Spahn über Corona-Pandemie: „Der Ausbruch ist wieder beherrschbar“ – Impfstoffprojekte zu SARS-CoV-2 laufen
Nach gut vier Wochen der „Vollbremsung“ zeige sich, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wirken. Das sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 17. April auf einer gemeinsamen Bundespressekonferenz mit Lothar Wieler, Direktor des Robert Koch-Instituts.
Die täglichen Infektionszahlen sind deutlich gesunken. „Der Ausbruch ist wieder beherrschbar“ geworden. So schätzt Spahn die aktuelle Situation ein. Seit dem 12. April genesen täglich mehr Menschen als sich anstecken. Aktuell sind dies über 80.000 Genesene von rund 130.000 Infizierten insgesamt.
Bis heute sei das Gesundheitssystem „zu keiner Zeit überfordert“ gewesen, setzte Spahn seine Rede fort. Trotz aller Kritik und Unzulänglichkeiten sei das deutsche Gesundheitssystem „insgesamt in einer guten Verfassung“. Es sei gut ausgestattet, was die hohe Zahl an Fachkräften in allen Gesundheitsberufen angehe. Zudem bestünde ein „engmaschiges Netz“ von niedergelassenen Haus- und Fachärzten, die als „erster Schutzwall“ mithelfen. Sechs von sieben COVID-19-Patienten könnten ambulant behandelt werden, sodass sich Krankenhäuser auf die schweren Verläufe konzentrieren können.
Aktuell gibt es 10.000 freie Intensivbetten. Nun werden Überlegungen angestellt, wie „schrittweise und mit nötiger Vorsicht“ ab Mai in den üblichen Klinikbetrieb übergegangen werden könne. Dabei sollen zunächst 25 bis 30 Prozent der Kapazitäten für COVID-19-Patienten vorgehalten werden – eine „schwierige Balance“, erklärte Spahn. Schließlich müsse man auch den Patienten im Normalbetrieb und in der Notfallversorgung gerecht werden. Wobei sich für Spahn insoweit die Frage ergibt, wo die Patienten, die an Herzinfarkt und Schlaganfällen normalerweise erkranken, geblieben sind. Die Anzahl der Eingelieferten sei insoweit nach Meldungen von Krankenhäusern „deutlich gesunken“. Da müsse man sich fragen, was da passiert sei. Auch darüber müsse man reden.
1,7 Millionen Corona-Tests
Bislang wurden in Deutschland über 1,7 Millionen Corona-Tests gemacht, rund 350.000 pro Woche. Die „theoretische Kapazität“ liegt nach Spahns Aussage bei 700.000 Tests pro Woche – „wenn die entsprechenden Reagenzien auch da sind“.
Täglich arbeite man daran, dass sich die Lage verbessert. Flächendeckende Tests machen insoweit keinen Sinn, denn ein Test „ist immer nur eine Momentaufnahme“. Eine halbe Stunde nach einem Test könne ein Betroffener schon infiziert sein. Daher werde, so Spahn, „zielgerichtet“ nach den Empfehlungen des RKI getestet: Verdachtsfälle, Patienten mit Symptomen, Kontaktpersonen von Infizierten, medizinisches Personal und Pflegebedürftige.
80 Millionen Schutzmasken
Bezüglich der Schutzausrüstung im Gesundheitsbereich habe sich die Lage inzwischen gebessert. Seit März hat sich das Bundesgesundheitsministerium direkt in die Beschaffung eingeschaltet. Allein in dieser Woche seien mittlerweile durch die Bundesbeschaffung 80 Millionen Masken nach Deutschland gebracht worden, davon 20 Millionen FFP2-Masken. Diese werden nunmehr im medizinischen Bereich verteilt.
Gemeinsam mit deutschen und internationalen Konzernen, die Handelsbeziehungen mit Asien führen, konnte das Ministerium „bessere Verbindungen“ aufbauen, sodass man nicht mehr auf den Zwischenhandel angewiesen sei. Zudem erhielten bislang 50 deutsche Produzenten Zuschläge für den Aufbau von Produktionskapazitäten für medizinische Schutzmasken in Deutschland. Ab Mitte August sollen diese Betriebe wöchentlich zehn Millionen FFP-2-Masken und 40 Millionen OP-Masken herstellen.
Reproduktionswert auf 0,7 gefallen
„Auch wenn wir immer noch am Anfang dieser Pandemie sind, zeigen sich bereits Erfolge der Strategie gegen die Corona-Pandemie“, sagte RKI-Chef Lothar Wieler. So habe es in dieser Woche einen deutlich geringeren Anstieg der Fallzahlen gegeben. Die sogenannte Reproduktionszahl liegt im Durchschnitt bei einem Wert von 0,7. Statistisch bedeutet dies, dass ein Infizierter im Laufe seiner Erkrankung nach den aktuellen Daten weniger als einen weiteren Menschen ansteckt. Gleichwohl meldeten die Gesundheitsämter bundesweit über 3.000 Fälle pro Tag. Unter ihnen sind immer öfter Menschen aus medizinischen Einrichtungen. Aktuell wurden dem RKI 134.000 Infizierte gemeldet. Das sind 3.380 mehr als am Vortag. Insgesamt sind 3.868 Infizierte verstorben, aber auch 81.000 genesen.
