Müssen Corona-Soforthilfen zurückgezahlt werden? – Urteil der Verwaltungsgerichte

Scholz sagte während der ersten Corona-Welle, es müsse keine der staatlichen Hilfszahlungen zurückgezahlt werden. Der Bund handelt heute jedoch entgegen dieser Aussage. Eine Anwaltskanzlei verteidigt die Rechte der Betriebe.
Corona
Der Lockdown im Jahr 2020 traf viele Betriebe hart. Ebenso die Rückzahlungsforderungen des Bundes an viele Betroffenen.Foto: iStock
Von 10. Februar 2023

Geschäftsschließungen, ausbleibende Kundschaft, Umsatzeinbruch: Die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung trafen viele Unternehmen in Deutschland mit voller Wucht. Das Bruttoinlandsprodukt sank im Jahr 2020 um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Um die deutsche Wirtschaft zu stützen und die maßnahmenbedingten Umsatzausfälle zu mildern, bot der Bund den Unternehmen staatliche Finanzhilfen an. Zwischen März und Mai 2020 rief er Selbstständige, freiberuflich Tätige und Kleinunternehmen dazu auf, diese Hilfszahlung in Anspruch zu nehmen.

Doch nun treffen bei vielen deutschen Unternehmen seit einigen Monaten überraschende Briefe ein, wie die Rechtsanwaltskanzlei „Steinbock und Partner“ informiert. Zahlreiche Bundesländer wie NRW, Bayern oder Berlin haken jetzt bei den Empfängern der Überbrückungshilfen nach und prüfen, ob die Betriebe die Corona-Soforthilfen rechtmäßig verwendet haben. Die Betroffenen müssen dann umfangreiche Angaben zu den Umsätzen und Ausgaben in den betroffenen Monaten machen. Nicht selten fordern die Länder bereits Rückzahlungen ein.

Darlehen oder Zuschuss?

Eigentlich sollte es sich bei diesem Soforthilfeprogramm um eine Unterstützung vom Staat handeln, die die Betriebe nicht zurückzahlen müssen – also um einen Zuschuss, kein Darlehen. Auch auf der Website des Bundesfinanzministeriums kann man nachlesen, dass „insgesamt fast 5 Millionen Anträge auf Zuschüsse und rund 170.000 Anträge auf Kredite gestellt wurden.“ Das Ministerium trennte also klar zwischen Zuschuss und Kredit.

Darüber hinaus versprach der damalige Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz im März 2020 den Selbständigen „schnelle und unbürokratische Soforthilfe.“ Dabei hätte es sich um einen Zuschuss, nicht um einen Kredit gehandelt. Scholz betonte:

Es muss also nichts zurückgezahlt werden.“

Jetzt – im Jahr 2023 – stehen jedoch viele betroffene Betriebe vor erheblichen Rückzahlungsforderungen. „Diese Forderungen sind unter gewissen Umständen nicht berechtigt und die Betriebe nicht verpflichtet, die erhaltenen Corona-Soforthilfen zurückzuzahlen“, erklärt die Kanzlei.

Für die meisten Betroffenen kam diese Überprüfung völlig überraschend. Viele erinnerten sich noch an die Worte von Scholz. Mehr als zwei Jahre nach der Auszahlung rechneten sie nicht mit derartigen Nachfragen. In den meisten Fällen geht es dabei um hohe vier- oder fünfstellige Beträge – Summen, die nicht nur Kleinunternehmer hart treffen.

Urteil der Verwaltungsgerichte: Rückzahlungsbescheide „rechtswidrig“

Einige Betriebe haben, nachdem Sie einen Rückzahlungsbescheid erhalten hatten, bereits erfolgreich vor Verwaltungsgerichten (VG) dagegen geklagt. Das VG Köln und das VG Düsseldorf urteilten jeweils, „dass keine Rückzahlungspflicht bei den betroffenen Betrieben besteht“, so die Kanzlei. Der Bescheid mit der Rückforderung galt demnach als „rechtswidrig“. In Nordrhein-Westfalen gebe es bereits über 2.000 weitere anhängige Klagen.

Nach den in einigen Entscheidungen übereinstimmenden Urteilen des VG Köln und des VG Düsseldorf im Sinne der Betriebe, sei nun das Land Nordrhein-Westfalen gegen diese Entscheidungen in die Berufung gegangen. Diese werde dann in naher Zukunft vor dem OVG Münster durchgeführt.

Die Verwaltungsrichter aus Nordrhein-Westfalen würden sich auf unklare Regelungen in den Bescheiden berufen. Zudem habe es damals keine klare Definition gegeben, was die Voraussetzung für einen „Liquiditätsengpass“ ist. Geltung habe nur die Rechtslage zum Zeitpunkt der Bewilligung der Zahlung. Nachträglich erstellte Verwaltungsvorschriften und Richtlinien könnten hier keinen Einfluss ausüben.

Rückforderung nur unter bestimmten Voraussetzungen

Ganz ausgeschlossen ist eine Rückforderung der Finanzhilfe laut der Kanzlei allerdings nicht. Sofern die Antragsteller keine falschen Angaben abgegeben hatten, könnte eine Rückforderung in der jetzigen Konstellation nicht greifen. Eine Rückforderung durch die Landesbehörden kann daher nur erfolgen, wenn ein Vorbehalt im Bewilligungsbescheid bereits aufgenommen wurde.

Die Voraussetzungen für diesen Vorbehalt können sich auch nur aus der Rechtslage zum Zeitpunkt der Bewilligung ergeben. Nachträgliche Definitionen durch später erlassene Richtlinien sind daher nicht relevant. Ob eine Rückforderung der ausgezahlten Beträge zulässig ist, hängt daher stets vom genauen Datum und Inhalt des Bewilligungsbescheides ab.

Die Kanzlei ist „der Meinung, dass erhaltene Corona-Soforthilfen nach längerer Zeit und trotz unklarer Rechtslage nicht einfach zurückgefordert werden können.“ Sie empfehlen, dass jeder Betroffene prüft oder prüfen lässt, ob eine Rückzahlungspflicht besteht. In den meisten Fällen könne man auf sein Recht beharren „und eine Rückzahlung abwenden“.



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