„Softer Nationalismus“: Star-Ökonom Piketty gibt Merkel große Mitschuld am „Brexit“

Die Bundesrepublik habe die Länder Südeuropas "in den Würgegriff" genommen, wenn diese ihre Kredite nicht zurückzahlten. Eine "antisoziale" Politik habe bei der Mittel- und Unterschicht für Ressentiments gesorgt, so der Ökonom.
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Angela MerkelFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times2. Juli 2016

Der französische Star-Ökonom Thomas Piketty hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Mitschuld am Brexit gegeben. "Deutschland und Frankreich haben aus rein egoistischen Gründen zugelassen, dass Europa immer tiefer in der Krise versinkt", sagte Piketty im Interview mit Korrespondenten des europäischen Zeitungsnetzwerks LENA (Leading European Newspaper Alliance), darunter die "Welt", in Paris. Britische Politiker trügen sicherlich einen großen Anteil der Verantwortung für das Austrittsvotum.

Allerdings sei der Brexit das Verschulden ganz Europas, wobei Deutschland die Hauptschuld trage. Der Kontinent habe "angesichts der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg versagt" und aus der US-Finanzkrise "eine nicht enden wollende Krise der Staatsverschuldung gemacht." Deutschland habe sich "als Besserwisser aufgeführt, was für den Rest der Europäer schlicht unerträglich und auch irrational" sei.

Die Bundesrepublik habe die Länder Südeuropas "in den Würgegriff" genommen, wenn diese ihre Kredite nicht zurückzahlten. Eine "antisoziale" Politik habe bei der Mittel- und Unterschicht für Ressentiments gesorgt. "Diese Gemengelage hat zu einem komplett irrationalen Abstimmungsergebnis geführt", sagte Piketty mit Blick auf das Brexit-Votum. "Man spürt dahinter die Lust, bestrafen zu wollen, die mit Nationalismus zu tun hat."

Es handle sich dabei nicht um den Nationalismus der EU-kritischen britischen Ukip-Partei oder des rechtspopulistischen französischen Front National, sondern um einen "soften Nationalismus". Zugleich warf Piketty Deutschland vor, in historisch einmaliger Weise auf Kosten seiner Nachbarländer auf den Export zu setzen. "Wenn man wie Deutschland einen Handelsbilanzüberschuss von acht Prozent des Bruttosozialproduktes hat, dann ist das absurd. Das hat es seit der industriellen Revolution nicht gegeben."

Ein Handelsbilanzüberschuss entsteht, wenn die Ausfuhren eines Landes die Einfuhren übersteigen. Mit der von der Bundesregierung forcierten Politik des Sparens sei das Wachstum in Europa "im Keim erstickt" worden. Der Ökonom fügte hinzu, er hoffe, dass "die Regierungschefs, allen voran Angela Merkel, diese Fehler jetzt einsehen und ihre Haltung ändern". Deutschland müsse mehr im Inland investieren und die Gehälter erhöhen, sagte Piketty.

Zugleich appellierte der Forscher an Frankreichs Präsident François Holland und Bundeskanzlerin Merkel, sie sollten sich in Europa stärker auf linksradikale Parteien wie die griechische Syriza oder die spanische Podemos stützen. "Sie sind nicht perfekt, sie haben keinerlei Machterfahrung, aber sie sind sehr weniger gefährlich als die britischen, ungarischen und französischen Rechtspopulisten, denn sie denken zumindest international", sagte Piketty.

Zugleich müsse Merkel den südeuropäischen Staaten ein Schulden-Moratorium anbieten, wenn diese ihre Verbindlichkeiten momentan nicht zurückzahlen könnten. Piketty war mit seinem kapitalismuskritischen Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" zu weltweiter Bekanntheit gelangt, unter anderem in den USA. Darin stellte er anhand umfangreicher wirtschaftshistorischer Daten die These auf, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Vermögen schneller gewachsen seien als die Einkommen, was mittelfristig eine Gefahr für die Demokratie sei.

(dts Nachrichtenagentur)



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