So glaubwürdig und grün sehen sich deutsche Journalisten
Die TU Dortmund hat in der Zeit von März bis Juni Journalisten, Politiker und Mediennutzer für eine Journalismusstudie befragt. Dabei ging es schwerpunktmäßig um Berufsverständnis, Selbstwahrnehmung, aber auch Fremdwahrnehmung von Journalisten in Deutschland.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Vorstellungen dieser Gruppen, was Journalismus grundsätzlich leisten sollte, relativ deckungsgleich sind. In der Beurteilung, inwieweit deutsche Journalisten diesen gerecht werden, weichen die Medienschaffenden selbst, das Publikum und befragte Politiker zum Teil deutlich voneinander ab.
Wer wurde für die Untersuchung befragt?
Zwischen 8. März und 14. Juni hat ein Forschungsteam der TU Dortmund 525 Journalisten befragt – 54 Prozent männlich, 45 Prozent weiblich und ein Prozent, das „divers“ als Geschlecht anführte. Von den Befragten verfügte mit 47 Prozent fast die Hälfte über eine Berufserfahrung von mehr als 20 Jahren.
Etwa 40 Prozent arbeiteten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, 61 Prozent bei einem privatwirtschaftlichen Medium. Weitere fünf Prozent gaben ab, für ein auf sonstige Weise finanziertes Projekt tätig zu sein. Dazu gehören etwa genossenschaftlich organisierte oder durch Crowdfunding, Stiftungen oder Spenden finanzierte Medien. Mehrfachnennungen waren möglich.
Von den befragten Journalisten gaben rund 74 Prozent an, den Journalismus in Deutschland grundsätzlich für glaubwürdig zu halten. Weitere 24 Prozent erklärten, dies sei zumindest teilweise der Fall. Nur etwa drei Prozent gaben an, dieser wäre eher oder vollständig unglaubwürdig. Differenzen auf 100 Prozent ergaben sich durch Rundung.
Journalismus in Deutschland noch grüner als von Journalisten selbst erwartet
Die Frage, ob man Nachrichten in Deutschland meist vertrauen könne, bejahten 82 Prozent. 14 Prozent stimmten der Aussage teilweise und vier Prozent nicht zu. Differenzen zwischen den Einschätzungen deutscher Journalisten bezüglich ihres Berufsstandes und der tatsächlichen Lage zeigten sich bereits bei der Frage nach parteipolitischen Präferenzen.
Während nur 30 Prozent der Journalisten die Einschätzung äußerten, ihre Berufskollegen stünden den Grünen nahe, waren es tatsächlich 41 Prozent, die sich selbst zu der Partei bekannten. Was die Nähe zu SPD (16 Prozent Erwartung und Realität) und CDU (7 Prozent Erwartung, 8 Prozent Realität) anbelangt, lagen eigene Einschätzung und tatsächliches Ergebnis sehr nahe beieinander. Etwas unterschätzt wurde die Nähe zur Linkspartei (1 zu 6 Prozent) und zu keiner Partei (17 zu 23 Prozent).
Trotz der klaren parteipolitischen Präferenz meinten nur wenige der befragten Journalisten, diese führe zu Voreingenommenheit. 27 Prozent gaben an, Journalisten würden „in ihrer Berichterstattung überwiegend die Positionen der Partei übernehmen, der sie am ehesten nahestehen“. Dies sei zum Teil der Fall, vermuteten 34 Prozent. Hingegen hielten 37 Prozent der befragten deutschen Journalisten ihren Berufsstand für über einen Verdacht dieser Art erhaben.
59 Prozent sehen westliche Voreingenommenheit
Bezüglich des Selbstverständnisses erklärten 98 Prozent der befragten Journalisten, dass es in dem Beruf darum gehe, „Meinungen von Fakten klar [zu] trennen“. Demgegenüber glaubten nur 91 Prozent, dass auch ihr Publikum dies erwarte. Eine weitgehende Deckungsgleichheit zwischen Selbstverständnis und Publikumserwartung vermuteten deutsche Journalisten noch bezüglich einiger weiterer Vorstellungen.
