Ministerien stritten monatelang über Aufnahme von Ortskräften aus Afghanistan

Titelbild
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nehmen an der Kabinettssitzung am 14. Oktober in Berlin teil.Foto: Henning Schacht-Pool/Getty Images
Epoch Times20. August 2021

Die Bundesregierung hat einem Bericht zufolge monatelang über den Umgang mit afghanischen Ortskräften gestritten. Das gehe aus internen Sitzungsprotokollen hervor, berichtete der „Spiegel“ am Freitag vorab. Bereits am 29. April seien Beamte der Ministerien für Inneres, Verteidigung, Entwicklung und Äußeres zu einer Besprechung über das sogenannte Ortskräfteverfahren zusammengekommen. Der Vertreter des Verteidigungsministeriums habe dabei gesagt, es sei in den kommenden zwei Monaten mit Aufnahmeanträgen von 1.500 Ortskräften zu rechnen.

Ein Großteil dieser Menschen habe allerdings keine afghanischen Pässe oder sonstigen Identitätsdokumente, gab der Ministeriumsvertreter demnach zu bedenken. Das Auswärtige Amt habe daraufhin vorgeschlagen, die Aufenthaltsgenehmigungen für die Ortskräfte nicht in einem langwierigen Verfahren vor der Ausreise, sondern erst nach Landung in Deutschland auszustellen.

Das lehnte das Bundesinnenministerium laut Protokoll der Sitzung ab, wie der „Spiegel“ weiter berichtete. Es dürfe „keine Pauschallösung ohne individuelle Gefährdungsprüfung“ geben. Ein obligatorischer Sicherheitscheck müsse zudem „vor Einreise abgeschlossen“ sein.

Auch die Idee, die Ortskräfte mit Charterflügen außer Landes zu bringen, sei in der Sitzung verworfen worden. Das sende ein „falsches Signal“, habe der Vertreter des Verteidigungsministeriums gesagt.

Das Entwicklungsministerium warnte dem Bericht zufolge, es dürfe bei dem gesamten Prozess in Afghanistan „keine Verunsicherung“ entstehen, da sonst bei den Ortskräften des Ministeriums „sowie im internationalen Kontext eine Kettenreaktion ausgelöst werden könnte“.

Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Mitte Juli auf die Anmietung von Charterflugzeugen gedrängt habe, sei diese Lösung von den beteiligten Ressorts erneut verworfen worden, berichtete der „Spiegel“ weiter. „Derzeit besteht nach Einschätzung der Ressorts mit Blick auf verfügbare Linienflüge noch keine Notwendigkeit für Chartermaßnahmen“, hieß es demnach im Protokoll einer Ressortbesprechung am 30. Juli.

Trittin: Taliban können Deutschland erpressen

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin hat scharfe Kritik am Vorgehen der Bundesregierung in Afghanistan geübt. „Es hat einen gemeinsamen Konsens zwischen CDU, CSU und SPD gegeben, kein Signal senden zu wollen – so haben es die Parteien benannt – von einem Exodus aus Afghanistan“, sagte er dem Nachrichtensender „Welt“. Man habe sozusagen die „Flüchtlingsabwehr höher gewichtet als die Rettung von Menschenleben“.

Und das habe jetzt in die Situation geführt, dass Deutschland gegenüber den Taliban erpressbar geworden sei. Auch für Außenminister Heiko Maas (SPD) findet Trittin deutliche Worte: „Ich fürchte nach dem Desaster, was Heiko Maas angerichtet hat, werden auch wir mit den Taliban darüber verhandeln müssen, wie wir die Menschen aus Afghanistan herauskriegen, die wir retten wollen.“ Und weiter: „Die Fahrlässigkeit der Bundesregierung hat uns in die Situation gebracht, dass die Taliban uns nun mit diesen Menschen erpressen.“ (afp/dts)



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