„Situation vor Ort vergiftet“: Anhörung zu LNG-Terminal vor Rügen
Der Widerstand gegen das von der Bundesregierung geplante LNG-Terminal vor Rügens Küste ist groß. Das zeigen auch die knapp 95.000 Unterstützer, die innerhalb von vier Wochen eine Petition unterzeichneten, die sich explizit gegen das vor der Küste Rügens geplant Flüssiggas-Terminal und seine Aufnahme in das LNG-Beschleunigungsgesetz richtet.
Damit war das Quorum für eine Anhörung im Petitionsausschuss im Bundestag erreicht. Dort erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen), am 8. Mai jedoch, dass auf das beschleunigte Verfahren nicht verzichtet werden könne, „wenn man das Ziel hat, im Winter tatsächlich im Ostseeraum auch Gas zur Verfügung stellen zu wollen“.
Für den Petenten Marvin Müller sei der Verzicht darauf jedoch unbedingt notwendig. Er kritisiert die Pläne der Bundesregierung und des Unternehmens RWE, direkt vor der Küste Rügens – in direkter Nachbarschaft zum Biosphärenreservat Südost-Rügen – das größte Offshore LNG-Terminal Europas entstehen zu lassen. Müller ist Mitglied der Gemeindevertretung des Ostseebades Binz.
Petent: Situation vor Ort „vergiftet“
Seine Ablehnung und die der vielen Unterzeichner begründet er damit, dass die Verlegung einer weiteren über 38 Kilometer langen Pipeline durch den Greifswalder Bodden sowie mit der Errichtung und dem Betrieb der beiden geplanten Offshore LNG-Terminals erhebliche Störungen und massive Eingriffe in eines der sensibelsten Öko- und Tourismussysteme Europas verbunden wären.
Das Projekt werde in seinen Augen eine dauerhafte Beschädigung des Ökosystems und der Lebensgrundlagen der Menschen auf Rügen zur Folge haben. „Die Belastungen wären gewaltig und vordringlich gegen die Verpflichtungen von Umwelt- und Naturschutz gerichtet.“
Während der öffentlichen Petitionsausschusssitzung erklärte er, dass die Situation vor Ort sehr angespannt sei. Durch das Vorgehen der Bundesregierung, bei dem die Menschen vor Ort nicht berücksichtigt worden seien, sei sehr viel Porzellan zerschlagen worden.
Mittlerweile sei aufgrund fehlender Einbindung der Einwohner von Rügen und den Gemeinden die Situation vor Ort zu diesem Thema „vergiftet“. Es würden regelmäßig Kundgebungen gegen die Errichtung von LNG-Terminals stattfinden.
„Wir brauchen mehr Zeit“
„Wir brauchen mehr Zeit, um gemeinsam zu einer Abwägung zu gelangen“, sagte der Petent. Bei allem, was künftig geplant oder umgesetzt wird, müsse Rügen mit am Tisch sitzen, forderte er. Die Menschen auf Rügen seien offen für die benötigte Transformation.
Verkürze man aber bei Genehmigungsverfahren Fristen, „werden auch die Fristen für eine gesellschaftliche Debatte abgesenkt“. Bei der Beschleunigung dürften die Menschen nicht abgehängt werden, sondern müssten mitgenommen werden, betont der Kommunalpolitiker von Binz.
„Die Frage, ob es diese Terminals für die Energieversorgung tatsächlich braucht, oder es nur um Überkapazitäten geht, bewegt die Menschen auf der Insel“, so Müller. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass man in einer derart sensiblen Region ein derartiges Projekt umsetzen wolle, „obwohl es keinen Beleg für eine Gasmangellage gibt“.
„Wir können sogar die Ostukraine versorgen“
Staatssekretär Wenzel hält dagegen, dass Deutschland allein mit den Terminals in der Nordsee die Gas-Versorgung der östlichen Bundesländer nicht gewährleisten könne. Er bringt auch die spätere Nutzung der Terminals für die Wasserstoffversorgung ins Spiel.
Zudem wendet er ein, dass noch fünf europäische Länder ohne eigene Häfen im Zweifelsfall ebenso über die Terminals an der Küste versorgt werden müssten. „Wir können über die Leitung sogar den Osten der Ukraine versorgen“, sagte Wenzel. Es gehe darum, die Versorgungssicherheit des Landes sicherzustellen, „und sich nicht erpressbar zu machen“.
Gleichzeitig sei es Ziel der Bundesregierung, zu verhindern, dass andere europäische Länder von Russland unter Druck gesetzt werden, die teilweise noch erhebliche Mengen Gas aus Russland beziehen.
Eine im Raum stehende Überkapazität, die die Bundesregierung über die Terminals erreichen wolle, weist er von sich. Das wolle die Bundesregierung nicht, so der Staatssekretär. Man wolle nur die nötige Sicherheit für Fälle schaffen, in denen gezielt Infrastrukturen angegriffen und zerstört würden. „Wir haben daher einen Sicherheitspuffer eingeplant“, sagte Wenzel.
Staatssekretär: Sieben oder acht Standorte stehen zur Auswahl
Die Bundesregierung prüfe alle möglichen Alternativen für den Standort der Terminals im Ostseeraum, betonte er. Dabei seien sieben oder acht Standorte in der Auswahl. Die Sorgen und Bedenken der Anwohner würden dabei sehr ernst genommen. Nicht mehr vorgeschlagen werde der Standort Sellin. Konkreter wurde der Staatssekretär trotzt mehrfacher Nachfrage bei den Standorten, die in der engeren Auswahl stehen, nicht.
Skeptisch äußerte er sich zu Offshore-Anlagen weit vor der Küste, mit denen es in Europa noch keine Erfahrungen gebe und die daher nicht prioritär betrachtet würden. „Wir wollen am Ende mit der Landesregierung zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen“, sagte der Regierungsvertreter.
Ob das feste Terminal vor Rügen zum Winter bereit sein wird, vermochte Wenzel nicht zu sagen. „Wir hätten uns eine Entscheidung vor Ostern erhofft“, sagte er. Nun komme man in eine „zeitliche Verdrückung“. Aber auch wenn das Terminal erst im Verlaufe des Winters fertig werde, „würde das sehr helfen“.
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