„Möglichst neutral und präzise zu informieren“, betonen demnach 92 Prozent der Journalisten und erwarten dies bei 93 Prozent des Publikums. Kritik an Missständen würden 96 Prozent der Journalisten und 96 Prozent der Rezipienten voraussetzen. Die Regierung zu kontrollieren beabsichtigen 81 Prozent der befragten Medienmitarbeiter – und 89 Prozent glauben, dass auch ihr Publikum dies erwarte. Ein ähnliches Verhältnis zeige sich auch bezüglich einer „einfühlsamen Berichterstattung“ (60 zu 59 Prozent).
Hingegen glauben nur 38 Prozent der Journalisten, dass ihr Publikum von ihnen eine Förderung von Toleranz und kultureller Vielfalt erwarte. Leisten wollten dies hingegen 76 Prozent der Befragten. Demgegenüber legten nur 77 Prozent Wert auf Schnelligkeit der Information – während 92 Prozent dies für eine Publikumserwartung hielten.
Auch wollen nur 68 Prozent der Journalisten einen „Dialog mit dem Publikum“ führen und 62 Prozent „normalen Leuten“ eine Chance geben, ihre Standpunkte zu formulieren. Gleichzeitig meinten 81 und 83 Prozent der Befragten, dass das Publikum dies von ihnen erwarte. Selbstkritisch äußerten immerhin 59 Prozent der befragten Journalisten, dass deutsche Medien „die Welt zu sehr aus einer westlichen Perspektive“ beurteilten.
Stützen der Gesellschaft: 84 Prozent der Journalisten mit Demokratie in Deutschland zufrieden
Die befragten Journalisten hielten zu 63 Prozent ihren Einfluss auf die Politik für groß – in der Gegenrichtung sehen dies nur 29 Prozent. Hingegen gehen 19 Prozent der befragten Medienmitarbeiter davon aus, ihr Berufsstand habe großen Einfluss auf die Wirtschaft. Demgegenüber glauben 43 Prozent, die Wirtschaft beeinflusse die Medien in hohem Maße.
Mit der „Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert, alles in allem gesehen zufrieden“ sind 84 Prozent der Journalisten. Mit Blick auf die Institutionen äußern 78 Prozent, den Gerichten und der Justiz zu vertrauen, 60 Prozent bejahten dies mit Blick auf die Medien.
Hingegen vertrauten unter den Journalisten nur 33 Prozent der Bundesregierung – während sich der Anteil der Sympathisanten der Ampelparteien auf zusammen 60 Prozent summiert. Das Vertrauen in politische Parteien ist mit 12 Prozent auch unter Journalisten generell gering.
Fast die Hälfte sagt: „Journalismus in Deutschland ist schlechter geworden“
Während 74 Prozent der Journalisten den Journalismus in Deutschland für glaubwürdig halten, ist dies nur bei 53 Prozent des Publikums der Fall. Dies zeigt die Nutzerbefragung im Rahmen der Journalismusstudie. Für diese wertete die TU Dortmund 1.018 Antworten von Personen aus, die diese zwischen dem 1. und 14. März 2024 übermittelt hatten.
57 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass man „dem Großteil der Nachrichten in Deutschland meist vertrauen“ kann. Nur teilweise war dies bei 26 Prozent der Fall, weitere 17 Prozent stimmten dem nicht zu. 48 Prozent der Mediennutzer sind überzeugt, Journalismus in Deutschland sei in den vergangenen Jahren schlechter geworden, nur zehn Prozent sahen eine Verbesserung.
Während 93 Prozent der Befragten von Journalisten eine möglichst neutrale und präzise Information erwarteten, glaubten nur 49 Prozent, dass dies auch den Journalisten selbst wichtig sei. Ähnliche Diskrepanzen ergaben sich auch in weiteren Erwartungen. Dass der Journalismus in Deutschland Meinungen klar von Fakten trenne, hielten 94 Prozent der Leser für wichtig. Allerdings trauen nur 45 Prozent den Journalisten zu, dazu bereit zu sein.
