SPD-Vorsitz: Olaf Scholz bewertet „Lage neu“ – Weil kritisiert Auswahlverfahren für SPD-Vorsitz
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat sich erstmals näher zu seiner Kandidatur für den SPD-Vorsitz geäußert. Wochenlang hatte er das mit Verweis auf sein zeitraubendes Regierungsamt ausgeschlossen.
Seine Kehrtwende begründet er jetzt mit dem mangelnden Interesse prominenter Genossen an dem Spitzenamt. „Es tut der SPD nicht gut, wenn es so rüberkommt, als ob sich keiner traut. Das stimmt ja nicht. Auch nicht für mich“, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Ich bin nicht eitel genug, um mich für den einzig Richtigen zu halten. Aber ich bewerte die Lage neu.“
Aus Verantwortung für die SPD habe er damals gesagt, dass er den Parteivorsitz nicht anstrebe. Nun seien aber einige Wochen ins Land gegangen. „Viele von denen, die ich gern an der Spitze gesehen hätte, kandidieren nicht. Das kann ich nicht ignorieren.“ Scholz sagte, dass er „natürlich“ auch während der Kandidatur mit den 23 Regionalkonferenzen das Finanzministerium leiten werde. „Es geht hier gerade nicht um Arbeitsbelastung, sondern um die SPD.“
Die Bewerbungsfrist bei der SPD läuft noch bis 1. September. An diesem Tag muss die SPD zugleich herbe Verluste bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen fürchten. Die neue SPD-Spitze soll dann in einer Mitgliederbefragung faktisch bestimmt und auf einem Parteitag Anfang Dezember gewählt werden.
Das Bewerberfeld umfasst derzeit die Duos Gesine Schwan/Ralf Stegner, Simone Lange/Alexander Ahrens, Boris Pistorius/Petra Köpping, Michael Roth/Christina Kampmann sowie Karl Lauterbach/Nina Scheer. Zudem wollen sich der Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, Robert Maier, und der frühere Bundestagsabgeordnete Hans Wallow als Einzelkandidaten bewerben.
Köpping und Pistorius wollten sich am Sonntagnachmittag in Leipzig vorstellen. Sachsens SPD-Chef Martin Dulig wollte dabei auch erläutern, warum er die Integrationsministerin Sachsens und Niedersachsens Innenminister für die SPD-Spitze vorgeschlagen hat. Bereits am Samstag hatten sich in Leipzig die Oberbürgermeisterin von Flensburg, Lange, und das Stadtoberhaupt von Bautzen, Ahrens, vorgestellt. Dabei sprachen sie sich für einen schnellen Austritt aus der großen Koalition aus.
Scholz sondiert nach Informationen aus Parteikreisen derzeit im Hintergrund das Feld und sucht eine Partnerin, mit der er als Doppelspitze antreten kann. Der „BamS“ sagte er, eine Co-Kandidatin wäre „natürlich nicht“ nur die Frau an seiner Seite.
Scholz beklagte in diesem Zusammenhang eine grundsätzliche Benachteiligung von Frauen in der Politik: „Der schlechte Umgang mit Andrea Nahles hat viele umgetrieben. Mich auch.“ Eine Politikerin, die energisch ihre Position vertrete, gelte als machtgierig, ein Mann als durchsetzungsstark. „Das müssen wir schleunigst ändern.“
Scholz räumte Verantwortung für die schlechten Wahl- und Umfrageergebnisse seit der Bildung der großen Koalition ein. „Auch ich trage dafür Verantwortung. Ich mag nicht, wenn sich Leute wegducken.“ Zugleich warnte er davor, überstürzt die Koalition aufzukündigen: „Man verlässt eine Regierung nicht einfach so ohne Grund.“ Der Parteitag habe zu entscheiden, wie es weitergehe. Klar sei, dass die große Koalition kein Dauerzustand sei. „Das ist jetzt die zweite in Folge. Eine dritte wird es bestimmt nicht geben.“
Trotz der miesen Umfragewerte für seine Partei glaubt Scholz nach eigenem Bekunden weiter, dass die SPD nach der nächsten Bundestagswahl den Kanzler stellen kann. „Man muss mit geradem Rücken auf den Platz gehen, und man muss gewinnen wollen.“ Scholz bekräftige auch, dass er sich das Kanzleramt zutrauen würde.
Weil kritisiert Auswahlverfahren für SPD-Vorsitz
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat das Verfahren zur Bestimmung einer neuen SPD-Spitze kritisiert. „Optimal ist das ganz bestimmt nicht, was wir gerade erleben, und es führt wirklich auch zu einer spürbaren Verunsicherung in der eigenen Mitgliedschaft“, sagte Weil im Deutschlandfunk. Da dürfe man nicht drum herumreden.
„Am Anfang gab es ja fast nur Aussagen, wer nicht zur Verfügung steht, aber nicht umgekehrt, wer zur Verfügung steht.“ Dies präge das gesamte Verfahren mit. Er gehe allerdings davon aus, dass es noch Personalangebote geben werde, „die wirklich auch ein Angebot an die ganze Partei sind und die überzeugend sind“, so Weil weiter. Er habe deshalb die Hoffnung, dass sich die aktuelle „schwierige Phase“ nicht unendlich erstrecke. Insgesamt dauere ihm der Auswahlprozess zu lange. „Aber so ist es nun einmal in den zuständigen Gremien beschlossen worden“, fügte er hinzu. (dpa/dts)
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