter gefährden Versorgung

Die Gasversorgung in Europa bleibt trotz politischer Entwarnungen unsicher. Neben geopolitischen Spannungen beeinflussen kalte Temperaturen und eine steigende Nachfrage die Preise. Experten und Versorger fordern dringende Investitionen, um eine bezahlbare Wärmeversorgung langfristig sicherzustellen.
Messinstrumente zeigen den Leitungsdruck beim Gasspeicher der Stadtwerke Kiel an.
Messinstrumente zeigen den Leitungsdruck beim Gasspeicher der Stadtwerke Kiel an.Foto: Axel Heimken/dpa
Von 27. November 2024

Bezüglich einer bezahlbaren Wärmeversorgung könnte Entwarnung durch die Bundesregierung verfrüht gekommen sein. Dies gilt sowohl für den bevorstehenden Winter als auch langfristig. Die Folgen geopolitischer Leitentscheidungen in Europa und die Ambitionen, zeitnah eine „Wärmewende“ zu vollziehen, könnten für Verbraucher und Industrie erneut steigende Gaspreise bewirken.

Nachfrage nach Gas zieht deutlich an

Der „exxpress“ zitiert eine Prognose des Beratungsunternehmens Rystad Energy, dem zufolge der frühe Wintereinbruch im November die Gasversorgung unter Druck setzen könnte. Im Vergleich zu 2022 und 2023 seien die Temperaturen niedriger, die Nachfrage nach Gas zieht bereits jetzt stärker an.

Zwar seien die Gasspeicher – wie auch vonseiten der Politik betont wird – zu 90 Prozent gefüllt. Es ist jedoch die Frage, wie lange dies im Fall eines langen und strengen Winters ausreichen würde. Im September hatte Deutschlands Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Gasmangellage für beendet erklärt.

Er machte deutlich, dass Gas aus Russland in Europa nicht mehr fehle. Zwar ging er kurzfristig von „moderat höheren“ Gaspreisen aus, zumal LNG aus Übersee teurer als Pipelinegas sei. Allerdings werde das höhere Angebot perspektivisch für einen Preisrückgang sorgen.

Unklare Situation nach Bruch mit Russland dauert an

Ungewiss bleibt dennoch, welche Folgen abrupte Lieferstopps aus Russland haben könnten, wenn die Temperaturen weiterhin niedriger bleiben als in den Jahren zuvor. Für eine Schrecksekunde sorgte vor einigen Wochen die Ankündigung von Gazprom, infolge eines Rechtsstreits ihre Lieferungen an die OMV einzustellen.

Dazu kommt das Ende des Gastransitvertrages mit der Ukraine zum 31.12.2024. Ob es zu einer Übernahme der Leitungskapazitäten durch ein Energieunternehmen aus Aserbaidschan kommt, wie jüngst mehrfach angekündigt war, ist noch unklar. Bislang lief vor allem die Versorgung von Österreich, der Slowakei und Ungarns über diesen Transitweg.

Allerdings ist Russland nicht der einzige Faktor, der bereits kurzfristig zu einer Verschärfung der Gasversorgungslage in Europa beitragen kann. Auch bei anderen Anbietern stehen die EU-Staaten in einer Konkurrenzsituation mit anderen Nachfragern auf dem Weltmarkt. Dazu gehören unter anderem Chinas KP-Regime, aber auch Japan und Südkorea. Viele dieser Länder sind von vornherein darauf vorbereitet, höhere Preise zu bezahlen, um ihre Versorgung zu sichern.

Hausgemachte Preistreiber: CO₂-Steuer und Gasspeicherumlage in Deutschland

Schon im bevorstehenden Winter könnte eine Kombination aus kaltem Wetter, geopolitischen Spannungen und einer steigenden Gasnachfrage wieder zu einem deutlichen Anstieg der Gaspreise führen. Dazu kommen in Deutschland noch hausgemachte Faktoren wie die Erhöhung des CO₂-Preises oder eine steigende Gasspeicherumlage. Schon im nächsten Jahr steigt die CO₂-Steuer von aktuell 45 auf dann 55 Euro pro Tonne.

Die Politik verspricht, auf längere Sicht durch eine „Wärmewende“ weg von Öl und Gas die Abhängigkeiten zu reduzieren – und nach entsprechenden Anfangsinvestitionen auch wieder günstigeres Heizen.

Derzeit werden noch 48,3 Prozent und damit fast die Hälfte aller Häuser und Wohnungen mit Gas beheizt. Dazu kommen etwa 23 Prozent, deren Versorgung durch Heizöl erfolgt. Immerhin wollen 97 Prozent aller Stadtwerke und kommunalen Wärmeversorger ihre Investitionen in Fernwärme, Geothermie oder andere Möglichkeit ausbauen.

Kommunale Unternehmen halten Versorgung abseits von Gas und Öl für nicht gesichert

Am Mittwoch, 26.11., hat die noch bis Freitag andauernde Fachmesse HEATEXPO in Dortmund begonnen. Einer anlässlich dieser Veranstaltung durchgeführten Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) zufolge ist das Vertrauen der Mitgliedsunternehmen in das Gelingen einer Wärmewende begrenzt.

41 Prozent gaben an, nicht davon auszugehen, dass eine bezahlbare Wärmeversorgung für die Zukunft gesichert sei. Nur 38 Prozent bejahten dies. Der Rest zeigte sich unschlüssig. Auf Kritik stieß, dass keine ausreichende Finanzierung der erforderlichen Investitionen in neue Formen der Wärmeerzeugung und den Ausbau der Wärmeinfrastruktur gesichert sei.

Allein im Bereich der Fernwärme geht der Verband von einer Verdreifachung der erforderlichen Investitionen aus. Auch die Bürokratie erschwere den Ausbau. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing sieht unter anderem in der Wärmelieferverordnung einen Hemmschuh, der seit 2013 zu einem fast vollständigen Stillstand beim Ausbau der Fernwärme geführt habe.

Dabei erwarten 83 Prozent der Energieversorger, dass diese perspektivisch eine größere Rolle spielen werde. 74 Prozent halten Wärmepumpen unterschiedlichster Größen für die Technologie der Zukunft, 59 Prozent würden auf Geothermie setzen.

VKU will Pensionskassen und Versorgungswerke mobilisieren

Liebing äußerte, die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze bedürfe eines deutlichen Ausbaus. Statt 3,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2034, wie sie derzeit vorgesehen seien, bräuchte es diesen Aufstockungsbetrag jährlich. Einen möglichen Weg zur Finanzierung sieht der VKU-Hauptgeschäftsführer in der Auflage eines „Energiewende-Fonds“, der privates Kapital mobilisieren könne.

Dieses könne vor allem von institutionellen Anlegern kommen, äußert Liebing. Der Bund könne Sicherheit bieten:

„Kapitalgeber, wie etwa Pensionskassen, Lebensversicherer und Versorgungswerke, würden profitieren, weil Bund und Länder die Risiken ihrer Investitionen über Bürgschaften und Garantien absichern könnten.“



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