Sonnensegel, Markisen und Friedhöfe – die Hitzeschutzstrategie des Bundesbauministeriums

Bundesbauministerin Klara Geywitz hat einen Plan mit sechs Handlungsfeldern präsentiert. Geld aus Förderprogrammen gibt es für die, die „Klimaanpassung mitdenken und nachweisen“. Landwirte erwarten in diesem Sommer weder Hitzewellen noch Dürren.
Temperaturen von gut über 40 Grad in manchen Teilen Spaniens plagen derzeit die Menschen.
Abkühlung für die Städte – Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat eine neue Hitzeschutzstrategie vorgestellt.Foto: Richard Zubelzu/ZUMA Press Wire/dpa
Von 29. Juli 2024

„Der Klimawandel und seine Folgen werden vor allem in unseren Städten in den Sommermonaten deutlich spürbar“, sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz. Angesichts dessen hat die SPD-Politikerin eine Hitzeschutzstrategie vorgelegt, mit der Deutschlands Städte besser auf die Erwärmung der Erde reagieren können sollen. Das berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ), die Geywitz interviewte.

Änderungen im Baugesetzbuch

Demnach seien vor allem ältere Menschen und kleine Kinder „in Sommern mit Rekordhitze“ einem steigenden Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Mit der Hitzeschutzstrategie würden nicht nur „wirksame Maßnahmen gegen Hitzestaus“ vorgestellt. Das Papier beinhalte auch Änderungen am Baugesetzbuch. Damit solle der Schutz vor Hitze sowie das Wassermanagement gefördert werden. Des Weiteren bekämen Kommunen mehr Handlungsspielraum bei der Umsetzung.

Geywitz nennt laut NOZ in ihrer Hitzeschutzstrategie sechs Handlungsfelder:

  1. Es soll mehr Raum für Grün geschaffen werden, das für kühlere Temperaturen sorgt. Dazu gehören Parkanlagen, die Straßen säumende Bäume, Grünflächen als „schattige Klimaoasen“ oder die Begrünung von Dächern und Fassaden.
  2. „Wassersensible Stadtstrukturen“ gestalten: Nur, wenn genug Wasser zur Verfügung steht, könnten Bäume dichte Kronen für Schatten bilden und durch Verdunstung kühlen. Um dies auch bei längeren Trockenperioden zu erreichen, müsse es lokale Versickerungsmöglichkeiten geben. Außerdem sollten Flächen entsiegelt werden.
  3.  Spielplätze und andere Plätze sollten schattiger – etwa mithilfe von Sonnensegeln – gestaltet werden.
  4. Kühle Orte zur Erholung müssten in den Städten identifiziert werden. Dazu zählt Geywitz Kirchen, Museen, Friedhöfe und Kleingartenanlagen.
  5. Auch Wohnungslose sollten Schutz angeboten bekommen. „Kühle Rückzugsorte“ sowie mehr Duschmöglichkeiten und Trinkbrunnen müssten zur Verfügung stehen.
  6. Mit „passiven Hitzeschutzlösungen“ wie Markisen oder Dach- und Fassadenbegrünung sollten Neu- und Bestandsbauten ausgestattet sein.

Geywitz: Frisches Geld aus Förderprogrammen

„Und wer frisches Geld aus unseren Förderprogrammen will, muss Klimaanpassung mitdenken und nachweisen“, sagte die Ministerin. „Dabei fördern wir zum Beispiel, dass Flüsse von Beton befreit werden und wieder kühle Luft bringen, oder das Aufgraben und Neu-Begrünen von zubetonierten, kaum genutzten Plätzen, die in der prallen Sonne niemanden zum Bleiben anregen.“

Eine Gesamtsumme, mit der der Bund im Rahmen der neuen Strategie den Städten bei der Anpassung an die Erderwärmung unter die Arme greifen will, wird nicht genannt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat bisher 576 Millionen Euro für die Klimaanpassung urbaner und ländlicher Räume gebilligt. In der Städtebauförderung, für die 790 Millionen Euro jährlich bereitstehen, ist Klimaanpassung ein wichtiges Förderkriterium.

Im Großen und Ganzen präsentiert Geywitz nichts Neues. Markisen dienen seit Jahrzehnten als Sonnenschutz an Häusern und Mietwohnungen; „kühle Rückzugsorte“ wie Kirchen hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits im vergangenen Jahr empfohlen.

