SPD-Politiker Rehlinger setzt sich gegen CDU-Ministerpräsidenten durch

Auch wenn die verkündeten Ergebnisse der Landtagswahl im Saarland vom 27. März noch vorläufig sind, an dem klaren Sieg der SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger gibt es keinen Zweifel. Sie will mit ihrer Partei das Zepter übernehmen und allein im Saarland regieren.
Sie kämpfen um das Amt des Ministerpräsidenten: Tobias Hans (CDU) und Anke Rehlinger (SPD).
Tobias Hans (CDU) und Anke Rehlinger (SPD).Foto: Oliver Dietze/dpa
Epoch Times1. April 2022

Eine Zitterpartie für FDP und Grüne, ein klarer Sieg für die SPD. Was sich am Wahlsonntag, dem 27. März, im Saarland abspielte, ist an Dramatik kaum zu überbieten. Kurz nach 18 Uhr ließ die FDP bereits die Korken knallen – geschuldet einer ARD-Prognose, die die Partei bei fünf Prozent sah. Bereits einige Minuten später kam die Ernüchterung, vom ZDF wurden lediglich 4,8 Prozent vorausgesagt. Auf diesen Wert pegelten sich die FDP-Stimmen im Laufe des Abends ein.

Auch der anfängliche Jubel der Grünen wurde später im Keim erstickt. Erste Hochrechnungen sahen die Fraktion bei 5,8 Prozent. Nach dem vorläufigen Endergebnis, das um 21 Uhr von der Landeswahlleiterin bekannt gegeben wurde, scheiterte die Partei mit fehlenden 23 Stimmen an der notwendigen Fünf-Prozent-Hürde und kam auf sage und schreibe 4,99502 Prozent. Während die AfD ihren Verbleib im Landtag ganz klar mit 5,7 Prozent sicherte, muss die Linke ihre Plätze im Landtag mit lediglich 2,6 Prozent räumen.

Das endgültige Wahlergebnis und damit die Frage, ob die Grünen es vielleicht doch noch in den Landtag geschafft haben, wird nach Aussage der Wahlleitung erst nach dem 6. April bekannt gegeben. An dem klaren Sieg der SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger mit 43,5 Prozent vor dem CDU-Ministerpräsidenten Tobias Hans, der auf 28,5 Prozent kam, ist jedoch nichts mehr zu rütteln. Sie kündigte eine Alleinregierung im Saarland an. „Wir haben 29 Sitze im saarländischen Landtag errungen, insofern ist der Weg jetzt klar für die nächsten Tage und Wochen, was die Regierungsbildung angeht.“

Der SPD-Co-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil beglückwünschte Rehlinger zu ihrem „sensationellen Sieg“. Er wertete den Erfolg auch als Rückenwind für die Wahlen, die im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie im Oktober in Niedersachsen stattfinden.

Seitens der Grünen war nach der Wahl nicht viel zu hören. Auf Twitter verkündete die Fraktion: „Laut vorläufigem Ergebnis hat es doch ganz knapp nicht für den Einzug in den saarländischen Landtag gereicht. Wir warten das amtliche Endergebnis ab.“ In jedem Fall wolle man im Saarland auch weiter für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit eintreten.
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner twitterte im Hinblick auf die verpasste Fünf-Prozent-Hürde seiner Partei: Dass es knapp nicht gereicht hat, ist bedauerlich.“ Als Freie Demokraten habe seine Fraktion jedoch „deutliche Zugewinne“ erzielt.

AfD-Bundeschef Tino Chrupalla äußerte sich zufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei. „Wir hätten uns sicherlich ein, zwei Prozent mehr gewünscht“, sagte er nach der Wahl gegenüber ZDF. Die Ausgangslage bei der Wahl sei für die kleineren Parteien schwierig gewesen. Mit Blick auf den zerstrittenen Landesverband seiner Partei sprach er davon, die AfD werde dort „das Besteck wechseln“ und als Opposition „pragmatisch“ arbeiten.

Lafontaine rechnet mit Saarland-Linken vor der Wahl ab

Die Linke fuhr einen Verlust von 10,3 Prozent ein; der Austritt von Oskar Lafontaine hat hier deutlich Spuren hinterlassen. Am 17. März hatte der 78-Jährige seine Partei-Karriere, die in der SPD begonnen hatte, an den Nagel gehängt. Er begründete seinen Austritt auf seiner Website damit, dass Die Linken spätestens seit 2015 ihren politischen Kurs verändert hätten – „zu einer Partei, die ähnliche Ziele verfolgt und sich um dasselbe Wählermilieu bemüht wie die Grünen“.

„Die schleichende Änderung des politischen Profils der Linken ist die Ursache der vielen Wahlniederlagen. Im Saarland ließ die Bundespartei seit Jahren zu, dass ein Betrugssystem installiert wurde, bei dem auf der Grundlage manipulierter Mitgliederlisten Bundestags- und Landtagsmandate vergeben werden“, so Lafontaine.

Einer Partei, in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Völkerrecht und Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stehe und die zudem das im Saarland etablierte Betrugssystem unterstütze, wolle er nicht mehr angehören.

