Fiasko für Habeck? LNG-Pipeline vor Rügen droht nach Gutachten das Aus

Ein wasserbauliches Gutachten zur geplanten LNG-Pipeline vor Rügen birgt einen brisanten Inhalt. Erhebliche Zweifel am der Genehmigungsfähigkeit werden laut – und die Eilbedürftigkeit könnte wegfallen.
Blick auf die Plattform für Vorarbeiten zum geplanten LNG-Terminal vor Rügen.
Blick auf die Plattform für Vorarbeiten zum geplanten LNG-Terminal vor Rügen.Foto: Stefan Sauer/dpa
Von 19. Juli 2023

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht in der geplanten LNG-Pipeline vor Rügen einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der deutschen Gasversorgung. Bereits für die Vorplanung der Anlage hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages im März 240 Millionen Euro freigegeben.

Aus der Bevölkerung der Insel und Anliegergemeinden wie Binz kamen von Beginn an Widerstände gegen das Vorhaben. Sie befürchten Beeinträchtigungen für den Tourismus und die eigene Lebensqualität. Nun können die Gegner des Projekts Hoffnung schöpfen, während Minister Habeck einen juristischen Rückschlag zu befürchten hat. Der Grund: ein jüngst erstelltes wasserbauliches Gutachten.

Schäden durch Wasserfahrzeuge nicht auszuschließen

Dieses kommt von Bärbel Koppe, Professorin für Wasserbau und Hydromechanik an der Hochschule Wismar. Die Gemeinde Ostseebad Binz, die das LNG-Terminal verhindern möchte, hatte dieses in Auftrag gegeben.

Wie nun die „Berliner Zeitung“ berichtet, sieht die Gutachterin „erhebliche wasserbauliche Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens“. Bezüglich der wasserbaulichen Planungen gebe es „signifikante Lücken, Mängel und Unschlüssigkeiten“.

Unter anderem sei die Anlage nicht ausreichend vor einer möglichen Beschädigung durch Wasserfahrzeuge geschützt. Aufgrund der geringen Überdeckungshöhe könnten Strömungen und Wind den Sand, durch den die Pipeline verläuft, wegspülen. Dann lägen die Leitungen offen im Wasser und bereits der Anker eines Segelbootes könnte sie beschädigen.

LNG-Pipeline soll ähnlichen Verlauf wie abgelehnte Nord-Stream-2-Variante aufweisen

Aber auch generelle gewässerschutzrechtliche Erwägungen nährten Bedenken. So könnte die Pipeline in mehreren Trassenführungsvarianten das marine Küstenschutz-Vorranggebiet „Prorer Wiek“ beeinträchtigen. Die Pipeline würde diese entweder queren oder ohne ausreichenden Sicherheitsabstand tangieren.

Generell seien ausgewiesene Küstenschutzgebiete für weitere Nutzungen nicht zugelassen. Dies gelte auch für die Verlegung einer Pipeline. Die Betreibergesellschaft in spe Gascade hat nun in ihrem Antrag eine Trasse eingereicht, die bereits vor fünf Jahren für Nord Stream 2 vorgesehen gewesen wäre.

Damals lehnte das Bergamt Stralsund die Trassenführung über Mukran/Rügen im Planfeststellungsbeschluss ab. Deren Nachteile seien „nicht zuletzt aus landesplanerischer Sicht so gravierend […], dass diese Variante als unzumutbar im Variantenvergleich ausschied“. Für die Bewilligung der nun eingereichten Trassenführung ist derselbe Beamte zuständig.

Zeitplan voraussichtlich nicht mehr einzuhalten

Ein weiterer Aspekt, der dem Gutachten zufolge gegen das Projekt spreche, sei eine unrealistische Bauzeitenplanung. Das Ministerium von Robert Habeck will bis Dezember die Arbeiten abgeschlossen und die Anlage in Betrieb genommen haben. Die Gutachterin hält diesen Zeitplan für wenig lebensnah, weil mit Stürmen zu rechnen sei, welche die Arbeiten potenziell behindern.

Wird das Projekt bis Jahresende nicht fertig, könnte es erst im Mai 2024 fortgeführt werden, denn von 1. Januar bis 30. April sei die Heringslaichzeit. In diesem Zeitraum seien Bautätigkeiten nicht zulässig.

Ein letzter möglicher Strohhalm in Form der Eilbedürftigkeit könnte Habeck ebenfalls schon zeitnah verlorengehen. Bis dato habe die Bundesregierung, so die „Berliner Zeitung“ unter Berufung auf „Insider“, zu Höchstpreisen ausreichend LNG-Optionen erworben. Eine „Gasmangellage“ für den kommenden Winter sei daher so unwahrscheinlich, dass auch dieser Hebel zu einer vereinfachten Genehmigung wegfiele.

Tourismusgemeinden lehnen auch schwimmende LNG-Terminals ab

Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten das geplante Projekt bis zuletzt verteidigt. Der Bundeswirtschaftsminister sprach von einem erforderlichen „Sicherheitspuffer“ bezüglich der Gasimporte. Die Versorgungssicherheit hinge auch von diesen ab.

Demgegenüber weisen Kritiker auf das bereits vorhandene LNG-Terminal im nahe gelegenen Lubmin hin. Dessen Auslastung hatte im Mai lediglich 31 Prozent betragen. Habeck wollte den Kritikern entgegenkommen, indem er in Aussicht stellte, das geplante LNG-Terminal auf Rügen zu verkleinern.

Zudem solle es in den Hafen von Mukran verlegt werden, wo zwei schwimmende Importterminals für Flüssigerdgas geplant sind. Zusätzlich will Habeck eine Anbindungspipeline nach Lubmin errichten lassen. Der Tourismusdirektor der Gemeinde Ostseebad Binz, Kai Gardeja, hatte jedoch erklärt, auch gegen ein schwimmendes Terminal gerichtlich vorgehen zu wollen.

Ursprünglich hatte die Bundesregierung im Haushaltsausschuss für die Errichtung mehrerer LNG-Terminals zusätzliche Mittel in Höhe von rund 3,1 Milliarden Euro beantragt. Bewilligt hat der Ausschuss vorerst nur rund 1,6 Milliarden Euro. Sollte das Vorhaben scheitern, würde dies Kritikern zufolge einem Schaden entsprechen, wie ihn zuletzt die gescheiterte Pkw-Maut des früheren Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer bewirkt hätte.



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