Stahlgipfel im Kanzleramt: Olaf Scholz hält Staatseinstieg bei Thyssenkrupp für denkbar

Bundeskanzler Olaf Scholz lud Manager, Gewerkschaften und Betriebsräte zum Stahlgipfel ins Kanzleramt, um Strategien gegen die Krise der deutschen Stahlindustrie zu diskutieren. Doch greifbare Ergebnisse blieben aus, während zentrale Probleme wie Energiepreise, Subventionen und der Schutz vor Billigimporten die Branche weiterhin belasten.
Kanzler Scholz (1. Reihe M) empfängt Vertreter der Stahlbranche im Bundeskanzleramt.
Kanzler Scholz (1. Reihe M) empfängt Vertreter der Stahlbranche im Bundeskanzleramt.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 9. Dezember 2024

Am Montag hat Bundeskanzler Olaf Scholz Manager, Betriebsräte und Vertreter von Gewerkschaften zum sogenannten Stahlgipfel ins Kanzleramt eingeladen. Im Mittelpunkt sollte dabei die Suche nach Strategien stehen, um dem Niedergang der Stahlindustrie in Deutschland entgegenzuwirken. Die Pläne von Konzernen wie Thyssenkrupp, die unter anderem den Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen in Deutschland vorsehen, haben die Politik aufgeschreckt.

Stahlgipfel von Verlust der Regierungsmehrheit überschattet

Greifbare Ergebnisse erzielte der Gipfel in Anbetracht der innenpolitischen Lage nicht. Es ist höchst fraglich, ob und inwieweit Scholz in den kommenden Monaten überhaupt noch in der Lage sein wird, konkrete Schritte zugunsten der Stahlindustrie umzusetzen. Die Ampel-Koalition ist geplatzt, für zentrale Entscheidungen wäre er auf Stimmen aus der Opposition angewiesen. Dazu kommen Befugnisse, die Deutschland an die EU abgegeben hat.

Im Vorfeld des Stahlgipfels hat der Kanzler drei Schritte angesprochen, die aus seiner Sicht die Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland wiederherstellen könnten. Im Gespräch mit den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ erklärte Scholz, dass es einen verlässlichen Strompreis für die klimafreundliche Stahlerzeugung geben müsse.

Im Thyssenkrupp-Konzern gibt es Zweifel an der Konkurrenzfähigkeit von sogenanntem Grünem Stahl. Aus diesem Grund hatte dessen Stahlchef Dennis Grimm trotz einer Subventionszusage für eine entsprechende Direktreduktionsanlage in Duisburg von zwei Milliarden Euro deren Bau in Zweifel gezogen.

Deckelung der Netzentgelte als mögliche Maßnahme

Im zuletzt vorgelegten Sparplan wird an dieser zwar festgehalten, Grimm hat seine grundsätzlichen Bedenken bis dato jedoch nicht zurückgenommen. Es erscheint als möglich, dass der Stahlkonzern die Anlage baut, um keine Rückforderung von Subventionen zu riskieren. Bis dato sind bereits 500 Millionen Euro von jenen zwei Milliarden geflossen, die der Bund und das Land NRW beisteuern wollen.

Wie lange sie anschließend betrieben wird, könnte dann eine Frage der Konkurrenzfähigkeit sein. Einen sogenannten Industriestrompreis, der ebenfalls massive staatliche Subventionen erfordern würde, hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ins Spiel gebracht. Der Vorstoß scheiterte jedoch am Koalitionspartner FDP – und an Olaf Scholz selbst.

Nun ist allerdings eine Deckelung der Stromnetzentgelte bei drei Cent pro Kilowattstunde angedacht. Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, erklärte, man habe Scholz beim Stahlgipfel darauf hingewiesen. Die Deckelung sei ein richtiger Schritt, die Industrie könne diesbezüglich jedoch nicht auf die nächste Regierung warten:

„Wir brauchen jetzt einen international wettbewerbsfähigen Strompreis.“

Strafzölle gegen chinesische Billigimporte gefordert – die gibt es aber schon

Neben dem „verlässlichen Strompreis“, von dem der Kanzler nun spricht, will er die komplette Wertschöpfungskette so wirtschaftlich und so produktionsnah wie möglich fördern. Deshalb fördere man Investitionen in Alternativen zum klassischen Hochofen auch über den Thyssenkrupp-Standort Duisburg hinaus mit Milliardenbeträgen.

Der dritte Punkt, den der Kanzler nennt, könnte von Donald Trump inspiriert sein. Scholz möchte die hiesigen Unternehmen vor „Dumping-Stahl aus dem Ausland schützen“. Die Zollgesetzgebung ist jedoch mittlerweile vollständig EU-Sache. Deshalb richtet er den Appell an die EU-Kommission:

Hier brauchen wir mehr Schutz für Europa.“

Bereits jetzt gibt es – je nach Art des eingeführten Produkts – Zölle auf chinesische Stahleinfuhren. So verhängte die EU schon Mitte der 2010er Jahre auf warmgewalzten chinesischen Stahl eine Zusatzabgabe von 23 Prozent an den Zoll. Für Grobbleche betrug diese sogar 74 Prozent. Die Zollregeln wurden teilweise sogar noch ausgeweitet. Trotzdem bleiben chinesische Importe im Preis unterhalb jener von hier hergestellten Produkten. Was für konventionell hergestellten Stahl gilt, trifft umso mehr auf Grünen Stahl zu.

Stahlgipfel soll beim „Überwinden von Durststrecken“ helfen

Olaf Scholz wollte auch eine Staatsbeteiligung an Thyssenkrupp nicht ausschließen. Er wolle „keine Option vom Tisch“ nehmen, erklärte der Kanzler auf eine entsprechende Frage. Mit der Meyer-Werft, Uniper und Lufthansa in der Corona-Zeit gebe es sogar Best-Practice-Beispiele für ein solches Vorgehen.

Gleichzeitig relativiert Scholz seine Idee, indem er äußert, dass dieser Schritt nicht die bevorzugte Option darstellt. Wesentlicher sei es, der Branche das Wirtschaften zu erleichtern. Dafür bedürfe es niedrigerer Strompreise und des Schutzes vor Billigimporten.

Stahl werde, so betonte der Regierungschef weiter, „unsere Industrie noch Jahrhunderte begleiten“. Deshalb sei es von besonderer geostrategischer Bedeutung, dessen Herstellung in Deutschland auch langfristig zu sichern. Dazu gehöre es auch, Unternehmen zu helfen, „Durststrecken zu überwinden, damit mögliche Investition nicht am fehlenden Eigenkapital scheitern“.

Energiepreise als Hauptfaktor für Produktionsrückgang

Derzeit weist Thyssenkrupp in Deutschland noch 27.000 Beschäftigte aus. Im dritten Quartal ist der Gesamtwert der Aufträge an die deutsche Stahlindustrie gegenüber dem Frühjahr um 9,4 und gegenüber dem Vorjahresquartal um 9,7 Prozent gesunken. Dies geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor.

Im Quartal vor Beginn des Ukrainekrieges lag die Produktion noch um 5,2 Prozent über dem aktuellen Volumen. Der wesentliche Grund dafür waren die anschließend explodierenden Energiepreise. Derzeit sind noch etwa 71.200 Menschen in der deutschen Stahlindustrie beschäftigt.



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