Start der Sondierungsgespräche: Wer sitzt am Verhandlungstisch?
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Fünf Tage nach der Wahl des neuen Bundestags haben am Vormittag des letzten Februartags 2025 die Sondierungsgespräche zwischen Vertretern der CDU, der CSU und der SPD im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin begonnen.
Angesichts der „Brandmauer“ zur AfD wären nur sie in der Lage, mit ihren Fraktionen genügend Stimmen für eine Mehrheit im Bundestag zusammenzutragen. Somit läuft es trotz aller gegenwärtigen Meinungsverschiedenheiten auf eine schwarz-rote Bundesregierung hinaus.
Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat und Verhandlungsführer der Union, will sich höchstens sieben Wochen Zeit bis zum Abschluss eines Koalitionsvertrags lassen: Schon Mitte April soll zum Osterfest eine neue Regierung stehen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hatte jedes Team zum Auftakt neun Politiker in die Sondierungsgespräche entsandt. Nach Informationen des „Welt“-Redakteurs Robin Alexander entschloss sich die SPD-Seite offenbar kurzfristig, Finanzminister Jörg Kukies (SPD) dazu zu holen. Der Scholz-Vertraute und frühere Staatssekretär hatte nach dem Ampelbruch im November Christian Lindner abgelöst.
Das Sondierungsteam der Union
Dass die beiden Parteichefs Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) an den Sondierungen teilnehmen, ist ebenso wenig überraschend wie die Anwesenheit ihrer jeweiligen Generalsekretäre Carsten Linnemann (CDU) und Martin Huber (CSU).
Ebenfalls aus den Reihen des CDU-Präsidiums stammt Karin Prien. Sie wurde im Januar 2022 zu einer von fünf stellvertretenden Vorsitzenden des geschäftsführenden CDU-Vorstands gewählt. Bereits seit Juni 2017 bekleidet Prien das Amt der Kultusministerin in Schleswig-Holstein unter dem Landesregierungschef Daniel Günther. In der 2022 gebildeten schwarz-grünen Kieler Koalition ist die Sprecherin des Jüdischen Forums der CDU für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur zuständig.
Das Präsidium der CSU schickt seine stellvertretende Parteivorsitzende Dorothee Bär an den Verhandlungstisch. Die Bundestagsabgeordnete arbeitete zwischen 2018 und 2021 als Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt von Angela Merkel, war also bereits Teil einer schwarz-roten Bundesregierung.
Auch die Teilnahme der jeweils stärksten Männer beider Parteien in der Bundestagsfraktion der Union liegt auf der Hand. Für die CDU ist das neben dem Fraktionsvorsitzenden Merz der Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei, für die CSU der bayerische Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Frei hatte schon vor dem Bruch der Ampel die Rolle des Chef-Unterhändlers der Unionsfraktion für eine strengere Migrationspolitik ausgefüllt. Zuletzt sprach er sich gegen eine umfassende Reform der Schuldenbremse aus, signalisierte allerdings Gesprächsbereitschaft für ein neues Sondervermögen zur Finanzierung der Außen- und Sicherheitspolitik.
Dobrindt bekleidet das Amt des CSU-Landesgruppenchefs seit September 2017. Zuvor war er vier Jahre lang im schwarz-roten Kabinett Merkel III. Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dobrindt sprach sich zuletzt in der „Wahl 2025 Schlussrunde“ von ARD und ZDF gegen eine Reform der Schuldenbremse aus.
Neben CSU-Parteichef Markus Söder wird lediglich ein weiterer Ministerpräsident der Union mit am Tisch sitzen, nämlich Michael Kretschmer. Der 49-Jährige steht nicht nur an der Spitze der Regierung in Sachsen, sondern leitet auch den sächsischen CDU-Landesverband. Als Regierungschef einer schwarz-roten Landeskoalition dürfte er wissen, wie die Sozialdemokraten zumindest in seinem Bundesland ticken.
Kretschmer ist wie die Landespolitikerin Karin Prien einer von fünf Stellvertretern des geschäftsführenden CDU-Vorstands. Die restlichen drei Vize, nämlich Silvia Breher, Andreas Jung und Karl-Josef Laumann, gehören bis auf Weiteres nicht zum parteiübergreifenden Gesprächskreis.
Das Sondierungsteam der SPD
Die beiden Parteichefs der SPD, Saskia Esken und Lars Klingbeil, werden versuchen, die Zustimmung der Sozialdemokraten zu einer nunmehr fünften Auflage eines schwarz-roten Bundesregierungsbündnisses auf Bundesebene seit 1966 möglichst teuer zu verkaufen. „Ich verspreche, dass ich nerve“, zitiert die „Welt“ eine frische Ankündigung von Esken.
Klingbeil hatte nach seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden am vergangenen Mittwoch zwar betont, dass auch die SPD an einer handlungsfähigen Regierung interessiert sei – allerdings nicht um jeden Preis.
Angesichts einer kleinen Anfrage, in der die Unionsfraktion kurz nach der Wahl 551 Fragen zur Finanzierung von NGOs durch die amtierende Bundesregierung formuliert hatte (BT-Drucksache 20/15035, PDF), sprach Klingbeil von einem „Foulspiel“. Seine Ansage, dass die Union „sehr schnell noch mal in sich gehen“ solle, ob sie an der Kleinen Anfrage festhalte, könnte die Stimmung bei den Sondierungsgesprächen von Beginn an belasten.
