SPD-Parteichef: Ampel in Rheinland-Pfalz funktioniert – in Berlin muss es besser laufen
Die rheinland-pfälzische SPD hat ihre Landtagsfraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler mit großer Mehrheit auch zur Parteivorsitzenden gewählt. Die 49-Jährige aus dem Westerwald erhielt beim Parteitag in Mainz 98,98 Prozent der Delegiertenstimmen. Ein noch besseres Ergebnis hatte nach Angaben der Partei zuletzt Kurt Beck 2008 mit 99,5 Prozent bekommen. Bätzing-Lichtenthäler ist die erste Frau in dem Amt und vereint erstmals seit 30 Jahren wieder Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Person.
Klingbeil: In Berlin muss es besser laufen
SPD-Parteichef Lars Klingbeil sprach von einer Erfolgsgeschichte seines „Lieblingslandesverbands“. Der Landesverband sei geschlossen, auf die Zukunft ausgerichtet – und die ehemalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der ehemalige Innenminister Roger Lewentz die entscheidenden Pfeiler des Erfolgs. „Die größte Stärke liegt in der Bürgernähe, die Ihr habt“, betonte Klingbeil und ergänzte: „So wünsche ich mir unsere Partei.“ Er wünsche sich auch mehr „Geschlossenheit und Teamspirit“ in der Sozialdemokratie, so wie in Rheinland-Pfalz.
Bei der Ampel in Rheinland-Pfalz laufe vieles einfacher als in Berlin, sagte Klingbeil am Rande des Parteitags. „Ich habe ein großes Interesse daran, dass es in Berlin besser läuft“. In Rheinland-Pfalz könnten Dinge vertrauensvoll abgesprochen werden, verabredetes werde umgesetzt. Rheinland-Pfalz zeige auch, wie Industriearbeitsplätze gerettet werden könnten.
Offener Brief mit schweren Vorwürfen
In der SPD wächst auf Bundesebene derweil der Unmut über den Kanzler und die Vorsitzenden. „Die Parteispitze hat es versäumt, eine sozialdemokratische Migrationspolitik zu erarbeiten“, sagte Aziz Bozkurt, Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, dem „Spiegel“.
„Sie ist orientierungslos, hat keinen Plan.“ Seit Jahren reagiere die SPD nur auf immer neue, immer schärfere Forderungen. Die Unzufriedenheit an der Basis sei groß.
Seit Dienstagmorgen steht ein offener Brief im Netz, der die Bundesregierung, die SPD-Bundestagsfraktion und die Parteizentrale mit schweren Vorwürfen überzieht. „Mit Trauer, Wut und Entsetzen“ musste man in den vergangenen Tagen mitverfolgen, wie führende Sozialdemokraten „einen Diskurs der Ausgrenzung und Stigmatisierung mitbefeuert haben“, heißt es darin. Bozkurt hat den Brief mitinitiiert. Knapp 4.800 Unterzeichner sind nach eigenen Angaben SPD-Mitglieder.
Schweitzer wünscht sich „mehr Volker Wissing“
Alexander Schweitzer, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, sagte: „Ich wünsche mir, dass in Berlin die Ampel wieder zu Kräften kommt“. Die Koalition im Bund habe noch „so viel vor der Brust“. Dabei wünsche er sich bei der FDP „mehr Volker Wissing und weniger Wolfgang Kubicki“. In der Rentenfrage müsse Kurs gehalten werden, verlangte Schweitzer mit Blick auf Bedenken der FDP. „Was besprochen ist, ist besprochen.“ Diese Verlässlichkeit, die die SPD in Rheinland-Pfalz vorlebe, erwarte er auch in der Ampel in Berlin. Schweitzer versprach als Ministerpräsident „alles zu geben, was in mir drinsteckt“ und jeden Tag zu kämpfen.
Die SPD führt in Rheinland-Pfalz seit 33 Jahren die Regierungen an – und hat jetzt mit Blick auf die Landtagswahl 2026 einen Generationswechsel vollzogen. Alexander Schweitzer war am 10. Juli im Landtag zum Nachfolger von Malu Dreyer (63) gewählt worden, ebenfalls mit einem besonders guten Ergebnis: Er erhielt drei Stimmen mehr als die Ampel-Koalition hat. Der 51-jährige Pfälzer und Bätzing-Lichtenthäler kennen sich schon seit Juso-Tagen.
Innenminister Lewentz war nach zwölf Jahren als Parteichef in Mainz nicht mehr angetreten. Er hatte den reibungslosen Stabwechsel an den Spitzen der Partei und der Regierung maßgeblich organisiert. Beim Parteitag mit dem Motto „Unsere Tradition: Zukunft!“ wurde er zum zweiten Ehrenvorsitzenden der Partei ernannt – nach Beck. In seiner Abschiedsrede schwor er die Partei auf einen „fulminanten Wahlsieg“ bei der Landtagswahl ein. Schweitzer und Bätzing-Lichtenthäler seien „die allerbeste Weichenstellung“ dafür. „Wähler begeistert man nur, wenn eine ganze Partei dahintersteht.“
Teuber ist neuer stellvertretender Parteichef
Sven Teuber aus Trier wurde zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Auf den 41 Jahre alten Landtagsabgeordneten entfielen 90 Prozent der abgegebenen Stimmen. Den Posten hatte zuvor Bätzing-Lichtenthäler inne, daher war die Wahl notwendig geworden. Auch er hatte keine Gegenkandidaten. Stellvertretende Parteivorsitzende sind außer Teuber auch Schweitzer und Finanzministerin Doris Ahnen.
Die neue SPD-Chefin will das Programm für die Landtagswahl 2026 in einem mehrstufigen Prozess mit den Mitgliedern erarbeiten. „Höhepunkt wird ein Kongress 2025 sein“, sagte Bätzing-Lichtenthäler vor ihrer Wahl. „Wir sind mittendrin bei den Menschen und Themen.“ Aus diesem Geist heraus solle der Beteiligungsprozess gestaltet werden.
Die insgesamt rund 450 Delegierten und Gäste verabschiedeten Lewentz und die frühere Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit langem Applaus und Schildern, auf denen „Danke Malu!“ oder „Danke Roger!“ standen. Dreyer wurde zum Ehrenmitglied der Partei gekürt.
„Ihr habt mich 29 Jahre getragen“, sagte Dreyer zum Abschied zu den Delegierten. Lewentz und sie hätten sich immer aufeinander verlassen können und sie sei sicher, dass es auch mit Schweitzer und Bätzing-Lichtenthäler so weitergehen werde. „Wir sind eine starke SPD“, betonte Dreyer. Im Saal waren auch die ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck und Rudolf Scharping.
Bätzing-Lichtenthäler kündigte auch an, mehr Mitglieder gewinnen und mehr Frauen für die Politik der SPD begeistern zu wollen. Das Engagement für die Partei müsse einfacher werden, sodass auch mitmachen könne, wer morgens Schulbrote schmieren, die Oma anschließend zur Apotheke fahren und abends die Kinder vom Fußball abholen müsse. Wofür die SPD stehe, müsse noch klarer werden, betonte Bätzing-Lichtenthäler und nannte Bildungsgerechtigkeit, starke Gemeinschaften in den Dörfern und Städten sowie gute Löhne und gute Arbeit als Schwerpunkte. (dpa/dl)
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