So wird über Friedensdemonstrationen in Deutschland berichtet
Zu einem „Aufstand für Frieden“ am Brandenburger Tor in Berlin hatten die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (Linke) aufgerufen. Dem Ruf folgten am Samstag, 25. Februar, viele Menschen. Dabei klafften die Angaben zwischen Polizei (13.000) und Veranstaltern (50.000) naturgemäß weit auseinander.
Die beiden Initiatorinnen richten sich gegen weitere Eskalationen im Ukraine-Krieg durch Waffenlieferungen und setzen sich für Friedensverhandlungen ein. Bereits im Vorfeld gab es massive Kritik an der Veranstaltung. Auch im Nachhinein nehmen kritische Berichte zu.
Eine Woche zuvor fand eine Friedensdemonstration in München statt. Die Demonstration überraschte ebenfalls mit vielen Tausend Teilnehmern. Medial fand die Veranstaltung allerdings kaum Beachtung.
Berlin: Gewalt liegt in der Luft
In Berichten wird die hohe Teilnehmerzahl beim „Fest für Frieden“ in Berlin bestätigt. Der Zustrom zur Kundgebung am Brandenburger Tor war endlos, heißt es. Die Polizei musste den abgesperrten Bereich erweitern und Menschenmassen wegen Überfüllung umleiten. Regionalzüge, die vormittags in Richtung Berlin fuhren, waren voll. Auch nach der Kundgebung versammelten sich viele Rückreisende im Bahnhof Friedrichstraße. Videoaufnahmen zeigen ebenfalls: Es waren viele Menschen vor dem Brandenburger Tor und auf der Straße des 17. Juni.
Der Pressesprecher der Berliner Polizei, Martin Halweg, sprach von einer „sehr friedlichen Demonstration“. Medienberichten zufolge sei die Stimmung allerdings alles andere als friedlich gewesen: „Was die Kundgebungen zum Jahrestag aber besonders begleitet hat, ist ein schockierend hohes Maß an wütender, oft aggressiver Konfrontation, vor allem gegen Ukrainer, die im Laufe des letzten Jahres selten so öffentlich sichtbar war.“
Bei dem „Fest für Frieden“ würden ukrainische Stimmen und Perspektiven aktiv und bewusst ignoriert und abgelehnt. Die Bewegung sei „von einer Realitätsferne zerfressen, die ihr keinen Erfolg bringen kann“.
Reichsbürger, Putin-Versteher und Linke
Negativ wird die Demonstration in Berlin auch wegen der Teilnehmer dargestellt: Der verurteilte Holocaust-Leugner Nikolai Nerling und der Reichsbürger und Ex-NPD-Funktionär Rüdiger Hoffmann nahmen an der Demonstration teil. Der AfD-Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, der sächsische AfD-Landeschef Jörg Urban, der Berliner AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann und sein Brandenburger Parteifreund Lars Günther waren ebenfalls anwesend. Auch der Chefredakteur von „Compact“, Jürgen Elsässer, besuchte die Demonstration, er wurde allerdings von Protestierenden weggedrängt.
Die oben genannten Persönlichkeiten sind für einige Medienhäuser der Anlass, von zahlreichen Reichsbürgern bei der Kundgebung zu berichten.
„Sahra Wagenknecht lügt“ und „Sahra Wagenknecht vereint Menschen zu einer radikalen links-rechts Allianz, die bei großen Themen gegen den Strom schwimmt“, heißt es in Berichten. „Reichsbürger, AfD-Anhänger, das organisierte Jungvolk der in Teilen rechtsextremen Partei, Reichstagsstürmer und Streamer der alternativen Medien“, aber auch Anhänger der Linken und „zahlreiche Russland- und Putin-Versteher“ hätten an der Demonstration teilgenommen. Hinter Wagenknecht stünden dementsprechend diejenigen Menschen, „die zu den großen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit eine andere Meinung haben als die Mehrheit. Zu Corona, Flüchtlingen, der Rolle Russlands in Europa.“
Zusammengefasst heißt es: „Es hat den Anschein als bildet die verschwörungsideologische ‚Querdenken‘-Bewegung hier den Kitt zwischen Rechtsextremen, Resten der traditionellen Friedensbewegung und einer antiimperialistischen Linken auf Abwegen.“
Gesellschaftliche Mitte nicht vertreten
In einem öffentlich-rechtlichen Sender wird ein Reporter live während der Kundgebung gefragt, ob an der Demonstration auch rechtsextreme Gruppierungen teilnehmen würden. Die Antwort des Reporters:
Wir haben hier zahlreiche Leute aus dem Querdenken-Milieu, die wir auch bei anderen Demonstrationen, den sogenannten Corona-Protesten in Berlin erlebt haben. Es sind Reichsbürger hier, aber auch viele Alt-Linke aus einem westdeutschen Protestmilieu der 80er Jahre und Ost-Linke mit DDR-Analogien. Wir haben einen Hitler-Vergleich mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Annalena Baerbock erlebt.“
Sein Fazit: Die Demonstranten kommen entweder von ganz links oder ganz rechts.
