Speicherung von IP-Adressen: Stehen alle Menschen unter Generalverdacht?

Während Innenministerin Faeser künftig IP-Adressen auf Vorrat speichern lassen will, sieht Bundesjustizminister Buschmann darin Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte. Und gegen den Koalitionsvertrag. Droht eine Einberufung des Koalitionsausschusses?
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Innenministerin Nancy Faeser plädiert für anlasslose Speicherung von IP-Daten.Foto: Hannes P Albert/Getty Images
Von 21. Dezember 2022

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Kürzlich forderte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) eine Beweislastumkehr, die sie kurz darauf zurückzog. Bezüglich der Vorratsdatenspeicherung plädiert sie erneut für eine verpflichtende Speicherung von IP-Adressen von Telefon- und Internetnutzern. Faeser betont, dass die Speicherpflicht den Regelungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) entspreche. Damit sollen Verbrechen und schwere Straftaten verhindert werden.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) macht sich hingegen für das „Quick-Freeze-Verfahren“ stark. Dieses sieht vor, dass ein Richter in einem Verdachtsfall anordnen muss, dass bestimmte Daten gesichert werden dürfen.

Er argumentiert: Die anlassbezogene und mit Richterbeschluss bestimmte Speicherung von Daten stehe bereits im Koalitionsvertrag. „Ich sehe nicht, dass die Formulierungen des Koalitionsvertrages da viel Spielraum lassen“. Der Bundesjustizminister kündigt an, dass sich der Koalitionsausschuss mit dem Thema befassen müsse, wenn sich auf Ministerebene nicht geeinigt werden könne.

Personenbezogene Daten speichern

Die Vorratsdatenspeicherung sieht vor, dass personenbezogene Daten dauerhaft gespeichert werden dürfen, ohne dass ein explizit festgeschriebener Speicherungszweck oder -grund gegeben ist. Beispielsweise betrifft das den Zeitpunkt und die Parteien eines Telefonats. Die Inhalte der Kommunikation werden nicht gespeichert. Auf diese Daten sollen öffentliche Stellen Zugriff haben, wenn eine Person in Verdacht steht, schwere strafbare Handlungen begangen zu haben.

Der EuGH stellte im September fest, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten gegen das EU-Recht verstoße. Die Speicherung von IP-Adressen hielt es allerdings für akzeptabel.

Dem „Handelsblatt“ sagte Faeser, dass sie keine alten Debatten führen wolle, und ergänzt: „Der Koalitionsvertrag gibt uns den Raum, das, was nach dem EuGH-Urteil zulässig und dringend notwendig ist, auch umzusetzen.“

Das „Quick-Freeze-Verfahren“ sieht keine automatische Speicherung von Daten vor. Nach Anordnung eines Richters dürfen allerdings neben der IP-Adresse zusätzlich Verbindungs- und Standortdaten gespeichert werden.

Daher sieht die Innenministerin das Verfahren als Ergänzung in bestimmten Fällen. Das „Quick-Freeze-Verfahren“ könne die permanente Speicherung von IP-Adressen nicht ersetzen. Wenn keine Daten mehr vorhanden seien, fehle oft der entscheidende Ermittlungsansatz, argumentiert Faeser. Daher werde sie sich weiter stark dafür einsetzen, den „Ermittlungsbehörden die notwendigen Instrumente an die Hand zu geben, um gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder und andere schwere Straftaten vorgehen zu können.“

Menschen unter Generalverdacht

Der Bundesjustizminister kritisiert an der Vorratsdatenspeicherung vor allem, dass „Millionen Bürger, die sich nie etwas zuschulden kommen lassen, unter Generalverdacht gestellt werden und einen Eingriff in ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht erdulden sollen“.

Er bezeichnet die Regelung als „anlasslose Massenspeicherung“ und betont, dass sie grundrechtswidrig sei. „Wir wollen eben nicht 83 Millionen Menschen in Deutschland anlasslos unter Generalverdacht stellen“, betont Buschmann.

Bundeskriminalamt für Vorratsdatenspeicherung

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) wurden 2021 jeden Tag 49 Kinder in Deutschland Opfer sexualisierter Gewalt. Vor allem im Kampf gegen diesen sexuellen Missbrauch hält die Innenministerin die Speicherung von IP-Adressen für wichtig. Damit können Täter ermittelt und Kinder geschützt werden. Daher fordert sie: „Kein Täter darf sich sicher fühlen vor Strafverfolgung.“

Auch das Bundeskriminalamt sieht die Vorratsdatenspeicherung als wichtigen Aspekt für den Kampf gegen Kriminalität. Kriminalität werde immer digitaler, betonte der Präsident des BKA, Holger Münch, bei der Herbsttagung in Wiesbaden. Die Speicherung der IP-Adressen nennt er daher einen wichtigen Baustein, um Täter zu identifizieren.



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