Die Anzahl der von ihr erwähnten öffentlichen Trinkwasserbrunnen hat das Bundesgesundheitsministerium im vergangenen Jahr bereits ausbauen lassen. Damals wurde mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland die EURO-Trinkbrunnen-Kampagne „Ein Spiel – ein Brunnen“ initiiert. Bis Sommer 2024 wurden bundesweit 51 Trinkwasserbrunnen installiert. Auch die Renaturierung von Flüssen ist in Deutschland seit Jahren gängige Praxis.

Extreme Hitzewelle nicht mehr möglich

Wie bereits 2023 verlief der Sommer bislang durchwachsen. Viel Regen lässt das Grün aus den Böden schießen, Wälder erscheinen derzeit ungewohnt üppig – und erfüllen damit Geywitz‘ Wunsch nach schattigen Klimaoasen. Auch die Landwirtschaftsfachpublikation „agrarheute“ vertritt die Ansicht, dass Hitze und Dürre derzeit kein Thema sei.

Eine extreme Hitzewelle, bei der das Thermometer an der 40-Grad-Grenze kratzen könnte, sei in diesem Jahr in Deutschland nicht mehr möglich. Wettermodelle deuteten nicht auf eine längere Hitzeperiode hin, auch hätten die nassen Böden nach den vielen Regenfällen „einen kühlenden Effekt“. Selten hätten die Temperaturen bislang hochsommerliches Niveau erreicht, um dann wieder unter 20 Grad abzusinken.

Liest man auf der Seite des Copernicus Climate Change Service (C3S), entsteht ein ganz anderer Eindruck. In einem am 25. Juli 2024 letztmals aktualisierten Artikel heißt es, dass die Erde drei Tage zuvor „ihren wärmsten Tag in der jüngeren Geschichte“ erlebt habe. Dies gehe aus vom C3S erfassten Daten hervor. So habe die tägliche globale Durchschnittstemperatur am 22. Juli 2024 bei 17,6 Grad gelegen. Dies übertreffe die einen Tag zuvor gemessenen 17,09 Grad sowie die am 6. Juli 2023 erreichten 17,08 Grad.

C3S zufolge lag der vor 2023 ermittelte bisherige tägliche Rekord bei 16,8 °C, gemessen am 13. August 2016. Vom 3. Juli 2023 bis zum 23. Juli 2024 gab es 59 Tage, die diese Temperatur übertroffen haben, verteilt auf Juli und August 2023 und Juni und Juli 2024. Ein weiteres Zeichen für den Trend der globalen Erwärmung sei die Tatsache, dass die zehn Jahre mit den höchsten jährlichen Tageshöchsttemperaturen der Zeitraum von 2015 bis 2024 sei.

DWD registrierte sommerlichen Frühstart, auf den eine lange Pause folgte

Bei C3S handelt es sich um einen von sechs thematischen Informationsdiensten, die das Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union bereitstellt. In einer Selbstdarstellung heißt es, Copernicus sei ein operationelles Programm, das auf bestehenden Forschungsinfrastrukturen und in Europa und anderen Ländern verfügbarem Wissen aufbaue. C3S stütze sich auf die Klimaforschung, die im Rahmen des Weltklimaforschungsprogramms (WCRP) durchgeführt werde. Für das gesamte Copernicus-Programm hat die EU für die Jahre 2021 bis 2027 rund 4,8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

In einer Zwischenbilanz zur Mitte des meteorologischen Sommers verweist der Deutsche Wetterdienst (DWD) auf einen Frühstart des Sommers. Den ersten Hitzetag – „so früh wie noch nie seit Aufzeichnungsbeginn der Wetterdaten in Deutschland“ sei am 6. April 2024 erreicht worden.

Damals registrierten die Wetterfrösche 30,1 Grad Celsius in Ohlsbach im Oberrheingraben (Baden-Württemberg). Ungewöhnlich sei aber nicht nur der frühe Zeitpunkt für den ersten Hitzetag gewesen, sondern auch das lange Warten auf den nächsten. Den gab es erst mehr als zwei Monate später. Die 30-Grad-Marke wurde erst wieder am 18. Juni 2024 überschritten. Der DWD begründet die lange Pause mit Wetterlagen, „die keine großräumige Zufuhr heißer Luft aus dem Süden Europas zuließen“.

Außerdem sei es während dieses Zeitraums, vor allem in der für Sommertage prädestiniertesten südlichen Region, gegenüber dem langjährigen Durchschnitt eher nass und bewölkt. „Dies waren keine guten Voraussetzungen für hohe Tagesmaxima“, kommentiert der DWD.

Mit Material von dpa



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