Solingen: Aggressive Stimmung bei Demonstrationen nach Terrorakt

Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Terrorakt während eines Stadtfestes in Solingen musste die Polizei Zusammenstöße zwischen Demonstranten unterbinden. Am Montag hat Bundeskanzler Olaf Scholz erstmals den Tatort besucht. Er kündigte eine Verschärfung des Waffenrechts an.
Titelbild
Von links: Solingens OB Tim Kurzbach, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Bundeskanzler Olaf Scholz in Solingen.Foto: Henning Kaiser/Pool/AFP
Von 26. August 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Der mutmaßlich terroristisch motivierte Messerangriff in Solingen vom Freitagabend, 23. August, hat dem Stadtfest anlässlich des 650-jährigen Jubiläums ein jähes Ende bereitet. Die Attacke hinterließ drei Tote und acht zum Teil schwer verletzte Festbesucher.

Nach einem Trauergottesdienst am Sonntagvormittag wurde die Stimmung in der Stadt am Sonntagabend deutlich aggressiver. Insgesamt drei Kundgebungen waren in der Innenstadt angemeldet. Mehrere hundert Personen demonstrierten mit dem Bündnis „Wuppertal stellt sich quer“, das vor einer politischen Instrumentalisierung der Bluttat warnte.

Drei Kundgebungen in Solingen angemeldet

Jeweils mehrere Dutzend Teilnehmer beteiligten sich an zwei weiteren Aufmärschen. Zu einem davon hatte die linksextremistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands aufgerufen, zum anderen die bundesweit als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Junge Alternative. Alle Kundgebungen fanden im Umfeld des Tatorts in der Innenstadt von Solingen statt.

Einige der linksautonomen Szene zuzuordnende Teilnehmer einer der Kundgebungen sollen eine Polizeikette durchbrochen haben, wie „Bild“ berichtete. Die Beamten hätten Schlagstöcke eingesetzt. Gegen 19:45 Uhr begannen sich alle Kundgebungen aufzulösen.

Unterdessen hat der zuständige Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe am Sonntag Haftbefehl gegen den tatverdächtigen syrischen Staatsangehörigen Issa Al H. erlassen. Untersuchungshaft wurde ebenfalls angeordnet. Dies geht aus einer Pressemitteilung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof hervor.

Bundesanwaltschaft hält IS-Bezug für plausibel

In dem Haftbefehl heißt es, dass Al H. die Ideologie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) teile und sich dieser „zu einem derzeit nicht bestimmbaren Zeitpunkt“ vor dem Tattag angeschlossen habe. Diese Darstellung lässt erkennen, dass die Strafverfolgungsbehörden davon ausgehen, dass das Bekenntnis des IS zu dem Anschlag authentisch sein könnte.

Am Samstagabend hatte die Terrormiliz in einem Propagandaorgan ein Bekennerschreiben veröffentlicht, in dem die Tat als Angriff auf eine „christliche Versammlung“ bezeichnet wurde, wie ntv berichtete. Den Attentäter bezeichnete man als „Soldaten des Islamischen Staats“, ohne jedoch dessen Namen zu nennen. Einen Tag später schob der IS ein Bekennervideo nach, welches einen Treueschwur zeigen soll, wie „Tagesspiegel“ berichtete. Eine Überprüfung der Echtheit gestaltet sich auch hier schwierig.

Im Kontext der Bluttat hat es noch zwei weitere Festnahmen gegeben. Eine Person hatten Polizeibeamte am Samstag aus einer Flüchtlingsunterkunft in Tatortnähe in Gewahrsam genommen. Zudem wurde ein 15-Jähriger verhört. Beide gelten als mögliche Mitwisser.

Folgenschwere Versäumnisse der Behörden bei geplanter Abschiebung?

Der Tatverdächtige Al H. sei bisher nicht als radikaler Islamist aufgefallen, wie der „Berliner Kurier“ berichtete. Mit anderen Worten: Auch jetzt wissen die Behörden nicht, wie sie ihn hätten aufspüren können.

Für Irritationen sorgte hingegen der Umstand, dass Al H. bereits Anfang 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollte. Dabei handelte es sich um das erste EU-Land, in das dieser eingereist war, und gemäß den Dublin-Regeln wäre dieses für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig gewesen.

Entgegen ersten Annahmen war Al H. nicht abgetaucht, was eine verlängerte Überstellungsfrist von 18 Monaten ausgelöst hätte. Er verstand es lediglich, beim einzigen Mal, als die Behörden seine damalige Unterkunft in Paderborn aufsuchten, nicht anwesend zu sein. Einen weiteren Versuch unternahmen diese nicht, wie „Bild“ berichtete.

Dies hatte zur Folge, dass die Überstellungsfrist bereits nach sechs Monaten endete. Der möglicherweise juristisch beratene Al H. meldete sich nur wenige Tage nach deren Ablauf bei der Ausländerbehörde. Dabei zog er seine Klage gegen den Überstellungsbescheid zurück. In weiterer Folge erteilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihm subsidiären Schutz.

Scholz trifft in Solingen mit OB Kurzbach und Ministerpräsident Wüst zusammen

Am Montag besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz Solingen. Außerdem gab es Gespräche mit dem Oberbürgermeister der Stadt, Tim Kurzbach. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst begleitete Scholz dabei.

Der Kanzler hat eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. „Das soll und wird jetzt ganz schnell passieren“, sagte er am Montag am Tatort nach einem Gedenken.

Bezüglich der Forderungen nach mehr Abschiebungen blieb der Kanzler eher vage. Scholz verwies auf bereits erfolgte gesetzliche Verschärfungen. Es werde aber auch weitere Maßnahmen geben. Unter anderem solle gemeinsam mit den Ländern eine Taskforce gegründet werden.

Vom Bundesinnenministerium hieß es derweil, dass man aktuell „vertraulich mit verschiedenen Staaten“ verhandele, um Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan zu ermöglichen. Weitere Details könne man aus Rücksicht auf die laufenden Verhandlungen nicht nennen, sagte eine Sprecherin am Montag in Berlin.

Weitere Reaktionen zur Tat

Deutliche Verurteilungen der Bluttat von Solingen kommen unterdessen aus den deutschen Islamverbänden. Der Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş, Kemal Ergün, sprach bereits am Freitagabend den Betroffenen der Tat seine Anteilnahme aus. Zugleich gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Täter zeitnah zur Rechenschaft gezogen werde.

Von der Linkspartei kamen Warnungen vor Pauschalverdächtigungen gegen Einwanderer, Schutzsuchende oder Muslime. Tony Wohlfarth, Wahlkreismitarbeiter der thüringischen Landtagsabgeordneten Donata Vogtschmidt, erklärte auf X, das Problem sei nicht die Migration, sondern die Radikalisierung. Diese verbinde sich zudem mit einem ganz bestimmten Milieu, nämlich jungen Männern, die sozial abgehängt seien und über eher unterdurchschnittliche Bildung verfügten.

Der stellvertretende sächsische AfD-Vorsitzende und Europaabgeordnete Maximilian Krah wirft etablierten Politikern unterdessen vor, sich nach dem Anschlag in Phrasen zu ergehen, die ChatGPT hätte formulieren können. Es sei die Politik von Innenministern sowohl der Union als auch der SPD, die für Gefährdungen wie diese mitverantwortlich sei. Der Bürgerkrieg in Syrien sei vorbei, Asylsuchende könnten zurückkehren.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion