Sozialbeiträge auf Kapitalerträge: Was Anleger mit Habecks Plänen an den Staat zahlen müssten
Mehr Solidarität solle sein Vorschlag schaffen, hatte der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck am Sonntag im „Bericht aus Berlin“ gesagt. Er schlug deshalb vor, dass künftig auch auf Kapitaleinkünfte wie Dividenden und Zinsen Sozialbeiträge bezahlt werden müssen.
„Warum soll Arbeit höher belastet sein als Einkommen durch Kapitalerträge? Das leuchtet mir nicht ein“, so der Grünen-Politiker. Deshalb schlage er vor, „dass wir auch diese Einkommensquellen sozialversicherungspflichtig machen“. Er fasste seinen Vorstoß zusammen: „Arbeiten günstiger machen, und die Kapitaleinkünfte werden dann etwas höher mit Abgaben belegt.“
Laut dem Grünen-Chef Felix Banaszak soll diese Maßnahme aber nur hohe Einkommen treffen. „Für Kleinsparer ändert sich hier nichts“, betonte Banaszak laut dem „Spiegel“. „Ziel ist, dass kein Kleinsparer einen Unterschied bemerkt.“
Positive Reaktionen auf den Vorstoß von Habeck kamen unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Der DGB fordert schon lange, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auch von Kapitaleinkünften zu erheben, weil das gerechter ist“, sagt Vorstandsmitglied Anja Piel. Wichtig sei aber, dafür einen Freibetrag festzulegen. Ansonsten zahlten bloß „diejenigen noch mehr Sozialabgaben, die ohnehin schon hohe Beiträge zahlen“. Das würde dann nur eine „Umverteilung in der Mitte der Gesellschaft“ bedeuten. „Ziel muss sein, die wirklich großen Vermögen einzubeziehen, damit sie angemessen an der Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung beteiligt werden – weil starke Schultern einfach mehr stemmen können“, so Piel.
Habeck erntet nach seinem Vorstoß aber auch erheblichen Widerspruch, nicht nur in der Politik. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hält die Idee für nicht durchdacht und nicht durchführbar.
Normale Arbeitseinkommen betroffen
Gegenüber dem Onlineportal „procontra-online.de“ betonte der SdK-Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer, dass die Umsetzung von Habecks Vorschlag „massive Probleme“ mit sich brächte. „Jeder Pflichtversicherte müsste dann am Ende des Jahres noch einmal neben seinem Einkommen auch die Kapitaleinkünfte der Einzugsstelle offenlegen. Man müsste wohl mehrere Millionen Unterlagen prüfen, was sicherlich Tausende Verwaltungsstellen benötigen würde. Denn automatisch dürfte ein Abgleich im bisherigen System kaum machbar sein“, so Bauer.
Die Schutzgemeinschaft stößt sich hauptsächlich daran, dass von den Habeck-Plänen vor allem Haushalte betroffen wären, bei denen das normale Arbeitseinkommen unter der geltenden Beitragsbemessungsgrenze liegt.
Die Beitragsbemessungsgrenze ist eine festgelegte Einkommensgrenze in der Sozialversicherung. Sie bestimmt, bis zu welchem Betrag das Einkommen eines Versicherten zur Berechnung der Beiträge herangezogen wird. Einkommen, das über dieser Grenze liegt, bleibt beitragsfrei. Die Werte der Grenze werden jährlich an die Einkommensentwicklung des vergangenen Jahres angepasst und in der Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung festgeschrieben. In diesem Jahr beträgt die Beitragsbemessungsgrenze für die Kranken- und Pflegeversicherung 5.512,50 Euro pro Monat, was 66.150 Euro jährlich entspricht.
Wer also mit seinem Arbeitseinkommen unter dieser Grenze liegt, müsste nach den Vorstellungen von Habeck Sozialbeiträge auf seinen Kapitalertrag zahlen. Gutverdiener mit einem Arbeitseinkommen über 66.150 Euro wären von den Sozialabgaben befreit.
Trotzdem beteuert Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge gegenüber dem „Deutschlandfunk“, dieses Konzept würde nur Millionäre belasten. Zielgruppe des Habeck-Vorschlags seien „diejenigen, die Millionen auf dem Konto liegen haben und selbst nicht mehr arbeiten gehen müssen, weil das Geld für sie arbeitet“. Es gehe um ein durchdachtes Konzept mit hohen Freibeiträgen für Sparerinnen und Sparer, so die Grünen-Politikerin. Näher erklärt sie dieses Konzept allerdings nicht.
38 Prozent Rendite an den Staat
Was würden die Habeck-Pläne aber konkret in Zahlen ausgedrückt für Privatanleger bedeuten, wenn die Beitragsbemessungsgrenze nicht angehoben wird und es keine Freibeträge gäbe, obwohl diese aber offenbar von den Grünen angedacht sind. Dazu ein kleines Rechenbeispiel:
Wer bei einer Rendite von fünf Prozent 100.000 Euro investiert, würde im Jahr einen Kapitalertrag von 5.000 Euro erzielen. Berücksichtigt man den Sparerfreibetrag, der im Moment bei 1.000 Euro liegt, wären 4.000 Euro zu versteuern.