Medial wird dem erwidert: „So armselig wie der Versuch einzelner versprengter Rechter, die Großkundgebung für ihre Selbstdarstellung zu nutzen, ist der Versuch der Kundgebungsgegner, dies als Beleg für eine rechts-linke Querfront herzunehmen. Im Grunde bedingen sich beide Strategien gegenseitig. Dabei sollte niemand mitmachen.“
Länder- und Parteiflaggen
Uneinig scheinen sich die Reporter über Länder- und Parteiflaggen bei der Demonstration. Manche schreiben, dass es weder ukrainische noch russische Flaggen gegeben habe. Im Öffentlich-Rechtlichen wird von anderen Bildern berichtet: „Zwischen Friedensflaggen zeigen sich immer wieder auch russische Symbole. Es finden sich mehrere Schilder, die die Schuld am Krieg bei der NATO, den USA oder Deutschland suchen. Gegen Russland oder Putin richtet sich keins.“
Ein anderes Medium berichtet von zahlreichen Symbolen der „Basis“-Partei, „einzelne Demonstranten forderten auf Plakaten die Freilassung von Querdenken-Gründer Michael Ballweg“. Zudem sollen Teilnehmer Flaggen der „rechtsextremen ‚Freien Sachsen‘ oder des Brandenburger Ablegers ‚Freie Brandenburger‘“ mit sich geführt haben.
Verzerrte Berichterstattung?
Der Linken-Abgeordnete und Mitorganisator der Demonstration, Alexander King, spricht von einem „Kleinschreiben“ der Veranstaltung:
Offenbar hat die Teilnahme Zehntausender an unserer Kundgebung einigen Medien-Vertretern einen regelrechten Schock versetzt. Und dass alles friedlich blieb und das Bild der Kundgebung von ganz normalen friedliebenden Menschen, von, teilweise weit angereisten, Paaren und Familien mit Kindern dominiert war und nicht etwa, wie von einigen Medien und politischen Gegnern herbeigesehnt, von Querfront, AfD & Co., machte es für sie offenbar noch unerträglicher. Anders kann ich mir den Versuch, die Veranstaltung kleinzuschreiben, nicht erklären.“
Die Medien hätten im Vorfeld versucht, Menschen von der Teilnahme an der Veranstaltung abzuhalten und die Demonstration als „massenhafte Mobilisierung von Rechten zur Kundgebung“ zu framen. Das sei nicht gelungen. King fordert daher eine „Debatte über die Diskussionskultur in Deutschland“.
Friedensdemo in München
Die Friedensdemo von „München steht auf“ am Samstag, 18. Februar, fand in den Mainstream-Medien nur wenig Berücksichtigung. In den meisten Publikationen war unter Berufung auf die Polizei von 10.000 Teilnehmern die Rede. Inoffiziell sprachen Beamte vor Ort aber von bis zu 35.000 Menschen, die sich am Zug durch Schwabing beteiligten. Mindestens ein YouTuber filmte den kompletten Protestzug, der seinen Angaben zufolge 48 Minuten lang war.
Über die prominenten Redner zum Auftakt der Kundgebung verlor praktisch kein Medium ein Wort. Eine sehr eindringliche Rede hielt beispielsweise der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer. Der 82-Jährige lebte als Kind während des Zweiten Weltkriegs im hessischen Hanau, weil seine Eltern es dort für einigermaßen sicher hielten. Als noch nicht einmal Viereinhalbjähriger erlebte er die Bombardierung und völlige Zerstörung der Stadt durch 230 englische Bomber. Todenhöfer berichtete von seinen Erinnerungen, die er mit einer Mahnung an die derzeitigen Ereignisse verband.
Mancher lokalen Zeitung war die Veranstaltung, die auf dem Königsplatz begann und endete, lediglich wenige Zeilen wert. Insgesamt hielten sich die Medien in ihrer Berichterstattung sehr zurück, die an diesem Tag immerhin die größte in der bayerischen Landeshauptstadt bildete. Welche politische Haltung die Teilnehmer einnahmen, war praktisch nicht zu erkennen. Dennoch gab es eine Zuordnung zu rechtem oder linkem Lager. Auf diese Berichterstattung angesprochen, sagte ein Polizeibeamter, er habe weder Rechte noch Linke im Verlauf der Demo gesehen.
Demonstration für Frieden in Ramstein
„Stoppt den Krieg“, „No to NATO“, „Frieden bedeutet Entwicklung“ oder „Frieden mit Russland“ – die Forderungen der Teilnehmer an der Friedensdemo in Ramstein am Sonntag, 26. Februar, waren eindeutig: „Peace First“ – Frieden zuerst, bevor der Krieg zwischen Russland und der Ukraine die ganze Welt in den Abgrund zieht.
Wie meistens gehen die Angaben zu den Teilnehmerzahlen auseinander. Während beispielsweise der „Saarländische Rundfunk“ (SR) sich auf die Polizeiangaben stützt und von 2.500 Menschen berichtet, lauteten die Schätzungen vor Ort bis etwa 4.500. Nach einer guten Stunde mit Reden und Liedern ging es quer durch das Örtchen zum Eingang der Air Base, dem größten Luftwaffenstützpunkt der USA in Europa. Die Polizei berichtete von einer ruhig verlaufenen Demo. Augenzeugen ordneten die Teilnehmer überwiegend der bürgerlichen Mitte zu. Manche lokal angesiedelten Medien hoben neben Friedensinitiativen die Beteiligung von Reichsbürgern „sowie selbst ernannten Querdenkern und Unterstützern des Kreml-Chefs Wladimir Putin“ hervor. Sie beriefen sich dabei auf Aussagen der Polizei.
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