Sparpolitik der Airlines trifft auf Sommerreisende
„Aufgrund des erhöhten Passagieraufkommens kommt es am Flughafen Frankfurt aktuell zu erheblichen Verzögerungen im Betriebsablauf und verlängerten Wartezeiten für Passagiere. Fluggäste bitten wir, den Vorabend- bzw. Online-Check-in zu nutzen und ausreichend Zeit für die Anreise einzuplanen. Es empfiehlt sich, unbedingt 2,5 Stunden vor Abflug am Check-in-Schalter zu sein und den Flugstatus vorab auf den Internetseiten der jeweiligen Fluggesellschaft zu prüfen.“
Mit diesen Worten empfängt der Flughafenbetreiber Fraport die Besucher seiner Internetseite – und suggeriert mit diesen Worten, dass vor allem die Reiselust der Menschen für die Engpässe auf Deutschlands wichtigstem Transportdrehkreuz verantwortlich ist.
Ukrainekrieg ohne „nennenswerten Einfluss“
Das nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite zeigt die Konsequenzen aus mehr als zwei Jahren Pandemie, in denen auch die Touristik- und Frachtbranche in die Knie gezwungen wurde. Die Zahlen bei den Fluggästen (Stand Mai 2022) erholen sich zwar langsam, doch das Niveau der vorpandemischen Zeiten haben sie noch längst nicht erreicht.
So heißt es in dem Bericht für Mai 2022, dass sich der Aufwärtstrend mit rund 4,58 Millionen Passagieren fortsetze und das beste Ergebnis seit Beginn der Corona-Krise im März 2020 erreicht wurde. Dennoch liege das Passagieraufkommen noch rund 26 Prozent unter dem Ergebnis vom Mai 2019.
Die steigende Nachfrage nach Urlaubsreisen sorgte für eine Belebung des Passagierverkehrs, während der kriegsbedingte Wegfall des Russland- und Ukraineverkehrs „keinen nennenswerten Einfluss“ auf die Aufkommenswerte insgesamt hatte. Die Ziele in Nordostasien, insbesondere in China, litten weiterhin stark unter den Corona-Einschränkungen.
Bei der Fracht sieht es hingegen noch schlecht aus. Der Ukrainekrieg und die langen Lockdowns in China sorgen in diesem Bereich immer noch für stagnierende beziehungsweise rückläufige Zahlen und sind weit vom Niveau früherer Tage entfernt.
Mitarbeiter fehlen in allen Bereichen
Einige Monate nach Ausbruch der Corona-Pandemie verloren beim Frankfurter Flughafenbetreiber selbst und auch bei den Airlines Tausende Mitarbeiter ihren Job – was nun zu Problemen bei der Abfertigung und beim Sicherheitscheck führt, wie ein Insider sagt.
Weil Mitarbeiter an allen Ecken und Enden fehlen, könne so etwas passieren wie kürzlich in Frankfurt mit dem Lufthansaflug 202 nach Berlin – der kurzfristig gestrichen wurde und dann leer die Reise in die Hauptstadt antrat, um den Umlaufplan für Maschine und Besatzung nicht zu gefährden.
Derzeit leide die gesamte Luftfahrtbranche unter Engpässen und Personalmangel, schreibt die Lufthansa auf Anfrage von Epoch Times. Betroffen seien Bodenverkehrsdienste, Flugsicherung und Airlines. Lufthansa habe zahlreiche Maßnahmen umgesetzt „und rekrutiert nach Möglichkeit zusätzliches Personal, um die größtmögliche Stabilität des Flugplans sicherzustellen und damit ihren Fluggästen bestmögliche Planungssicherheit zu bieten“, so ein Sprecher.
Streiks der Flugsicherheit, schlechtes Wetter und insbesondere eine erhöhte Corona-Krankenquote hätten das System zusätzlich belastet. „Die Hauptursache ist dabei, dass wir einen Sprung im Verkehrsvolumen von über 90 Prozent innerhalb weniger Monate erleben“, erläutert der Sprecher. Auch wenn dies nach der langen Zeit der fehlenden Kunden eigentlich erfreulich sei, überfordere dieser „noch nie da gewesene Anstieg“ das gesamte System weltweit.
3.000 Flüge im Juli und August annulliert
Die Herausforderungen hätten dazu geführt, dass Airlines europaweit viele Flüge annullieren mussten, um Verkehrsspitzen abdecken zu können. Für die Monate Juli und August habe die Lufthansa bereits rund 3.000 Flüge gestrichen.
Um das System zu entlasten, habe man bis Freitag, 14. Juli, weitere 770 Flüge in Frankfurt und München gecancelt. Dies vor allem in den Verkehrsspitzen am Nachmittag und am Abend, da dann viele Flüge gleichzeitig abheben und sich Rotationsverspätungen besonders stark auswirken, heißt es in der Antwort weiter.
Ziel sei es, einen stabilen Flugplan anzubieten, tagesaktuelle Streichungen zu vermeiden und damit die Auswirkungen auf die Fluggäste so gering wie möglich zu halten. Dies gelte zunächst nur für diese Woche. Darüber hinaus seien zu einem späteren Zeitpunkt weitere „Flugplananpassungen für Verkehrsspitzen“ im August möglich.
Reisende sollten auf die Bahn umsteigen
Betroffen von den Annullierungen seien vor allem innerdeutsche und innereuropäische Flüge, für die es meist alternative Beförderungsmöglichkeiten gebe – etwa andere Flüge oder die Bahn. Ausgenommen seien die in der Ferienzeit gut ausgelasteten klassischen Urlaubsziele. Darüber hinaus könne es auch zu Zeitenänderungen kommen.
Fluggäste würden über Stornierungen „umgehend informiert“ und nach Möglichkeit auf alternative Flüge (auch anderer Airlines) umgebucht. Wie die Lufthansa „umgehend informiert“ definiert, ist nicht erklärt.
Tatsächlich saßen kürzlich Passagiere in Dresden bereits am Gate und warteten darauf, dass die Türen ihrer Lufthansamaschine geöffnet werden – als der Flug nur eine halbe Stunde vor dem Abflug nach München annulliert wurde. Nur unwesentlich besser erging es einer Passagierin, die mit der Lufthansa-Tochter Eurowings von Dresden nach Mallorca wollte. Sechseinhalb Stunden vor dem Abflug wurde der Flug gestrichen. Den Urlaubern bot Eurowings einen Ersatzflug am nächsten Tag mit Umstieg in Frankfurt an – ein Tag Urlaub war verloren.
Positionierungs- oder Leerflüge – wie der von LH 202 – seien „die absolute Ausnahme. Wir versuchen sie zu verhindern. Und man muss sie auch im Verhältnis zu den mehreren tausend Flügen sehen, die wir insgesamt am Tag durchführen“, betont der LH-Sprecher. Die Leerflüge dienten dazu, die stark beanspruchten Stationsprozesse in München und vor allem in Frankfurt zu entlasten. Darüber hinaus werde der Flugbetrieb stabilisiert, denn Crew und Flugzeug würden vorausschauend an einem Zielort positioniert, „um dann möglichst planbar mit Gästen an Bord wieder nach Frankfurt beziehungsweise München fliegen zu können“. Zudem könne an beide Ziele liegen gebliebenes Gepäck mitgenommen werden.
UFO: „Rigide Sparpolitik verantwortlich“
Eine Prognose sei schwierig, tatsächlich seien aber chaotische Zustände an vielen Flughäfen zu erwarten, antwortet eine Sprecherin der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO) auf Anfrage von Epoch Times.
Deutlicher als der Lufthansasprecher formuliert sie die Gründe für die vielen Flugausfälle und Verspätungen: „Zuvorderst ist dafür eine Sparpolitik verantwortlich, die in ihrer Rigidität den Blick dafür verloren hat, dass das Geschäft zurückkehren wird. Es fehlen Flugbegleiter, es fehlen Piloten, es fehlen Ausbildungskapazitäten, um das zügig zu ändern. Es fehlt ferner von der Sicherheit über das Catering bis zur Gepäckabfertigung beinahe überall an Bodenpersonal, das für reibungslose Abläufe unerlässlich ist“, beschreibt die Sprecherin die aktuelle Situation.
Kurzfristige Lösungen seien nicht in Sicht: Viele ehemalige Mitarbeiter hätten sich Jobs in anderen Branchen besorgt. Bei gleichzeitig oft wenig attraktiven Arbeitsbedingungen im Luftverkehr habe man zudem das Problem, dass sich die meisten Neueinsteiger in der Fliegerei zunächst einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssen. Das dauere einige Wochen bis wenige Monate. Mit schneller Entspannung sei daher nicht zu rechnen.
Vor der Pandemie betrug die Zahl des Kabinenpersonals 21.000, derzeit sind es 18.000, sagt die Sprecherin. Die Krankheitsquote sei derzeit „außergewöhnlich hoch, was natürlich mit COVID zu tun hat“. Allerdings spiele die hohe Arbeitsbelastung für die Besatzungen auch eine Rolle. Es sei UFO nicht bekannt, dass Lufthansa derzeit Neueinstellungen beim Kabinenpersonal plane. Bei den Konzerntöchtern Eurowings, Eurowings Discover und Condor hingegen schon.
München und Hamburg als Ausnahmen
Viele Passagiere erwartet also unter Umständen ein heißer Sommer mit langen Wartezeiten und Flugausfällen. Eine Ausnahme bilden die Flughäfen München und Hamburg, schreibt der ehemalige Pilot und Blogger Peter Haisenko auf seiner Internetseite. So sei das Personal für die Abfertigung am Boden in der bayerischen Landeshauptstadt bei der Fluggesellschaft München (FMG) angestellt. Ähnlich verhalte es sich in Hamburg.
An beiden Airports seien die Mitarbeiter teilweise in Kurzarbeit geschickt, nicht aber entlassen worden. So stünden sie nun wieder zur Verfügung, sodass die Abfertigung funktioniere. Dennoch hätten Passagiere an Verspätungen zu leiden. Dies liege allerdings an den Umläufen der Flugzeuge, die vorherige Flughäfen nicht pünktlich verlassen konnten. Daher hört man auch von kleineren Flughäfen wie in Dresden von kurzfristigen Flugstreichungen, berichten Leser Epoch Times. Lange Warteschlangen sehe man in München nicht, schreibt Haisenko.
Wer gut erholt aus dem Urlaub zurückkehrt und von den entspannten Tagen für einige Zeit profitieren will, sollte sich schon bei der Abreise im Klaren darüber sein, dass auch bei der Rückkehr Unannehmlichkeiten warten können. Frankfurts Flughafenbetreiber Fraport kündigt auf seiner Internetseite jedenfalls an, dass es bei der Ankunft in der Heimat diesmal nicht zu „erheblichen“ Wartezeiten am Check-in, dafür aber an der Gepäckausgabe kommen kann.
„Reisende sollten dies bei der Planung ihrer weiteren Heimfahrt, bei der Buchung von Zugverbindungen und Verabredungen mit Abholern entsprechend berücksichtigen“, rät Fraport. Der Flughafenbetreiber reagierte im Übrigen nicht auf die Fragen von Epoch Times, ebenso die Pilotengewerkschaft Cockpit.
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