Die SPD und ihre radikaleren Jusos: Viel Frust und kaum gemeinsame Antworten
Die Jusos bereiten Andrea Nahles einen frostigen Empfang. Konnte die designierte Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley am Freitagabend noch zu einem laut aufgedrehten Beyoncé-Song und stehenden Ovationen zum Rednerpult schreiten, muss sich die SPD-Vorsitzende einen Tag später mit halbherzigem Applaus zufrieden geben. Sie wisse, dass dies hier kein „Wellness-Wochenende“ für sie sei, kommentiert Nahles die Stimmung. Dann geht sie zum Angriff über.
Die anhaltende Ablehnung der großen Koalition durch die Jusos geht Nahles sichtlich auf die Nerven. Offenbar habe die Parteijugend die Entscheidung für eine Neuauflage des Bündnisses nie akzeptiert, sagt sie – „damit kann ich nicht leben“. Überhaupt würden einmal gefällte Entscheidungen der SPD-Spitze, etwa gegen ein Vorziehen des für Ende 2019 geplanten Parteitags, vom Nachwuchs immer wieder in Frage gestellt. „Das geht so nicht, Leute!“
Die SPD als „Bettvorleger“ der CDU
Auch auf der anderen Seite ist der Frust groß. Gleich die erste Rednerin des Bundeskongresses, die Düsseldorfer Ortsvorsitzende Annika Maus, analysiert, es glaubten „nur noch wenige daran, dass die Parteispitze den Ernst der Lage wirklich erkannt hat“. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert wirft den SPD-Granden Unglaubwürdigkeit vor. Immer wieder heiße es, die Geduld mit der Union sei nun am Ende und es reiche jetzt wirklich. Konsequenzen folgten aber nie. So ende man als „Bettvorleger“, warnt Kühnert.
Pünktlich zum Start des Bundeskongresses hatte der neueste ARD-„Deutschlandtrend“ am Freitag ergeben, dass die SPD in der Wählergunst nur noch bei 14 Prozent liegt. Besonders bitter: Damit reicht es nur noch für Platz vier hinter der AfD.
Dementsprechend herrscht große Einigkeit bei der Einordnung der Lage. „Die Stimmung ist schlecht“, sagt Kühnert. Auf „historisch schlechte Wahlergebnisse“ folgten jetzt „historische Tiefststände“ in den Umfragen. „Die Partei ist in einem schwierigen Zustand“, sagt auch Nahles. Die Woche um Woche miesen Umfragewerte träfen sie jedes Mal „in den Bauch“.
Erneuerung – doch wie?
Erneuerung müsse her, fordert ein Redner nach dem anderen – doch wie die aussehen soll, dazu gehen die Meinungen deutlich auseinander. Nahles setzt auf einen geordneten „Klärungsprozess“ in der Partei. Generalsekretär Lars Klingbeil kündigt zudem „klärende Gespräche“ mit der Union an, denn es könne in der Koalition nicht so weitergehen wie bisher. Den Jusos aber reicht all das nicht.
Auch inhaltlich drängt der Nachwuchs die Parteispitze zu radikaleren Lösungen. Während etwa die SPD-Spitze weiter mit der Union um die Abschaffung das sogenannten Werbeverbots für Abtreibungen ringt, votieren die Jusos für die komplette Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Bei Hartz IV wollen sie alle Sanktionen abschaffen – Nahles lehnt das ab.
Nahles hofft auf mehr Geschlossenheit – doch die Jusos stehen gegen Nahles
Die Parteichefin hofft auf mehr Geschlossenheit. Für inhaltliche Debatten sei sie immer offen, doch ein Richtungsstreit führe „zur Spaltung“, warnt sie. Der innerparteiliche Dauerkonflikt um die „GroKo“ beschädige auch das Ansehen der SPD.
Doch die Jusos kommen Nahles nicht entgegen. Mit großer Mehrheit verabschieden die Delegierten einen Antrag ihres Bundesvorstands, in dem es heißt: „Diese große Koalition war, ist und bleibt ein politischer Fehler“ und sie müsse „eher früher als später“ aufgekündigt werden.
Einigkeit herrscht immerhin beim Angriff auf den Koalitionspartner. CSU-Chef Horst Seehofer belaste die Koalition mit „unerträglichen Mickey-Maus-Problemen“, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verbreite „absoluten Blödsinn“ – für solche Zitate bekommt Nahles viel Applaus.
Doch solche Attacken werden nicht reichen, um die Misere der SPD zu beenden. Rauft sich die Partei in den nächsten Monaten nicht zusammen, droht die nächste herbe Enttäuschung spätestens bei der Europawahl Ende Mai. (afp)
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