Journalisten im Fokus: Wenn ein „Rechter“ auf „Linke“ trifft
Ist es strafbar, jemanden auf einem öffentlichen Platz anzuspucken? Nach Einschätzung eines Polizisten, der am 12. August zum Schutz des Weißenfelser „Christopher Street Days“ (CSD) eingesetzt war, anscheinend nicht.
„Das ist nicht schön, aber nicht strafbar“, kommentiert eine Polizistenstimme aus dem Off das entsprechende Hilfsersuchen des freien Reporters und AfD-Kommunalpolitikers Sebastian Weber, der von Demoteilnehmern zuvor entsprechend angegriffen worden war (Video auf „YouTube“).
Bereits wenige Minuten zuvor war der als „Drecksnazi“ beschimpfte Weber nach einigen Speichel- und Wasserattacken sogar getreten worden, wie er selbst kommentiert (Video). Der vom YouTube-Journalisten beklagte Tritt ist in dem Live-Mitschnitt nicht zu sehen, nach Webers Intervention unterhalten sich jedoch zwei Polizisten und eine Polizistin mit dem Aggressor. Anschließend nimmt die Polizistin die Personalien von Weber auf, vermutlich zwecks Erstattung einer Strafanzeige.
Seitens der Ordner des CSD erfolgen keine Eingriffe oder Ermahnungen aufgrund der Wasserspritzer. Auf den Videoaufnahmen ist auch nicht ersichtlich, dass die Ordner eingeschritten sind, als Weber wiederholt beschimpft und Androhungen körperlicher Gewalt erfährt. Doch es erfolgt zu Beginn ein Hinweis auf den YouTuber: Beim Auftakt des Bühnenprogramms verkündet ein Ordner mit orangefarbener Weste die „Warnung“, dass sich ein „rechtsextremer Streamer“ auf dem Marktplatz aufhalte und die Polizei „nichts machen“ könne.
Bühnenworte von „Respekt und Achtung“, „Vielfalt, Liebe und Akzeptanz“
Wenig später tritt der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU), in seiner Funktion als CSD-Schirmherr auf. In seiner Rede beschreibt er, wie wichtig der Kampf gegen Stigmatisierung und Diskriminierung der LGBTQ-Community sei. Jeder Mensch verdiene „Respekt und Achtung“, so Ulrich.
Ähnliche Worte wählte direkt im Anschluss Prof. Dr. Markus Krabbes, der Rektor der Hochschule Merseburg. Auf dem CSD gehe es um „Vielfalt, Liebe und Akzeptanz“, um „Toleranz“ und um „ein Zeichen für Gleichberechtigung und Respekt für jede einzelne Person“.
Diese Worte schützten den AfD-Kommunalpolitiker und YouTuber jedoch nicht vor dem tätlichen Tritt-Angriff, vor Beleidigungen oder besagten Wasserspritzern.
Hochschullehrer sieht „provokatives Moment“
Einer schriftlichen Bitte der Epoch Times um Stellungnahme zu der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf dem CSD Weißenfels kam bis zum Redaktionsschluss lediglich der Hochschullehrer nach: Er habe das Video zwar nicht gesehen, aber durchaus eine „nicht als Pressevertreter/in erkennbar[e] Person“. Diese sei „dadurch auffällig“ gewesen, „dass sie mit Handy+Gimbal unaufhörlich die Anwesenden ungefragt gefilmt hat, worin sich ein provokatives Moment verbirgt“.
„Zu keinem Zeitpunkt“ habe er „eine Belästigung oder Behinderung an der Aufzeichnungstätigkeit dieser Person“ bemerkt. Krabbes sagt weiter:
Wasserspritzen durch Veranstaltungsteilnehmer/innen habe ich flüchtig gesehen, aber ohne dass dies auf bestimmte Personen gerichtet oder als aggressiv wahrzunehmen war. Die Veranstaltung habe ich während meiner Anwesenheit seitens der Veranstalter/innen als professionell und verantwortungsvoll vorbereitet wahrgenommen.“ (Prof. Dr. Markus Krabbes)
Von CSD-Veranstalter Eric Stehr war bis zum Redaktionsschluss kein Statement zu bekommen.
Polizei: Ermittlungsverfahren laufen
An einer anderen Stelle im Video packt ein Polizist Weber am Kragen, weil der einen Kollegen gegen seinen Willen gefilmt haben soll. Der Ordnungshüter lässt dann aber schnell wieder von Weber ab. Kurz zuvor war der gefilmte Kollege selbst in das Kamerasichtfeld getreten. Irgendwann weist ein Polizist den YouTuber aus dem Off an, nur noch vom Rand der Veranstaltungsfläche aus zu filmen.
Nach Angaben eines Sprechers des Polizeireviers Burgenlandkreis war insgesamt eine „zweistellige Anzahl an Beamten im Einsatz“. Derzeit liefen Ermittlungsverfahren „wegen Körperverletzung zum Nachteil des Herrn Weber“ und gegen nicht näher spezifizierte „Störer der Veranstaltung“.
