Spahn will AstraZeneca-Impfstoff für alle freigeben
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) strebt eine sofortige Freigabe des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca für alle Impfwilligen an – ohne Priorisierung nach Alter, Vorerkrankung oder Berufsgruppe.
Heute wolle er mit seinen Länderkollegen darüber reden, kündigte er am Mittwochabend in der WDR-Fernsehsendung „Aktuelle Stunde“ an. Man werde dann „bei AstraZeneca eindeutig sagen für Arztpraxen wie für Impfzentren, dass es dort keine Priorisierung mehr gibt“. Für AstraZeneca gelte das dann sofort. Zudem solle das Intervall zwischen Erst- und Zweitimpfung mit AstraZeneca – derzeit zwölf Wochen – flexibler gehandhabt werden können.
Gegen das Präparat des britisch-schwedischen Pharmakonzerns gibt es teils erhebliche Vorbehalte. Es wird nach dem Auftreten von Blutgerinnseln im Gehirn bei jüngeren Geimpften nur noch für über 60-Jährige eingesetzt. Andererseits gibt es viele Jüngere, die sich gerne damit impfen lassen würden, aber in der Impf-Reihenfolge noch nicht dran sind.
Bisher haben 29,5 Prozent der Bevölkerung zumindest eine Impfung erhalten. 8,3 Prozent sind vollständig geimpft, haben also erforderlichenfalls auch eine zweite Impfung erhalten.
Die geplante Befreiung Geimpfter und Genesener von den Beschränkungen soll am Mittag die nächste Hürde nehmen. Der Bundestag befasst sich dann mit einer von der Bundesregierung in einem beschleunigten Verfahren auf den Weg gebrachten Verordnung und stimmt auch gleich ab. Billigt das Parlament die Neuregelungen, soll sie der Bundesrat am Freitag besiegeln.
Demnach sollen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen für vollständig Geimpfte und Genesene wegfallen. Sie sollen zudem negativ Getesteten gleichgestellt werden und bräuchten für Geschäfte oder beim Friseur keinen Corona-Test mehr.
Forderung von Lockerungen auch für negativ Getestete
Nun werden zunehmend weitere Lockerungen auch für negativ Getestete gefordert, etwa bei den Kontaktbeschränkungen. „Viele Menschen konnten sich wegen Impfstoffmangel noch nicht impfen lassen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
„Wir werden den Menschen kaum vermitteln können, dass sich nur Geimpfte und Genesene unbegrenzt und unbeschwert an einem Sommerabend im Park oder zum Abendessen zu Hause treffen können.“
Für Getestete gelten bereits weitgehende Lockerungen beim Einkaufen, Besuch von Kultureinrichtungen und Sporttreiben. Allerdings geben negative Schnelltests wegen der Fehleranfälligkeit weit weniger Sicherheit vor einer Virusübertragung als ein voller Impfschutz.
Mit Blick auf die geplanten Ausnahmen für Geimpfte und Genesene forderte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, Länder, Kommunen und Pflege-Einrichtungen auf, die vor Ort geltenden Regelungen an die Bundesverordnung anzupassen.
„Jetzt müssen die Besuchsverbote und Kontaktbeschränkungen für geimpfte Heimbewohner aufgehoben werden“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag). Dennoch sieht die Stiftung Patientenschutz für Heimbewohner noch viele Fragen offen, wie Vorstand Eugen Brysch dem RND sagte.
Fälschungen im Umlauf
Noch nicht abschließend gelöst ist der sichere Nachweis einer vollständigen Impfung, um von den Corona-Beschränkungen ausgenommen zu werden. „Fälschungssicherheit ist mit Blick auf den geplanten digitalen Impfnachweis natürlich ein wichtiger Aspekt“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, dem RND.
„Die Verantwortung dafür kann allerdings unter keinen Umständen einfach den Hausarztpraxen zugeschoben werden.“ Sie hätten bereits mit der Patientenversorgung viel zu tun.
Deutschland will gemeinsam mit der EU noch im Juni einen digitalen Corona-Impfnachweis einführen. Bei bereits vorher vollständig Geimpften soll der Impfstatus aus dem analogen Impfpass übertragen werden. Jedoch sind bereits gefälschte Impfpässe im Umlauf.
Derweil haben Gegner der bundesweiten nächtlichen Ausgangsbeschränkungen am Mittwochabend einen Dämpfer hinnehmen müssen: Das Bundesverfassungsgericht hält ihre Klagen nicht für eilbedürftig und lehnte die Eilanträge ab.
„Damit ist nicht entschieden, dass die Ausgangsbeschränkung mit dem Grundgesetz vereinbar ist“, teilte das Gericht in Karlsruhe mit. Dies müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Die Beschränkung sei zwar ein tiefer Eingriff in die Lebensverhältnisse, andererseits diene sie „einem grundsätzlich legitimen Zweck“, nämlich dem Infektionsschutz, und sei nicht offensichtlich unangemessen. (dpa)
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