Solidaritätszuschlag bleibt – Bundesfinanzhof lehnt Klage ab
Die Bundesregierung kann nach einer gescheiterten Klage gegen den Solidaritätszuschlag weiter jährliche Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe aus der Abgabe einplanen. Der Bundesfinanzhof in München wies am 30. Januar 2023 eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag ab.
Dieser sei nicht verfassungswidrig, entschied der IX. Senat des höchsten deutschen Finanzgerichts. Das Ehepaar aus Aschaffenburg hatte die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gefordert, unterstützt vom Bund der Steuerzahler. Nun haben die Kläger vier Wochen Zeit für eine mögliche Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe.
Wiedervereinigung verursacht weiter Finanzbedarf
„Im vorliegenden Fall ist das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020 und 2021 überzeugt“, sagte Hans-Josef Thesling, Präsident des Bundesfinanzhofes (BFH). Die Klage hatte sich gegen die Steuerbescheide dieser beiden Jahre gerichtet. Laut Urteil hat der Bund dargelegt, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursacht, auch wenn die früheren Solidarpakte zur Finanzierung der Einheitslasten ausgelaufen sind.
Die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag sind nach wie vor hoch, ganz überwiegend bezahlt von Unternehmen und Besserverdienern. „Wenn wir uns die Jahre 2021/22/23 anschauen, dann haben wir 53 Milliarden Euro“, sagte Reiner Holznagel, der Präsident des Steuerzahlerbunds. „Das ist eine Hausnummer.“
Holznagel appellierte an die Bundesregierung, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, weil die seit jeher von Kontroversen begleitete Abgabe bei ihrer Einführung in den 1990er-Jahren nur befristet gedacht war. „Nach einer Generation – also circa 30 Jahren – sollte der Soli sozusagen weg sein“, sagte Holznagel. „Deshalb wäre es gut, wenn die Politik jetzt den weiteren Ausstieg plant.“
Ist der Soli eine „Reichensteuer“?
Die frühere Große Koalition hatte im Jahr 2019 im „Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995“ beschlossen, dass 90 Prozent der Einkommensteuerzahlerinnen und -zahler ausgenommen bleiben sollen. Den Zuschlag zahlen müssen die oberen zehn Prozent. Steuerzahler-Präsident Holznagel und der Rechtsprofessor Roman Seer nennen den Soli deswegen eine „Reichensteuer“.
In der Gesetzesbegründung war zudem ausdrücklich von einem „ersten Schritt“ und „späterem vollständigen Abbau“ die Rede gewesen. Die Klage berief sich darauf, dass der Zweck des Soli jetzt schon entfallen sei: Die Abgabe diente zur Finanzierung des Ende 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II, mit dem der Aufbau der Infrastruktur in Ostdeutschland finanziert werden sollte.
Dem folgte der Bundesfinanzhof nicht: Der Bund darf den Solidaritätszuschlag wegen erhöhten Finanzbedarfs für die Einheit demnach auch ohne Solidarpakt erheben. „Eine Ergänzungsabgabe muss nicht von vornherein befristet oder für einen kurzen Zeitraum erhoben werden“, sagte BFH-Präsident Thesling.
Zudem wies der Senat den Vorwurf der „Reichensteuer“ zurück. Steuern, die an der „Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen“ ausgerichtet sind, darf der Bund laut Urteil unter sozialen Gesichtspunkten auf Menschen mit höherem Einkommen beschränken.
Seer nannte die Entscheidung „enttäuschend“. „Vor Gericht und auf hoher See sind Sie in Gottes Hand“, zitierte er nach dem Urteil eine alte Juristenweisheit. Wie der Rechtsanwalt am Rande des Verfahrens sagte, will er nun mit dem Ehepaar beraten, ob dennoch Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Dies sei noch offen, sagte Seer. Für die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde hat das Ehepaar vier Wochen Zeit.
FDF, Union und AfD für Abschaffung – Grüne und Linke dagegen
Die Ampel-Koalition ist uneins. Die FDP befürwortet die Abschaffung des Soli, die Grünen sind dagegen. „Es wäre absurd gewesen, die reichsten zehn Prozent des Landes zu entlasten, während viele Menschen kaum noch wissen, wie sie am Ende des Monats ihre Rechnungen bezahlen sollen“, kommentierte der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Andreas Audretsch.
Das von FDP-Chef Christian Lindner geleitete Bundesfinanzministerium setzt auch nach dem Urteil auf Karlsruhe. „Die Bundesregierung hat ein Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Klärung“, hieß es in Ministeriumskreisen.
In einem Twitter-Beitrag schreibt Lindner:
Die Entscheidung zum #Soli nimmt die Bundesregierung zur Kenntnis. In anderer Sache wird Karlsruhe entscheiden. Politisch und ökonomisch gibt es in der Koalition unterschiedliche Bewertungen. Aus meiner Sicht würde die Abschaffung unsere globale Wettbewerbsfähigkeit stärken.“
— Christian Lindner (@c_lindner) January 30, 2023
In der Opposition gehen CDU und CSU davon aus, dass der Soli keine Ewigsteuer werden darf. Die Verfassungsmäßigkeit bleibe davon abhängig, ob der Bund besonderen Finanzbedarf für die Herstellung der Einheit nachweise, sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg. „Insofern ist absehbar, dass die Berechtigung des Soli auslaufen wird.“ Vertreter von Union und AfD forderten, den Soli nun mit einem politischen Beschluss vollständig abzuschaffen.
Linken-Chef Martin Schirdewan nannte den Soli die „gerechteste Steuer, die wir in Deutschland derzeit haben“, weil „insbesondere hohe Einkommen davon belastet werden“. (dpa/il)
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