Davon gingen 25 Prozent als Kapitalertragssteuer und 5,5 Prozent als Solidaritätszuschlag, der unabhängig vom Ertrag grundsätzlich auf Kapitalertrag zu zahlen ist, an den Staat. Wenn der Anleger Mitglied einer Kirche ist, kommen noch Kirchensteuer, je nach Bundesland zwischen acht und neun Prozent dazu. Insgesamt ergibt sich demnach ein pauschaler Steuersatz von 26,38 Prozent ohne Kirchensteuer und 27,82 bis maximal 27,99 Prozent mit Kirchensteuer.
Von den angenommenen 4.000 Euro müsste der Privatanleger also im besten Fall 1.055,20 Euro und im schlechtesten Fall 1.119,60 schon heute an den Staat zahlen. Die Nettorendite für eine solche Anlage würde so zwischen 3,8 und 3,9 Prozent liegen.
Sollte Robert Habeck sich nun mit seinem Vorschlag durchsetzen, dann fielen in Zukunft als Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, unter Berücksichtigung des Sparerfreibetrags, weitere 852 Euro an den Staat. Das würde die Nettorendite auf 3,1 Prozent ohne Kirchensteuer und 3,0 Prozent mit neun Prozent Kirchensteuern drücken.
Dieses Rechenbeispiel macht deutlich: Würden zukünftig auf Erträge aus Aktienverkäufen, Dividenden und Zinsen Sozialbeiträge erhoben werden, dann würden rund 38 Prozent der Kapitalmarktrendite dem Staat zufallen, ohne dass dieser bei der Investition das kleinste Risiko tragen müsste. Würden die Kapitalerträge höher ausfallen als im Rechenbeispiel angenommen, dann würde der Anteil für den Staat noch höher ausfallen, da die Bedeutung des Sparerfreibetrags von 1.000 Euro immer weniger zu Buche schlägt.
Grüne drücken sich um konkrete Zahlen
In der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ vom letzten Dienstag verteidigte die Parteichefin der Grünen, Franziska Brantner, noch einmal den Vorschlag aus ihrer Partei. Auf die Frage von Lanz sagte Brantner: „Der grundlegende Gedanke ist der, dass man sagt, es gibt in unserem System manche, die sich nicht entsprechend ihrer Möglichkeiten beteiligen. Da reden wir von den ganz starken Schultern.“ Weiter betont die Grünen-Politikerin, dass das nicht die Krankenschwester, der Sparer oder derjenige sei, der in seine private Vorsorge investiert. „Das kann ich Ihnen wirklich versprechen“, so Brantner.
Konkrete Zahlen, ab wann nach Vorstellung der Grünen Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden sollen, blieb die Parteivorsitzende aber schuldig. Trotz mehrmaliger konkreter Nachfrage von Markus Lanz und dem stellvertretenden Chefredakteur der „Welt“, Robin Alexander, nannte Brantner keine Zahlen.
Der Journalist Alexander holte dann einen Zettel heraus und zitierte aus einem internen Papier, in dem die Grünen ihren Mitgliedern die Formulierung zu Fragen der Journalisten zum Habeck-Vorschlag empfehlen. Auf die Frage, wer am Ende auf Kapitalerträge Sozialbeiträge zahlen soll, empfiehlt das Papier diejenigen zu nennen, die „Millionen angelegt“ hätten. „Selbstverständlich geht es nicht um den normalen Sparer“, heißt es weiter. Diejenigen sollten zahlen, die „soviel Geld haben, dass das Geld für sie arbeitet und nicht sie für das Geld arbeiten müssen“.
Das sei das, was die Grünen im Moment den Journalisten erzählen würden, so Alexander. Im Entwurf des Wahlprogramms klinge alles aber ganz anders. Dort könne man nachlesen:
„Die Beitragsbemessung werden wir reformieren und beispielsweise auch Kapitaleinnahmen zur Finanzierung unseres Gesundheits- und Pflegesystems heranziehen. “
Also nichts von „Millionen“ und „nicht Arbeitenden“, so Robin Alexander. Weiter zitiert der „Welt“-Journalist aus dem Grundsatzprogramm der Partei aus dem Jahr 2021. Dort kann man im Hinblick auf die Finanzierung der Sozialkassen lesen: „Indem alle Bevölkerungsgruppen in Abhängigkeit von ihrem Einkommen und unter Einbeziehung aller Einkommensarten“ beteiligt würden.
Von Freibeträgen, Millionären und Menschen, die nicht arbeiten müssten, stehe auch dort nichts, resümiert der Journalist. „Sie trauen sich nicht ihr Konzept, das ehrenwert wäre, zu debattieren“, so Alexander. Deshalb würden die Grünen keine konkreten Zahlen nennen und „stünden so blank“ da. „Sie trauen sich nicht, diese Diskussion zu stehen.“
„Klingt nicht nach Fachwissen, Herr Habeck“
„Völlig daneben!“, nennt Ralf Hermes, Vorstand der Innovationskasse IK, den Habeck-Vorschlag gegenüber der „Bild“. Ihm sie der „Kragen geplatzt“, als er den Vorschlag Habecks gelesen habe.
Und Hermes weiter:
Wenn das gute Geld der Sparer sozialversicherungspflichtig werden soll, dann nimmt Habeck den Leuten genau das Geld weg, das sie für die Altersvorsorge gespart haben, weil die auch nicht funktioniert, weil Habeck seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.“
Hermes hält nichts davon, das „sauer ersparte Geld in ein total reformbedürftiges System“ zu werfen, um es am Leben zu erhalten. „Das klingt nicht nach Fachwissen, Herr Habeck“, so das Fazit des Krankenkassen-Vorstands.
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