SPD-Urgestein Müntefering zur K-Frage: Scholz hat kein Vorrecht auf Wiederwahl
Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering fordert eine offene Debatte über die Kanzlerkandidatur der SPD. „Kanzlerkandidatur ist kein Spiel, das zwei oder mehr Kandidaten abends beim Bier oder beim Frühstück vereinbaren oder das ein Vorrecht auf Wiederwahl umfasst“, sagte der ehemalige Vizekanzler dem Berliner „Tagesspiegel“.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits deutlich gemacht, dass er bei der vorgezogenen Bundestagswahl noch einmal antreten möchte. In der SPD gibt es inzwischen aber immer mehr Stimmen, die angesichts der schlechten Umfragewerte des Kanzlers für eine Kandidatur von Verteidigungsminister Boris Pistorius plädieren, der deutlich höhere Zustimmungswerte hat.
Müntefering betonte, die Wahl eines Kanzlerkandidaten müsse auf einem SPD-Parteitag erfolgen. „Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich und kein Zeichen von Ratlosigkeit. Sie sind praktizierte Demokratie“, so der 84-Jährige. Angesichts der zeitlichen Enge für alle Fristen und für den Wahlkampf sei rasches Handeln nötig.
Er trat damit Äußerungen der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie weiterer führender SPD-Politiker entgegen, die sich auf eine neuerliche Kandidatur von Scholz festgelegt hatten.
Die Stimme von Müntefering, der aus dem einflussreichen SPD-Bezirk Westliches Westfalen kommt, hat in der Partei immer noch Gewicht. Der Sauerländer war von 2002 bis 2005 SPD-Fraktionschef im Bundestag, von März 2004 bis November 2005 sowie von Oktober 2008 bis November 2009 Parteivorsitzender. 2005 führt er die SPD als Juniorpartner in die erste große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Klingbeil fordert Debatte über Inhalte statt Personal
Angesichts von nur noch 15 bis 16 Prozent für die Kanzlerpartei in den Umfragen waren in den vergangenen Tagen auf Kommunal- und Landesebene jedoch auch Rufe nach einem Wechsel des Kanzlerkandidaten lauter geworden. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist seit Monaten der beliebteste deutsche Politiker, Scholz dagegen liegt bei der Popularität weit hinten.
Die Partei- und Fraktionsführung stellte sich allerdings klar hinter Scholz. Pistorius wies seinerseits eigene Ambitionen auf das Kanzleramt zurück. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich räumte ein, dass es in seiner Partei wegen der Kanzlerfrage „grummelt“.
Viel Zeit hat die SPD nach dem Bruch der Koalition nicht mehr für die Nominierung ihres Kanzlerkandidaten. Am 23. Februar soll gewählt werden – und die Kampagnen werden üblicherweise sehr auf den Kandidaten zugeschnitten. Eine Entscheidung der Parteiführung wird bis zu einer sogenannten Wahlsieg-Konferenz am 30. November erwartet. Für den 11. Januar ist ein Parteitag angesetzt, auf dem die Personalie dann noch bestätigt werden könnte. (dpa/afp/red)
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