Spahn: „Damit ist Schluss, es geht nicht mehr!“ – Union will irreguläre Migration an der Grenze stoppen

In einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) hat Unionsfraktionsvize Jens Spahn erklärt, die CDU werde weiterhin mit der Ampel über die Kontrolle der Migration verhandeln. Die Schließung der Grenzen für Asylsuchende, die aus anderen EU-Staaten einreisen, sei aber Bedingung dafür.
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Jens Spahn.Foto: John MacDougall/afp via Getty Images
Von 9. September 2024

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CDU-Fraktionsvize Jens Spahn hält eine Schließung der deutschen Grenzen für Asylsuchende, die aus anderen EU-Staaten einreisen, für möglich. Seine Partei wolle diese sogar zur Mindestbedingung für weitere Gespräche im Rahmen des Migrationsgipfels machen, der am Mittwoch, 4. September, begonnen hatte. Diesen hatte die Ampelkoalition ins Leben gerufen. Zusammen mit Vertretern der Länder und der Union will diese nach Lösungen für das Problem irregulärer Einreisen von Asylsuchenden nach Deutschland suchen.

Erste Gesprächsrunde zum Migrationsgipfel ohne Ergebnisse

Im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) erklärt Spahn, die CDU stehe „für Placebo-Maßnahmen nicht zur Verfügung“. Es sei eine Mindestanforderung für eine gemeinsame Lösung, dass die Ampel bereit sei, „die deutschen Grenzen für irreguläre Migration zu schließen“. Ohne eine solche Zusage machten weitere Gespräche keinen Sinn.

Am Dienstag war der erste Gesprächstermin zwischen Bund, Ländern und Union ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach jedoch von einer konstruktiven Atmosphäre und einer gemeinsamen Entschlossenheit, den Meinungsaustausch aufrechtzuerhalten. Schon bald solle es weitere Termine geben.

Die Ministerin sagte der Union auch zu, die rechtliche Möglichkeit einer Zurückweisung von Asylsuchenden, die aus anderen Mitgliedstaaten in die EU einreisten, zu prüfen. Zuletzt hatte auch die Ampelpartei FDP dies in einem Positionspapier gefordert. Die Ampel selbst hat sich vorerst nur darauf geeinigt, die Leistungsansprüche für Asylsuchende einschränken zu wollen, die zuvor bereits in einen anderen EU-Staat eingereist waren.

Spahn: „Andere EU-Länder missachten Dublin-Regeln und sehen Migration als deutsches Problem“

Auslöser für die Debatte war der islamistische Anschlag von Solingen. Am 23. August hatte ein syrischer Staatsangehöriger, der nach bisherigen Erkenntnissen Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) war, wahllos auf Besucher der 650-Jahr-Feier der Stadt eingestochen. Dabei starben drei Menschen, acht weitere wurden zum Teil schwer verletzt.

Der Tatverdächtige hätte bereits im Januar 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Er war im Dezember 2022 dort erstmals in die EU eingereist. Nach dem Abkommen von Dublin wäre der Staat der Ersteinreise für die Durchführung von Asylverfahren zuständig. Die geplante und terminlich auch schon festgesetzte Abschiebung scheiterte jedoch daran, dass der Syrer an seiner Unterkunftsadresse nicht anzutreffen war. Ein weiterer Versuch der Abschiebung wurde nicht unternommen.

Spahn wirft anderen EU-Staaten im Interview mit der NOZ vor, die Dublin-Regeln zu ignorieren. Man würde die Asylmigration vorwiegend als deutsches Problem betrachten, da die meisten irregulär Eingereisten nach Deutschland wollten. Für den Unionsvize ist das kein akzeptabler Zustand:

„Deswegen müssen wir jetzt das Signal an den Rest Europas senden: Damit ist Schluss, es geht nicht mehr!“

„Recht des Stärkeren muss enden“

Auch eine dauerhafte Relativierung des Schengen-Systems ist für Spahn kein Tabu. Es solle zwar „nur, wer kein Aufenthaltsrecht für Deutschland hat“, nicht mehr ins Land kommen können, allerdings werde das „ohne Kontrollen nicht gehen“.

Der Unionsfraktionsvize und frühere Bundesgesundheitsminister erhofft sich von dieser Linie, dass „alle Nachbarländer an ihren Grenzen genauso reagieren“. Im Ergebnis würden die EU-Außengrenzen „für irreguläre Migration geschlossen werden“.

Das sei „machbar, wenn der nötige Druck und der politische Wille da sind“. Die Botschaft, „jeder, der Europa erreicht, darf bleiben“, müsse „aus der Welt“, so Spahn. Er plädierte für eine Aufnahme von Schutzsuchenden über Kontingente. Diese könnten zuvor in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen ausgehandelt werden. Dann hätten auch Frauen, Kinder und Ältere eine Chance:

„Das Recht des Stärkeren muss ebenso enden wie das Sterben im Mittelmeer. Dafür müssen wir aber die Kontrolle zurückgewinnen.“

Grüne halten Vorstellungen von Spahn und der Union für „abwegig“

In der Vorwoche hatte die Union die Ausrufung eines „nationalen Notstandes“ ins Spiel gebracht. Dieser würde den Mitgliedstaaten über Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ermöglichen, Regelungen der Rückführungsrichtlinie außer Kraft zu setzen, die einer Zurückweisung Asylsuchender an der Grenze entgegenstünden.

Die Grünen halten eine solche Strategie für „abwegig“. Ihre Innenpolitikerin Irene Mihalic betonte, ein solcher Schritt sei „an sehr enge Grenzen gebunden“ und sie kenne kein Beispiel, in dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein solches Vorgehen akzeptiert hätte. Der EuGH hatte erst im September des Vorjahres die Zurückweisung von schutzsuchenden Ausländern an EU-Binnengrenzen für im Regelfall rechtswidrig erklärt. Frankreich hatte damals eine ähnliche Regelung in Geltung, wie sie die Union nun für Deutschland fordert.

Asylrechtsanwälte hatten damals den Geltungsanspruch der Rückführungsrichtlinie betont. Diese sieht vor, dass zumindest eine Abschiebungsandrohung mit Frist zur freiwilligen Ausreise gegen den Asylsuchenden ergehen müsse. Die französische Regierung hatte damals argumentiert, durch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen sei aus der Schengen-Grenze eine Außengrenze geworden. An dieser seien Zurückweisungen statthaft.

Der EuGH hingegen betonte, auch eine temporär kontrollierte Binnengrenze bleibe eine Binnengrenze. Anders als an der Außengrenze, die Staaten stellvertretend für alle Schengen-Staaten kontrollierten, gehe es dabei um nationale Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit und Ordnung im Ausnahmefall. Deshalb seien auch keine Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie anwendbar, die sich auf Außengrenzen bezögen.



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