Nach Informationen des „Mitteldeutschen Rundfunks“ (MDR) erfolgten zudem mutmaßlich „rechtsradikale Angriffe“. Diese fing Weber jedoch nicht mit seiner Kamera ein. Ein Marktplatz-Passant berichtete allerdings davon, Leute bemerkt zu haben, die „das hier nicht so toll finden“ (Video).
„Mit jedem reden“
Erlebnisse dieser Art gehören zu den ständigen Erfahrungen des YouTubers. Seit rund zwei Jahren reist Weber durch die Republik, um live von Versammlungen aller Art zu berichten: Friedensdemonstrationen, Gegendemos von „Omas gegen Rechts“, Parteikundgebungen, Protestveranstaltungen der „queeren“ Szene, Bürgerversammlungen und vieles mehr überträgt er live.
Vor Ort versucht Weber, mit Menschen von allen Seiten ins Gespräch zu kommen. Demonstranten, Gegendemonstranten und Beobachter am Rand sollen zu Wort kommen, so seine immer wieder geäußerte Überzeugung. Dass er auch mit seinen AfD-Parteikollegen oder mit Mitgliedern der „Identitären Bewegung“ (IB) spricht, gefällt jedoch nicht jedem. So ist er vielerorts in ganz Deutschland mit Beschimpfungen und lautstarken Parolen konfrontiert.
Indymedia: „Anti-Antifa-Arbeit“
Auf der linken Website „Indymedia“, die sich selbst als radikal bezeichnet, führt ein anonymer Autor seiner Meinung nach gute Gründe aus, um vor Webers Handykamera zu warnen: Der „rechte YouTuber“ verbreite das „rechte Demonstrationsgeschehen“ „wohlwollend“ oder „unkritisch“ und neige zum „Abbilden und Provozieren von linken (Gegen-)Demonstrant:innen“:
Häufig belästigt er Einzelpersonen vor laufender Kamera und streamt Gesichter von Antifaschist:innen gegen deren Willen ins Internet. Mit dieser Anti-Antifa-Arbeit gefährdet er nachhaltig Genoss:innen. Wenn Menschen versuchen, sich dagegen zu wehren, stellt Weber Anzeigen bei der Polizei.“
Weber habe zudem bereits „extrem rechte[n] Akteure[n]“ eine Plattform auf YouTube geboten, prangert der „Indymedia“-Autor an. Zu Wort seien beispielsweise schon der Leipziger „Querdenker“ Volker Beiser, der „gewaltbereite Neonazi Lucien Wagner“, „Wagners Kameraden Dominik Greschow und Eric Hanke“ oder der Chemnitzer IB-Mann Vincenzo Richter gekommen. Weber habe sich auch im Mai 2019 in den Stadtrat von Borna wählen lassen – für die AfD. Seit September desselben Jahres sitze er im Kreistag des Landkreises Leipzig.
Webers Parteimitgliedschaft bestätigt auch ein Bericht im „kreuzer“, einem Leipziger Lokalmedium. Der Artikel dreht sich um Webers gescheiterte Ambition, in den Jugendhilfeausschuss des Kreistags gewählt zu werden.
Sebastian Weber ließ einen Fragenkatalog der Epoch Times über seine Person, seine Motivation und seine sonstigen Erlebnisse bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
Polizei leitet intern „förmliches Beschwerdeverfahren“ in die Wege
Übrigens: Das Anspucken stellt nach Informationen des Onlineportals „Fachanwalt.de“ bei allen kontroversen Debatten „sehr wohl eine Straftat dar und kann demnach ebenfalls strafrechtlich verfolgt werden“. In Betracht komme je nach Umstand „der Straftatbestand der Körperverletzung nach § 223 StGB sowie die Beleidigung nach § 185 StGB“. Hier sieht der Gesetzgeber eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor. Sogar das Anspucken eines Autos könne als Sachbeschädigung strafrelevant sein.
In jedem Fall handele es sich um ein Antragsdelikt: Der Geschädigte oder ein Zeuge müsse die Sache erst zur Anzeige bringen, bevor die Staatsanwaltschaft ermitteln könne. Das bestätigte auch der Polizeisprecher des Polizeireviers Burgenlandkreis.
Zudem sei der gesamte Weißenfelser CSD-Einsatz „intensiv ausgewertet und nachbereitet“ worden, hieß es aus dem Polizeirevier. Dabei sei auch die „Thematik zum Recht am eigenen Bild“ berücksichtigt worden, auf das sich ein Beamter gegenüber Weber berufen hatte. Nun werde zudem ein „förmliches Beschwerdeverfahren“ eingeleitet. Dazu müsse das Bildmaterial noch gesichtet, Stellungnahmen eingeholt werden. Gegen wen sich das Verfahren genau richten soll, ging aus der E-Mail nicht hervor.
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