Wie die „Bild“ berichtet, soll die CDU/CSU-Fraktion Klingbeils Forderung bereits abgelehnt haben.
Am Abend zuvor hatte Klingbeil im Gespräch mit dem ZDF schon klargestellt, dass eine gemeinsame Regierung noch „überhaupt nicht ausgemacht“ sei. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz müsse „seinen Kurs und auch seinen Ton“ jedenfalls „deutlich“ ändern, verlangte Klingbeil.
Trotz seines jugendlichen Engagements als Antifa-Aktivist (Kurzvideo: O-Ton auf X) hatte sich die Union nach Angaben der „Bild“ den heute als relativ „pragmatisch“ geltenden Klingbeil als Verhandlungspartner gewünscht.
Seine Co-Parteichefin Saskia Esken hatte sich laut „Welt“ noch im Sommer 2020 auf ihrem X-Kanal als „58 und Antifa“ geoutet. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 stellte sie jedoch klar, dass sie Gewalt ablehne. Ihr altes X-Posting ist inzwischen gelöscht.
Selbstverständlich gehört auch bei der SPD der Generalsekretär zum Sondierungsteam. Matthias Miersch hatte die Aufgabe erst im Oktober 2024 übernommen, nachdem sein Vorgänger Kevin Kühnert seinen Rückzug angekündigt hatte – angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Zuvor war Miersch neun Jahre lang Sprecher der parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion.
Aus der Riege des SPD-Parteivorstands nehmen auch die beiden amtierenden Bundesminister Boris Pistorius (Verteidigung) und Hubertus Heil (Arbeit und Soziales) teil. Heil ist darüber hinaus einer von fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden.
Mit Achim Post ist noch ein weiterer Vize-Parteivorsitzender mit von der Partie. Der Vorsitzende des mächtigen SPD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen gehört als Vize-Fraktionschef im Bundestag zugleich zu den wichtigsten Männern unter den nun 120 MdBs seiner Partei. Post ist ordentliches Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss, außerdem stellvertretendes Mitglied in den Finanz-, Wahl-, EU- und Haushaltsausschüssen des Bundestags.
In Gestalt von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird sich auch jene Frau für die Interessen der Sozialdemokraten einsetzen, die das zweithöchste politische Amt der Bundesrepublik Deutschlands bekleidet – nach dem Bundespräsidenten und noch vor dem Kanzler. Bas gehört aktuell nicht dem Parteivorstand an.
Dasselbe gilt für Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Schwesig hatte die Regierungsgeschäfte des nordöstlichsten Bundeslandes mitsamt dem Landesparteivorsitz im Juli 2017 übernommen. Seit November 2021 steht sie an der Spitze einer rot-roten Koalition mit den Linken. Vor ihrem Aufstieg zur Landesfürstin bekleidete sie im Kabinett Merkel III das Amt der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die zweite Ministerpräsidentin im Sondierungsteam der SPD stammt aus dem Saarland. Seit 2018 SPD-Landesparteichefin hatte Anke Rehlinger die Landtagswahl im März 2022 gewonnen. Seitdem regiert sie das kleinste Flächenbundesland im Südwesten Deutschlands ohne Koalitionspartner mit absoluter Mehrheit. Der Sieg gegen ihren Vorgänger Tobias Hans (CDU) brachte der früheren Landesministerin für Justiz sowie Landesministerin für Umwelt- und Verbraucherschutz unter Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) viel Respekt ein. Auch sie kennt sich mit den Unterschieden roter und schwarzer Politik bestens aus.
Rehlinger komplettiert abseits der Sondierungsgespräche mit Hubertus Heil, Achim Post, Bundesbauministerin Klara Geywitz und der schleswig-holsteinischen Landesparteichefin Serpil Midyatli als einzige SPD-Ministerpräsidentin die Fünferrunde der stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden.
Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte eine Teilnahme an Sondierungs- oder Koalitionsgesprächen bereits kurz nach der Wahl abgelehnt. Ob er als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Potsdam eine exponierte Stellung in der SPD-Fraktion übernehmen wird, ist unklar.
Linnemann und Frei als Vorbereiter
Laut dem „Focus“ sind die beiden CDU-Unterhändler Carsten Linnemann und Thorsten Frei schon seit Jahresende 2024 dabei, die wichtigsten Verhandlungsthemen sowie die Auswahl des Personals für die Ministerien und deren Schlüsselpositionen zu erarbeiten. Unter Merz als Kanzler soll der Zuschnitt des Kabinetts verändert werden.
Als künftige Bundesminister unter den 18 aktuellen Verhandlungsteilnehmern werden allgemein immer wieder die Namen Linnemann, Frei, Dobrindt, Prien und Bär für die Unionsseite gehandelt. Aus den Reihen der SPD-Unterhändler könnten womöglich Klingbeil oder Pistorius Minister werden beziehungsweise bleiben.
Wie lange die Koalitionsverhandlungen bis zur Regierungsbildung tatsächlich dauern werden, ist offen. In der Vergangenheit lagen die Zeiträume zwischen einem Monat und fast einem halben Jahr.
Die konstituierende Sitzung des neuen Bundestags muss innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl stattfinden. Spätester Termin ist der 25. März. Nach Angaben der Fraktionen ist dieser Tag auch dafür vorgesehen. Nach der ersten Sitzung des neuen Bundestags bleibt die alte Bundesregierung bis zur Bildung einer neuen geschäftsführend im Amt.
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