Susanne Hennig-Wellsow, Co-Vorsitzende der Linken, wertete das Scheitern ihrer Partei bei den Landtagswahlen als Folge interner Zerstrittenheit des dortigen Landesverbands. Sie versuchte gar nicht erst, das Ergebnis schönzureden: „Der Grad bei uns beiden von ‚Schnauze voll‘ ist relativ hoch. Aber wir haben uns im September entschieden, dass wir die Verantwortung übernehmen und die Weiterentwicklung der Partei auf den Weg bringen.“

Spekulationen um CDU-Absturz

Wie es zum Absturz der CDU kommen konnte, darüber streiten sich die Gemüter. Der verheiratete dreifache Familienvater Tobias Hans folgte seit März 2018 als Ministerpräsident auf Annegret Kramp-Karrenbauer, die nach Berlin wechselte.

CDU-Vize Carsten Linnemann wies nach der schweren Niederlage die Vorwürfe zurück, dass die Bundespartei die Landtagswahl nicht ausreichend unterstützt habe. Im Wahlkampf seien der gesamte Bundesvorstand ebenso wie Ministerpräsidenten und Landesminister im Saarland präsent gewesen. „Auch ich persönlich war da.“ Umfragen hätten der SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger ein gutes Image beschieden. „Die Beliebtheitswerte von Frau Rehlinger waren so groß, dass sie einfach mit dieser Authentizität klar gepunktet hat. Da können wir als CDU nur sagen, ‚Chapeau, herzlichen Glückwunsch, das ist Demokratie, sie hat die Wahl gewonnen‘“, so Linnemann.

Dass der CDU-Ministerpräsident seine Stimmen letztendlich durch eine Äußerung im Dezember eingebüßt haben könnte, darauf verweist neben verschiedenen Leserkommentaren im Rahmen der Wahlberichterstattung auch der Journalist Boris Reitschuster.

Vor Millionenpublikum hatte Hans in einer Talkshow mit Maybritt Illner im ZDF am 10. Dezember geäußert: „Zuerst einmal müssen wir eine klare Botschaft an die Ungeimpften senden: Ihr seid jetzt raus aus dem gesellschaftlichen Leben. Deshalb machen wir konsequent 2 G.  Demnach sollte es auch Einschränkungen für Menschen geben, die zwar geimpft, aber nicht boostert sind.‘“

„So absurd es wäre, dieses Thema als entscheidend für die Wahlentscheidung der Saarländer anzunehmen, so unsinnig wäre es, es gar nicht mit in die Kalkulation aufzunehmen“, schreibt Reitschuster.

Enttäuscht zeigte sich CDU-Chef Friedrich Merz nach der Wahl: „Gestern war kein guter Tag für die CDU.“ Es sei für alle keine leichte Wahl gewesen. Er sprach Hans seinen großen Respekt für den Einsatz und die Arbeit aus. Dann fügte er hinzu: „Wir hätten uns alle einen besseren Auftakt ins Wahljahr gewünscht.“

Zeit für Berufsabschluss

Aufgrund der schlechten Wahlergebnisse hat der CDU-Politiker nach der Wahl die Konsequenzen gezogen und am Montag (28. März) seinen Rücktritt als CDU-Landeschef erklärt.

In den sozialen Medien schwirrte indes ein Post herum, der auf Hans‘ Wahlpleite und seinen fehlenden Berufs-/Studienabschluss abzielte: „Jetzt hat er endlich Zeit, sein Studium abzuschließen oder etwas Ordentliches zu lernen.“

Hans hatte nach dem Abitur Informationswissenschaft, Wirtschaftsinformatik und Anglistik studiert und nach eigenen Angaben parallel immer gearbeitet, zunächst als studentischer wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer psychosomatischen Fachklinik, dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter der CDU-Fraktion im saarländischen Landtag. Als er im Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales als persönlicher Referent des Ministers Josef Hecken begonnen hatte, hatte er sein Studium „aktiv nicht mehr weiterverfolgt“ und es letztendlich nicht abgeschlossen.

Nachfolger im Gespräch

Über die personelle Neuaufstellung und die Frage, wer in Hans‘ Fußstapfen tritt, soll auf einem Parteitag Ende Mai entschieden werden. Als Kandidat wird der Noch-Landtagspräsident Stephan Toscani gehandelt. Lange Zeit war er als Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer gehandelt worden, dann übernahm Hans das Zepter. Nach dem Wahldebakel warf er seinen Hut in den Ring.

„Ich möchte meine große politische Erfahrung vom Generalsekretär der CDU Saar über verschiedene Ministerämter bis zum Landtagspräsident in den Erneuerungsprozess einbringen und junge und erfahrene Führungspersönlichkeiten mit ihren unterschiedlichen Talenten und Stärken in einem starken Team vereinen“, so Toscani laut „Bild“.

Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Uwe Jun hat es sich am Sonntag primär um eine landespolitische Wahl gehandelt. Das starke Abschneiden der SPD führte er auf die Popularität von Rehlinger, die Schwäche von Hans sowie der kleineren Parteien zurück. „Die Bundespolitik hat nur eine untergeordnete Rolle gespielt“, sagte der Wissenschaftler der Universität Trier der Deutschen Presse-Agentur. (dpa/afp/sua)

Der Artikel erschien zuerst in der Zeitung der Epoch Times, Ausgabe 38 am 2. April 2022.



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