Stärkste Rentenerhöhung seit Jahrzehnten beschlossen
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die kräftigste Rentenerhöhung seit Jahrzehnten auf den Weg gebracht.
Im Westen steigen die Renten nach einer Nullrunde im vergangenen Jahr zum 1. Juli um 5,35 Prozent, im Osten um 6,12 Prozent. Im Osten ist es der stärkste Anstieg seit 1994, im Westen gab es seit 1983 keine solche Erhöhung mehr.
Sozialverbände und Gewerkschaften weisen aber auf die hohe Inflation hin. „Die in diesem Jahr vergleichsweise gute Rentenerhöhung wird von den steigenden Preisen komplett aufgefressen“, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Der Gesetzentwurf von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) sieht außerdem Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente vor. Etwa drei Millionen Menschen sollen langfristig mehr Geld bekommen. Ab 1. Juli 2024 sind Zuschläge von bis zu 7,5 Prozent geplant. Zudem soll der sogenannte Nachholfaktor wieder in Kraft gesetzt werden, der sich dämpfend auf Rentenerhöhungen auswirkt.
Der Nachholfaktor soll bei wieder steigenden Löhnen die Rentenkürzung rechnerisch ausgleichen, Rentenanstiege fallen damit geringer aus. Die Große Koalition hatte den Nachholfaktor ausgesetzt, nun wird er wieder in Kraft gesetzt.
Eigentlich ist das Rentenniveau in Deutschland an die Lohnentwicklung gekoppelt, wobei es bei sinkendem Lohnniveau aber nicht abgesenkt werden darf – genau das passierte im zurückliegenden Jahr in Westdeutschland. Eigentlich hätten die Renten wegen der Coronakrise sinken müssen, stattdessen gab es eine Nullrunde.
Ostdeutsche Rentner bekamen wegen der gewollten Angleichung von Ost und West trotz Krise sogar ein kleines Plus. Grundlage der regelmäßigen Erhöhungen ist die sogenannte Rentenanpassungsformel. Unter anderem steigen die Renten anhand der Bruttolöhne und -gehälter des Vorjahres. Aber auch weitere Faktoren, wie zum Beispiel Veränderungen bei den Rentenversicherungsbeiträgen der Beschäftigten, spielen eine Rolle.
Sozialverband: Erhöhungen nicht ausreichend
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hält die vom Bundeskabinett beschlossenen Erhöhungen für nicht ausreichend. Um eine vollständige Angleichung aller Erwerbsminderungsrenten zu erreichen, seien nach Berechnungen des Verbands Zuschläge von rund 13 Prozent beziehungsweise rund acht Prozent notwendig, erklärte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Auch sei das Inkrafttreten der Erhöhungen erst im Jahr 2024 zu spät. Bauer begrüßte aber grundsätzlich die geplanten Verbesserungen.
Der Paritätische Gesamtverband verwies darauf, dass Altersarmut „das am schnellsten wachsende Armutsrisiko“ sei. „Rentnerinnen und Rentner seien „massiv von den inflationsbedingten Kostensteigerungen betroffen“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider den RND-Zeitungen vom Mittwoch. Er forderte von der Bundesregierung, auf die Wiedereinsetzung des Nachholfaktors zu verzichten.
Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte kritisierte die Rentenpläne der Ampel-Regierung als „vollkommen ungenügend“. Die Erhöhungen „gleichen noch nicht einmal die Inflation aus und führen real zu einer Rentenkürzung“, erklärte er. Gebraucht würden eine „solidarische Radikal-Rentenreform“ und ein Rentenniveau von 53 Prozent.
Der Sprecher für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der FDP-Fraktion, Pascal Kober, sprach dagegen mit Blick auf die Wiedereinführung des Nachholfaktors von einer „Trendwende“ hin zu einer generationengerechten Sozialpolitik. „Er wird zu einer Entlastung für die jüngeren Generationen in Milliardenhöhe und zu einer Stabilisierung des Rentenbeitragssatzes führen“, erklärte Kober. (dpa/afp/dts/red)
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