Skandal um Gefährder Anis A.: Vier Jahre Haft in Italien, direkte Kontakte zu IS, Waffenbesitz – Doch konnte er nicht abgeschoben werden
Zwei Tage vor Weihnachten läuft die Fahndung nach dem Attentäter von Berlin in Deutschland und Europa weiter auf Hochtouren. Die Ermittler konzentrierten sich nach wie vor auf den als „Gefährder“ eingestuften Tunesier Anis Amri, für den die Bundesanwaltschaft am Mittwoch einen Fahndungsaufruf veröffentlichte. Sie bat um Hinweise aus der Bevölkerung und setzte eine Belohnung von bis zu 100.000 Euro aus. Zugleich wurde gewarnt, der 24-Jährige „könnte gewalttätig und bewaffnet sein“.
Amri saß vier Jahre in Italien im Gefängnis
Bevor Amri im Juli 2015 nach Deutschland kam, verbrachte er italienischen Medienberichten zufolge vier Jahre in Italien. Er sei 2011 als Flüchtling nach Italien gekommen und in einem Auffanglager für Minderjährige auf Sizilien untergebracht worden, berichtet die Nachrichtenagentur Ansa. In dem Lager habe er Sachbeschädigungen und „diverse Straftaten“ begangen. Laut „La Stampa“ soll er das Auffanglager angezündet haben.
Die Zeitung „Die Welt“ berichtete unter Berufung auf italienische Regierungsquellen, Amri sei 2011 im Ort Belpasso nahe der sizilianischen Hauptstadt Catania verhaftet worden. Seine Strafe verbüßte er demnach in Haftanstalten in Catania und Palermo. Im Mai 2015 sei er in Abschiebehaft in die zentralitalienische Stadt Caltanissetta verlegt worden. Wenige Wochen später sei er entlassen worden und konnte aber nicht abgeschoben werden. Amri habe sich dann nach Deutschland abgesetzt.
Amri kommunizierte mit IS und recherchierte zum Bau von Sprengsätzen
Anis Amri, soll sich im Internet über den Bau von Sprengsätzen informiert und direkten Kontakt zum IS gehabt haben. Das berichtet die „New York Times“ unter Berufung auf Aussagen nicht näher genannter amerikanischer Offizieller. Unklar blieb zunächst, auf welchen Zeitraum sich diese Angaben beziehen. Dem Bericht zufolge stand Amri mindestens einmal über den Messengerdienst Telegram in Kontakt zum IS. Sein Name habe zudem auf der Flugverbots-Liste der USA gestanden.
Er wollte sich automatische Waffen beschaffen
Die deutschen Behörden gingen in den vergangenen Monaten deutlichen Hinweisen auf die Gefährlichkeit des Mannes nach. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger (SPD) bestand der Verdacht auf die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“. Die Ermittlungen wurden daraufhin in Berlin vom dortigen Generalstaatsanwalt geführt.
Laut Generalstaatsanwaltschaft wurde Amri von März bis September observiert. Es habe Informationen gegeben, dass er sich automatische Waffen beschaffen wollte – „möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen“, erklärte die Justizbehörde. Der Verdacht habe sich aber letztlich nicht erhärtet, so dass „keine Grundlage“ für weitere Überwachungsmaßnahmen mehr bestanden habe.
Er konnte nicht abgeschoben werden
Amris Asylantrag wurde in diesem Sommer abgelehnt. Jäger zufolge konnte er aber nicht abgeschoben werden, „weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte“ und Tunesien zunächst bestritt, dass er Bürger des Landes sei. Die Abschiebung sei letztlich wegen fehlender Passersatzdokumente aus Tunesien gescheitert. Die tunesischen Behörden hätten diese nun am Mittwoch überstellt, fügte Jäger hinzu.
Tunesische Anti-Terror-Ermittler befragten derweil die Familie des Gesuchten in dessen Heimat, wie AFP aus Sicherheitskreisen in Tunesien erfuhr. Die Eltern leben in der Stadt Oueslatia. Amri war demnach in Tunesien mehrfach wegen Drogendelikten festgenommen worden. 2011 sei er von Tunesien nach Italien gelangt.
Seine Geschwister äußerten Zweifel, dass er für den Anschlag verantwortlich sei. „Als ich das Foto meines Bruders in den Medien gesehen habe, habe ich meinen Augen nicht getraut“, sagte der Bruder Abdelkader Amri in Tunesien AFP. „Ich kann nicht glauben, das er das Verbrechen begangen hat.“ Sollte sich wider Erwarten doch herausstellen, dass sein Bruder für den Anschlag verantwortlich sei, verdiene er „jede Strafe“, fügte er hinzu.
Bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche nahe dem Kurfürstendamm wurden am Montag zwölf Menschen getötet. Fast 50 weitere Menschen wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich und erklärte, die Tat sei von einem ihrer „Soldaten“ begangen worden. (afp/dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion