Spritzen wie am Fließband: „Moooiiiiin, einma‘ impfn?“

Schmuddelwetter, Kälte und hanseatische Gelassenheit vor Impfzentren. Wie stehen die Hamburger zur Impfpflicht und zu 2G-Plus?
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Eine lange Schlange von Impfwilligen wartet vor einem Impfzentrum in Hamburg, um dort das offene Impfangebot wahrzunehmen.Foto: Markus Scholz/dpa/dpa
Von 20. Dezember 2021

In Hamburg gibt es Impfstationen, die täglich ihren Standort ändern. Vor der Handelsschule in Bergedorf ist zunächst keine Warteschlange zu sehen. Erst als es dunkel wird, stehen die Menschen gut 30 Meter an, um sich impfen zu lassen. Doch auch bei 2 Grad Celsius und einem feinen Nieselregen, der sich noch nicht ganz entschlossen hat, zu Graupel zu aggregieren, sind die Hamburger guter Dinge. Hier geht es flott und freundlich voran – impfen wie am Fließband. An der Eingangstür begrüßt eine Koordinatorin die Ankömmlinge mit einem herzlichen „Moooiiiiin, einma‘ impfn?“ – nach meistens leiserer Antwort führt sie fort „Schon sechs Monate her?“.  Die meisten kommen für ihre erste Booster-Impfung.

„In Bergedorf ist das ganz gut organisiert“, erklärt Heidi. Sie ist extra einmal durch Hamburg in den südöstlichen Stadtteil gefahren, um ihre dritte Impfung zu erhalten. Sie kommt aus Altona, dort sei das so eine Sache mit den Terminen. Doch trotz des zeitlichen Aufwandes hat sich Heidi heute gegen die Booster-Impfung entschieden. Denn diese hätte mit Moderna erfolgen sollen, bei ihren ersten beiden Impfungen bekam sie BioNTech. Einer Kreuzimpfung vertraut sie nicht, obwohl Politiker, wie beispielsweise Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu rät. „Wenn es dazu Studien geben würde, ok. Aber nach dem, was vorher durch die Medien gegangen ist, dass Moderna jetzt erst mal aufgebraucht werden muss. Nee, danke!“, so die Hamburgerin.

Aus freien Stücken hat sich Heidi die ersten Male nicht impfen lassen, erklärt sie. Sie arbeitet im Gesundheitswesen und ihr Arbeitgeber verlangte es. Daher ist sie grundsätzlich kritisch. „Wenn ich den Impfstoff [BioNTech] nicht bekomme, wird man sehen, was der Arbeitgeber sagt. Zur Not sag ich dann ‚Tschüss, das wars‘. Das lass ich nicht mit mir machen, ich dachte, wir sind hier frei.“

„Ich bin total glücklich, es war ganz unkompliziert, schnell und gut organisiert“, berichtet hingegen Ingrid nach ihrer dritten Corona-Impfung mit strahlenden Augen. Sie arbeitet in einer Grundschule. „Das ist schon bedeutsam und erschreckend, was das mit Kindern macht“, beklagt sie. Seit Beginn der Corona-Krise hat sie jedoch weder beängstigende noch massive Einschläge der Krankheit in der Schule oder im Umfeld erlebt. Dennoch reicht ihr, was sie aus größerer Distanz hört. Und bevor sie an Corona erkrankt und diese schöne Welt nicht mehr bereisen kann, lässt sie sich lieber impfen.

Jetzt erst die 1. Impfung?

„Das ist meine erste Impfung“, sagt Olga mit schüchternem Blick. Die zwei Schüler in der Schlange vor ihr drehen sich um. Zuvor im Gespräch sagten beide Schüler, dass sie zur zweiten Impfung gekommen sind und ihnen in knapp zwei Jahren Corona-Krise lediglich zwei positive Fälle bekannt wurden, die jedoch unter keinen Symptomen litten. Aus den Blicken entsteht plötzlich eine Atmosphäre, die augenscheinlich einen Mix aus Vorwurf, Abwertung und Distanzierung darstellt, mit der unausgesprochenen Frage: „Wie kann man sich erst jetzt impfen lassen?“

Olga ist die Einzige in den ganzen Epoch Times-Gesprächen, die zur Corona-Erstimpfung gekommen ist. Ihren Beweggrund für die Impfung beschreibt sie mit einem Wort: „Freiheit“ Sie bezeichnet sich selber nicht als Impfgegnerin, aber als impfkritisch. Angst vor Covid-19 hatte sie nicht. „Also ich bin nicht aus freiem Willen hier, sagen wir mal so“. Zur Impfpflicht hat sie jedoch keine abschließende Meinung. Zwar wird die Freiheit eingeschränkt, was sie nicht gut findet. Allerdings erklärt sie, dass damals es auch nicht alle gut fanden, als die Raucherbereiche abgeschafft wurden. Ihr zufolge müsse man in einer Demokratie manchmal auch das machen, was man nicht gut findet. Dennoch hat sie lange gezweifelt, ob sie sich heute wirklich impfen lassen soll. Regelmäßige verpflichtende Auffrischungsimpfungen bei einer möglichen Impfpflicht kritisieren auch Olgas Freunde, die sich bereits frühzeitig impfen ließen.

Corona-Impfung im U-Bahn-Abteil

Die nächste angesteuerte Impfstelle befindet sich in der U-Bahn-Station „Schlump“ in einem Zugabteil. Hier ist wesentlich mehr los. Die Menschen in der circa 100 Meter langen Warteschlange strahlen friedlich und zuversichtlich. Während sich manche rauchend unterhalten, telefonieren andere entspannt. Eine Frau isst Nudeln aus einer Asia-Box. Es erweckt den Eindruck einer neuen Normalität, die im Alltag vieler bereits angekommen ist. Zusätzlich zum Zahnarzttermin steht auch die Corona-Auffrischungsimpfung – wie selbstverständlich – im Kalender.

