Stadtwerke-Chef warnt: Gaskrise nicht ausgestanden – und Stromnetz könnte überfordert sein
Die Gefahr einer Gaskrise ist noch nicht ausgestanden. Dieser Überzeugung ist der Geschäftsführer der Stadtwerke München, Florian Bieberbach. Außerdem hält er es für denkbar, dass Ladesäulen für E-Autos und Wärmepumpen das Stromnetz überfordern könnten. Zudem warnt er davor, auf absehbare Zeit mit einer ausreichenden Verfügbarkeit von Wasserstoff zu rechnen.
Chef der Münchner Stadtwerke rät von Last-Minute-Einbau neuer Gaskessel ab
Im Interview mit der „Zeit“ spricht der Stadtwerke-Chef von einer erheblichen Verunsicherung, die in der Öffentlichkeit durch die Debatte um das Heizungsgesetz entstanden sei. Er geht – anders als die Politik – nicht davon aus, dass die derzeitige Fassung auch die beschlossene Endfassung sein wird:
Es ist alles mit heißer Nadel gestrickt, da sind bestimmt einige rechtliche Unschärfen drin. Ich kann eigentlich allen Menschen nur empfehlen, in Ruhe abzuwarten.“
Vom Last-Minute-Einbau eines neuen Gaskessels rät Bieberbach dennoch ab. Er geht davon aus, dass vor allem das Fernwärmenetz einen deutlichen Ausbau erfahren werde. Von da an könne auch ein neuer, noch leistungsfähiger Gaskessel unwirtschaftlich werden. Gebrauchte Gaskessel mit einer Restlaufzeit von fünf bis zehn Jahren seien die bessere Alternative.
Wasserstoff wird teuer – und selten rentabel
Längerfristig werde für die meisten Häuser entweder der Anschluss an das Fernwärmenetz, ein Nahwärmenetz oder die Wärmepumpe die beste Lösung sein. Auf Wasserstoff als Zukunftstechnologie zu setzen, hält der Stadtwerke-Chef für riskant:
Es ist überhaupt nicht absehbar, dass wir in Zukunft in München ausreichend Wasserstoff zur Verfügung haben. Und wenn er kommt, wird er wohl sehr teuer.“
Anderswo werde es sich nicht deutlich anders verhalten. Als Element innerhalb der Fernwärmeversorgung könnte Wasserstoff allerdings bedeutsam werden. Dies gelte vor allem in Anbetracht des Umstandes, dass beispielsweise die Geothermie für den Spitzenbedarf an kalten Wintertagen zu unflexibel sei.
Stadtwerke rechnen mit zunehmender Bedeutung von Fernwärme
Bieberbach rät vor allem in urbanen Lagen vor der vorschnellen Beschaffung einer Wärmepumpe ab. Er geht davon aus, dass gerade in diesen Bereichen die Bedeutung der Fernwärme überragen wird. Allerdings sei die Wärmepumpe die wahrscheinlich hilfreichste Option in Siedlungen, die vorwiegend aus Einfamilienhäusern bestehen. Dort sei der Ausbau der Fernwärme wahrscheinlich unwirtschaftlich.
Einen Anschlusszwang an das Fernwärmenetz lehnt der Geschäftsführer der Stadtwerke in München jedoch ab:
In der Regel lassen sich die Haushalte gerne an die Fernwärme anschließen. Wenn Erdgas nicht mehr verfügbar ist, ist das die attraktivste Option. Die Politik sollte sich keine weiteren Zwangsmaßnahmen ausdenken, man hat ja gesehen, dass das nicht gut ankommt.“
Gleichzeitig tritt Bieberbach Bedenken entgegen, wonach die kommunale Wärmeplanung mit „Stasi-Methoden“ verbunden sei. Tatsächlich würden nur die Daten des lokalen Gasversorgers über vorhandene Anschlüsse und jene der Kommune über den Gebäudebestand zusammengeführt. Die Daten würden aggregiert und anonymisiert. Den individuellen Verbrauch erhebe man dabei nicht.
Spitzenglättung wird zumindest temporär zum Thema werden
Bezüglich des weiteren Schicksals der „Energiewende“ rechnet der Stadtwerke-Chef nicht mit einer entscheidenden Beschleunigung der Abläufe. In die Planungs- und Genehmigungsprozesse seien zahlreiche Behörden involviert, die nur begrenzte Personalkapazitäten hätten. Auch Gerichte hätten häufig ein Wort mitzureden. Dies werde die flächendeckende Versorgung mit Ökostrom weiterhin verzögern.
Die Stromnetze, so Bieberbach, seien für die Energiewende nicht gerüstet. Die Drosselung von Leistungen für Wärmepumpen und Ladesäulen für E-Autos sei eine reale Option bei hoher Belastung. Die Bundesnetzagentur hatte mehrfach deutlich gemacht, dass diese der sogenannten Spitzenglättung unterliegen.
Trotzdem würde ich jetzt nicht in Panik verfallen. Die E-Autos und auch die Wärmepumpen sind ja nicht über Nacht alle am Netz, sondern schrittweise. Die Netzbetreiber müssen jetzt nachziehen.“
Die Drosselung der Versorgungsleistung sei jedoch eine temporäre Option, die auf Tageszeiten beschränkt sei, zu denen eine Netzüberlastung drohe.
Nach überstandenem Winter nicht leichtsinnig werden
Der Chef der Münchner Stadtwerke warnt zudem davor, die Gefahr einer Gaskrise vorschnell ad acta zu legen. Die Lage sei immer noch angespannt, und es fließe zu wenig Gas nach Deutschland. Ein harter Winter könne das Land rasch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückführen.
Dass Streitigkeiten nun den Bau eines LNG-Terminals vor Rügen verzögerten, sei nicht hilfreich. Es müssten mehr statt weniger dieser Anlagen Anschluss ans Netz finden. Die Bürger dürften jetzt ebenfalls nicht leichtsinnig werden, nur weil der vergangene Winter gut überstanden worden sei:
Im vergangenen Winter haben die Menschen und die Industrie vorbildlich Gas eingespart. Das war eine tolle kollektive Leistung. Aber jetzt besteht die Gefahr, dass die Menschen die Energiekrise nicht mehr so ernst nehmen, weil es eben einmal gut gegangen ist. Ich sehe ein erhebliches Risiko einer Gasknappheit.“
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