Nutzer sehen persönliche Ambitionen als Antrieb bei Journalisten
Grundsätzlich gehen Medienkonsumenten auch in einer Vielzahl weiterer Bereichen davon aus, dass Journalisten nicht in ihrem Interesse arbeiteten. So sei dies beim Aufdecken von Missständen der Fall (89 zu 71 Prozent), ferner etwa bei der Transparenz hinsichtlich der eigenen Arbeitsweise (87 zu 36 Prozent), beim Beitragen zur Bildung des Publikums (84 zu 51), Beitragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt (73 zu 39 Prozent) oder dabei, „‚normalen‘ Leuten eine Chance geben, ihre Meinung über Themen von öffentlichem Interesse zum Ausdruck zu bringen“ (69 zu 37 Prozent).
Bei der Förderung kultureller Vielfalt und Toleranz erklären 72 Prozent der Medienkonsumenten, ihnen sei dies wichtig. Hingegen trauten Gleiches nur 57 Prozent den Journalisten zu. Gleichzeitig gibt es Bereiche, in denen das Publikum den Medienschaffenden zutraut, einen ungleich größeren Wert auf bestimmte Verhaltensweisen zu legen als die Leser selbst.
Diesbezüglich genannt wurde etwa „eigene Emotionen in die Berichterstattung einfließen zu lassen“. Darauf legten nur elf Prozent der Nutzer Wert, hingegen glaubten 44 Prozent, den Journalisten komme es darauf an. Diese selbst erklärten in der Journalistenbefragung nur zu vier Prozent, dass sie dies beabsichtigten.
59 Prozent des Publikums erklärten, Journalisten wollten „die politische Tagesordnung beeinflussen“. Weitere 47 Prozent sind überzeugt davon, dass deutsche Journalisten dem Publikum eigene Meinungen präsentieren wollten. Gar 53 Prozent sinnten ihnen zu, Fakten überzubetonen, die diese stützten. 28 Prozent erklärten, deutsche Medien legten Wert darauf, die Regierungspolitik zu unterstützen.
Politiker noch kritischer gegenüber deutschem Journalismus als das Publikum
In einem weiteren Durchgang befragten Forscher der TU Dortmund auch 668 Politiker in Bund, Ländern und Kommunen über deren Wahrnehmung von Journalismus und Medien. Von diesen hielten gar nur 48 Prozent deutsche Medien für glaubwürdig. Weitere 35 Prozent erklärten, dies sei teilweise der Fall, 17 Prozent hielten sie für nicht glaubwürdig.
Auffällig ist auch, dass Politiker die Arbeit deutscher Medien und das Selbstverständnis von Journalisten tendenziell noch kritischer sehen als das allgemeine Publikum. Nur 32 Prozent der Befragten sinnten diesen zu, Meinungen und Fakten klar trennen zu wollen. Dass sie möglichst neutral und präzise informieren wollen, glaubten nur 36 Prozent. Nur 26 Prozent der Politiker attestierten Journalisten den Willen zur Transparenz über die journalistischen Arbeitsweisen. Dass Journalisten darauf Wert legen, zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen, erklärten nur 33 Prozent der Politiker. Nur jeweils 30 Prozent sahen sie als daran interessiert an, einfühlsam zu berichten oder einfachen Menschen eine Stimme zu geben.
Demgegenüber sehen 73 Prozent die Reichweite als vordringliches Ziel von Journalisten an. Jeweils 75 Prozent der Politiker sehen bei deutschen Medienschaffenden den Wunsch, Informationen auszuwählen und die politische Agenda beeinflussen zu wollen. 62 Prozent erklärten, Journalisten wollten dem Publikum eigene Meinungen präsentieren. 65 Prozent sehen deutschen Journalismus vorwiegend Fakten liefern, die eigene Meinungen stützten. Weitere 51 Prozent erklären, redaktionelle Mitarbeiter deutscher Medien ließen sich von persönlichen Emotionen leiten – und diese in die Berichterstattung einfließen.
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