Bezüglich der Tests ergänzte Wieler die Ausführungen des Bundesgesundheitsministers dahingehend, dass in Zukunft mehr Corona-Tests in Alten- und Pflegeheimen durchgeführt werden sollen. Ab Mai soll das RKI insoweit direkt Daten aus den Laboren erhalten.
Erfolgversprechende Therapieansätze mit Remdesivir
Professor Karl Broich vom Bundesinstitut für Arznei- und Medizinprodukte (BfArM) berichtete in der Bundespressekonferenz darüber, dass sein Institut aufgrund der Pandemie den Schwerpunkt auf COVID-19 gesetzt habe. Alles dazu werde mit besonderer Priorität bearbeitet. Das ginge von wissenschaftlichen Beratungen, über Probleme zu Lieferengpässen bis hin zur Zulassung von Therapieprodukten, die die Situation verbessern sollen. Dabei gebe es „erfolgversprechende Therapieansätze“, die auch die von der WHO empfohlene Substanz Remdesivir enthalte.
Derzeit laufen in Deutschland drei klinische Prüfungen. In multinationalen Studien mit unterschiedlich langer Laufzeit werden viele deutsche Zentren und auch viele deutsche Patienten eingebunden. In etwa drei Monate werde es dazu die ersten Ergebnisse geben. Sollten die Studien Erfolge zeigen, soll eine europäische Zulassung ins Auge gefasst werden. An einer Remdesivir-Studie unter Regie des amerikanischen Virologen Anthony Fauci, der US-Präsident Donald Trump berät, sind vier Zentren in Deutschland beteiligt.
Ebenfalls gibt es Studien zu Chloroquin und Hydroxychloroquin in Deutschland, um verschiedene Verabreichungsdosen zu unterscheiden. Insoweit weist Broich darauf hin, dass eine unkontrollierte Einnahme von Hydroxychloroquin in verschiedenen Ländern zum Tod geführt habe. „Deswegen ist es so wichtig, dass wir all diese Arzneimittel auf Wirksamkeit und Unbedenklich untersuchen.“ Dabei werde es keine Absenkung des Standards geben, versicherte Broich. Wenn es „klare wissenschaftliche Ergebnisse“ gebe, bestände sodann die Möglichkeit einer beschleunigten Zulassung. Dies sei bereits nach den jetzigen Richtlinien machbar.
Herstellung von Impfstoffen
Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Professor Klaus Cichutek, zitierte zu Beginn seiner Ausführungen den Charité-Virologen Professor Christian Drosten. Dieser hatte am Donnerstagabend in einer Talkshow geäußert, dass Impfstoffe und Therapeutika „Träume“ seien. Dazu stellte Cichutek klar: „Wir träumen nicht. Wir arbeiten daran, dass das Wirklichkeit wird.“
Insoweit verwies Cichutek auf Wirkstoffe, die das Virus direkt in der Zelle hemmen. Zudem gebe es die Möglichkeit, mit Rekonvaleszentenplasma und Immunglobulinen gegen SARS-CoV-2 vorzugehen. Dabei ginge es darum, mit Antikörpern aus dem Blut von Genesenen das Virus direkt zu neutralisieren. Eine entsprechende Studie läuft derzeit mit dem Blutspendedienst, weitere Studien sind beabsichtigt.
Cichutek führte aus, dass präventive und spezifische Impfstoffe benötigen werden, die gegen das SARS-CoV-2 wirken. „Wir müssen Impfstoffe haben, die verträglich und wirksam sind.“ Aufgrund der „regulatorischen Flexibiltät“ könne das Institut eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. Allerdings müssten zunächst gewisse Laboruntersuchungen unternommen werden, um theoretische Risiken abzuklären. Gleichzeitig müssen klinische Prüfungen laufen, damit die Impfstoffe ihr Ziel erreichen, nämlich spezifisch wirksam und verträglich zu sein. Nicht die Zulassung für die Impfstoffe dauere lange, sondern ihre Entwicklung.
Über 50 Impfstoffprojekte weltweit
Weltweit laufen 50 bis 60 Impfstoffprojekte des Institutes. Vier klinische Prüfungen beschäftigen sich mit dem SARS-CoV-2: ein RNA-Impfstoff in den USA, ein DNA-Impfstoff und zwei Vector-Impfstoffe auf Basis von Adenoviren in China und Großbritannien. Insoweit kündigte Cichutek den Beginn einer ersten deutschen klinischen Prüfung in Kürze in Deutschland an.
Glücklich zeigte sich der Fachmann über die „richtigen Projektfinanzierung“ durch das Bundesgesundheits- und Bundesforschungsministerium. Gemeinsam werde man an günstigen Bedingungen für die Schaffung der Impfstoffe arbeiten. Zudem hob Cichutek hervor, „dass die akademischen industriellen Entwickler den Job machen, die richtigen Kandidaten-Impfstoffe jetzt zu entwickeln, und hoffentlich positiv und mit gutem Ausgang prüfen.“ Wenn es um die Impfstoffe gehe, werde man später mehrere Impfstoffe und mehrere Sorten brauchen, das sei schon absehbar.
Bereits jetzt werden Kriterien in der Impfkommission des RKI erstellt, in welcher Priorität in Deutschland geimpft würde, sagte der Bundesgesundheitsminister auf Nachfrage. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass in Deutschland Produktionskapazitäten aufgebaut werden, noch bevor die Mittel zugelassen werden. „Wir wollen nicht nur für Deutschland produzieren“, betonte Spahn.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion