SPD und Union nehmen Sondierungen auf – Mehrheit der Bürger für Ampel-Koalition
Eine Woche nach der Bundestagswahl schalten sich SPD und Union voll ins Ringen um eine künftige Bundesregierung ein.
SPD sondiert
Die Sondierer der Sozialdemokraten wollen an diesem Sonntag jeweils etwa zwei Stunden lang getrennt mit FDP und Grünen über eine von Kanzlerkandidat Olaf Scholz angestrebte Ampel-Koalition beraten. Am Abend wollen dann Vertreter von CDU und CSU erstmals mit der FDP Chancen für ein Jamaika-Bündnis zusammen mit den Grünen ausloten.
Grüne und FDP als umworbene Partner waren zuletzt bereits zwei Mal zu vertraulichen Runden zusammengekommen, am Freitag hatten sie nach einem Treffen Einigkeit demonstriert. Die Grünen zeigten sich am Samstag auf einem Kleinen Parteitag in Berlin zuversichtlich, einer künftigen Koalition anzugehören. Nach dem historischen Wahldebakel der Union gerät Kanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet derweil in den eigenen Reihen immer stärker unter Druck.
Ampel oder Jamaika?
Die SPD war bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag mit 25,7 Prozent stärkste Kraft geworden. Die Union stürzte auf den Tiefpunkt von 24,1 Prozent. Die Grünen kamen als Nummer drei auf 14,8 Prozent. Dahinter lag die FDP mit 11,5 Prozent.
Die von der SPD angestrebte Ampel-Koalition wird Umfragen zufolge von der Mehrheit der Bevölkerung positiv gesehen. Die FDP hatte ein Jamaika-Bündnis bevorzugt. Laschet hatte deutlich gemacht, dass er trotz des Wahldebakels eine solche Koalition bilden will.
Am Sonntag trifft sich die SPD in Berlin zunächst mit der FDP und dann mit den Grünen. Für die SPD soll eine Sechser-Delegation kommen, die Partei setzt auf rasche Sondierungen. Grüne und FDP schicken jeweils Zehner-Delegationen. Die FDP-Gruppe um Parteichef Christian Lindner kommt dann am Abend auch noch zu einer ersten Gesprächsrunde mit der Union zusammen. Statements soll es jeweils nach den einzelnen Runden geben.
Kritik an Laschet wächst
Laschet hatte sich am Samstag in Berlin mit Mitgliedern des CDU-Sondierungsteams getroffen, um die Gespräche mit der FDP am Sonntag und den Grünen am Dienstag vorzubereiten. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte der „Bild am Sonntag“: „Wir gehen mit großem Verantwortungsbewusstsein in die Gespräche mit FDP und Grünen.“ Er fügte an: „Wir wollen unseren Beitrag in einem neuen Zukunftsbündnis dazu leisten, dass etwas Neues für unser Land entsteht.“
FDP-Generalsekretär Volker Wissing betonte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die FDP gehe offen in die Gespräche mit Union und SPD. „Wir haben eigene Grundwerte und ein eigenständiges Programm, das wir umsetzen wollen. Dazu brauchen wir Verbündete.“ Die künftige Regierung müsse fortschrittlich und bereit zu Reformen sein. Die Union forderte er zugleich auf zu klären, „ob sie an einem Strang zieht“. Die „Rheinische Post“ hatte berichtet, es herrsche in der CSU großes Kopfschütteln über schwierige Absprachen mit der CDU. Die frühere CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer mahnte zuletzt von den Unionsparteien Geschlossenheit an.
Auch FDP-Chef Lindner wandte sich an die Union. Der „Bild am Sonntag“ sagte er, CDU und CSU müssten klären, ob sie wirklich eine Regierung führen wollten. „Manche Wortmeldung der CDU spekuliert ja, dass erst Verhandlungen mit der SPD scheitern sollen, bevor die Union wieder ins Spiel kommt. Das kann man unserem Land nicht zumuten. Wir sind zu ernsthaften Gesprächen mit der Union bereit und erhoffen uns umgekehrt dasselbe.“
Neuaufstellung der CDU im Gespräch
In der CDU wird nach dem Wahldebakel immer offener über eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung diskutiert, der Druck auf Parteichef Laschet steigt. „Dafür muss es einen Bundesparteitag geben, spätestens im Januar“, sagte Parteivize Jens Spahn der „Welt am Sonntag“. „Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen.“ Mehrere CDU-Politiker forderten ein Mitgliedervotum über eine personelle Neuaufstellung, wenn die Jamaika-Sondierungen scheitern sollten.
Der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz sagte „Bild am Sonntag“ auf die Frage nach Gründen für das Weitermachen Laschets: „Laschet klammert sich an die Jamaika-Perspektive, weil er glaubt, das sei seine Lebensversicherung.“ Das führe zu einer Hängepartie in der Union. „Wenn es die theoretische Möglichkeit von Jamaika nicht gäbe, wäre Laschet schon von den eigenen Leuten zum Rücktritt gezwungen worden. Noch kommt keiner von seinen Feinden so richtig aus der Deckung, weil keiner der böse Bube sein will.“ Er könne die Verbissenheit Laschets nicht nachvollziehen. „Wer ein Minus von neun Prozent bei einer Bundestagswahl einfährt, kann nicht reklamieren, das Land zu führen.“ Schulz hatte die Wahl 2017 als Kanzlerkandidat klar verloren. (dpa/oz)
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