Helfer vom Organisationsteam verteilen an die Wartenden Klemmbretter mit Aufklärungsbögen zum Ausfüllen. Ein Koordinator erklärt, dass sie mit dem Corona-Impfteam jedes Mal an anderen Orten aktiv sind. Er ist guter Dinge. Hier sei es recht gut organisiert, die Warteschlange ist seiner Ansicht nach – im Vergleich zu anderen Standorten – eher moderat lang. In Gruppen von 10 Personen werden die Wartenden in die U-Bahn geführt. Wie der Koordinator erklärt, ist im U-Bahnhof Schlump ein Gleis grundsätzlich außer Betrieb. Ein dort bereitgestelltes Zugabteil ermöglicht zügige Impf-Abläufe. Es ist ein regelrechter Massenbetrieb. Und die Schlange wird nicht kürzer, sondern wächst dabei noch an.

Impfpflicht?

Die eindeutige Mehrheit der Befragten vor den Impfstationen spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht aus. Sie sehen es als einzige Lösung, um die Krise zu überwinden und wieder zu einer Normalität zu gelangen. Bedenken haben die wenigsten. Auch berichten ausnahmslos alle, dass es in ihrem privaten und beruflichen Umfeld keine bis wenige Corona-Fälle gab. Nach knapp zwei Jahren Corona-Krise hat der Großteil der Befragten von schweren Verläufen nichts oder nur von wenigen Fällen aus dem weiter entfernten Umfeld gehört.

Sarah ist Polizistin und steht für ihre Booster-Impfung an. Begleitet wird sie von ihrer Mutter, die ihren Booster-Termin kommenden Samstag hat. Beim Thema Impfpflicht sind sie unterschiedlicher Meinung. Zu Hause diskutieren sie intensiv über das Thema, wie Mutter Amira berichtet. Sarah befürwortet eine Impfpflicht für Berufsgruppen mit öffentlichem Bezug wie Polizisten, Ärzte oder auch Kita-Erzieher. Eine grundsätzlich allgemeine Impfpflicht findet sie eher schwierig.

Mutter Amira befürwortet eine allgemeine Impfpflicht, „das hatten wir auch für Masern, Mumps und so weiter. Früher haben wir uns darüber gar keine Gedanken gemacht“. Sie findet, nach zwei Jahren Corona-Krise sollte man sich für die Vernunft entscheiden und sich impfen lassen. „Wenn das der Eintritt in das Leben ist, was ich vor der Pandemie hatte, dann mach ich das einfach.“ Amira zufolge sind Nebenwirkungen „halt Pech“. Um die Pandemie in den Griff zu bekommen, sieht sie keinen anderen Weg.

Heidi aus Altona sieht dies anders: „Es muss geimpft werden, aber es muss trotzdem eine freie Entscheidung sein, gerade, weil der Impfstoff nicht so erprobt ist und es viele Bedenken gibt“. Sie führt fort: „Die sagen immer, es gibt keine Langzeitschäden, aber es gibt auch keine Langzeitstudien.“

Gerechtigkeit und Sinnhaftigkeit von 2G-Plus

Was 2G-Plus betrifft, sieht Mutter Amira eine Ungerechtigkeit, wenn Geimpfte als auch Ungeimpfte mit einem negativen Test bei 2G-Plus unterschiedlich behandelt werden. „Das ist absolut totaler Bullshit“, verdeutlicht sie, während Sarah aufgrund der Formulierung ihrer Mutter anfängt zu lachen. „Wenn die Regierung sagt, die Tests sind gut, denen können wir vertrauen, warum soll es bei einem Ungeimpften nicht richtig sein?“

„Von Anfang an habe ich gesagt, die Aufteilung in Geimpfte und Ungeimpfte, das ist eine Spaltung der Gesellschaft, da schleicht sich so ein Hass ein, da lasse ich mich gar nicht mit hineinziehen.“ Sie hat auch sehr gute Freunde, die ganz anderer Meinung in Bezug zu Corona sind und sich nicht impfen lassen. Da ein gemeinsamer Nenner aber nicht gefunden wird, spricht man miteinander nicht mehr über dieses Thema.

Während nicht wenige mit der Frage völlig überfordert sind, warum ein negativer Test von Geimpften mehr Freiheiten gewährt, ein negativer Test für Ungeimpfte jedoch nicht, sehen manche hierin auch einen Sinn. Vereinzelt wird argumentiert, dass die Tests ja auch nicht 100-prozentig sicher sind. Daher würde eine Impfung plus Test eine noch höhere Sicherheit bieten, das Virus nicht weiterzugeben, als ein Test ohne Impfung. Die Argumentation endet dann oftmals mit dem Einwand, dass auch geimpfte Personen das Virus nachweislich weitergeben können, die Impfung also wiederum nur einen individuellen Schutz vor einem schweren Verlauf darstellt.

„Das Krasse ist ja, dass es viele gibt, die sich haben impfen lassen und dann trotzdem an Corona erkrankt sind“, merkt Heidi an. Sie hat sich nur für den Status impfen lassen, nicht aus Überzeugung. „Da frag ich mich auch, warum ich mich hab‘ impfen lassen, wenn ich mich jetzt weiter testen lassen muss, ergibt dies für mich wenig Sinn, aber viel Kohle, die die Pharmakonzerne und Co. verdienen.“



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