Sicherheitslage in Deutschland spitzt sich zu: Neuer Bericht zeigt steigende Extremismusfälle

Die Sicherheitslage in Deutschland ist laut Innenministerin Nancy Faeser sowohl durch externe als auch interne Bedrohungen angespannt. Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem ist weiterhin in der Prüfung. Erstmals hat der Verfassungsschutz die Klimaschutzgruppe Ende Gelände als linksextremistischen Verdachtsfall klassifiziert.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, stellen den Verfassungsschutzbericht vor.
Zusammen mit Verfassungsschutzpräsident Haldenwang stellte Bundesinnenministerin Faeser gestern den Verfassungsschutzbericht vor.Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Von 19. Juni 2024

Gestern stellten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Thomas Haldenwang den aktuellen Verfassungsschutzbericht vor der Presse vor. Auf gut 400 Seiten malen die Verfassungsschützer ein düsteres Bild: Die Sicherheitslage in Deutschland bleibt angespannt. Deutschlands Demokratie stehe unter „erheblichem Druck“, machte die Ministerin gleich zu Beginn der Pressekonferenz deutlich. 2023 habe sich die ohnehin schon angespannte Sicherheitslage verschärft.

Die Zahl der extremistischen Straftaten in Deutschland erreichte im Jahr 2023 mit insgesamt 39.433 Fällen einen neuen Höchststand, was ein Anstieg von etwa 11 Prozent gegenüber 35.452 Delikten aus dem Vorjahr ist. Die Anzahl der Gewalttaten ist hingegen leicht auf 2.761 (2022: 2.847) zurückgegangen. 

An den Anfang ihrer Ausführungen stellte Bundesinnenministerin Faeser vor der Bundespressekonferenz allerdings nicht die inländische Gefahrenlage, sondern die Aktivitäten ausländischer Staaten. Die Bedrohung Deutschlands durch Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyberangriffe habe eine neue Dimension erreicht, so Faeser. An erster Stelle nannte die Ministerin hier hybride Angriffe durch Russland. So stünden im Moment auch deutsche Parteien in dem Fokus russischer Cyberangriffe. Ein Angriff auf die SPD habe dem russischen Militärgeheimdienst GRU zugeordnet werden können. 

Die SPD hatte im Juni 2023 bekannt gegeben, dass E-Mail-Konten des SPD-Parteivorstands bereits im Januar Ziel eines Cyberangriffs geworden sind. Möglich geworden sei das durch eine zum Zeitpunkt des Angriffs noch unbekannte Sicherheitslücke beim Softwarekonzern Microsoft, hieß es damals aus der SPD – und: „Es ist nicht auszuschließen, dass es zu einem Abfluss von Daten aus vereinzelten E-Mail-Postfächern kam.“

Aber auch China und der Iran setzten ihre Geheimdienste verstärkt in Deutschland ein, so die Innenministerin. Faeser kündigte deshalb an, dass sie sich für eine Erweiterung der Befugnisse des Bundeskriminalamtes bei Cyberangriffen einsetzen wolle. 

Gefahr durch Islamismus in Deutschland hoch

Eine weitere Bedrohung der Sicherheit ist laut der Bundesinnenministerin durch den Überfall der Hamas auf Israel im Oktober des vergangenen Jahres entstanden. Die Zahl antisemitischer Straftaten habe daraufhin in Deutschland sprunghaft zugenommen. Der Bericht enthält erstmals ein phänomenübergreifendes Sonderkapitel zu den Auswirkungen des Nahostkonflikts und zum Antisemitismus. Ebenfalls sei die Bedrohung durch die islamistische Szene dadurch gewachsen. „Wir bleiben im Kampf gegen den Islamismus äußerst wachsam“, betonte Faeser. 

Besonders von Einzeltätern und Kleinstgruppen gehe eine hohe Gefahr aus. Faeser nannte als Beispiel den islamistischen Messerangriff von Mannheim. 

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang ergänzte die Ausführungen der Ministerin, indem er betonte, dass auch Szenarien wie der jihadistische Großanschlag in Moskau in Deutschland denkbar seien. 

Im März hatten bewaffnete Angreifer in Tarnkleidung in der Konzert- und Veranstaltungshalle Crocus City Hall in Moskau um sich geschossen. Dabei kamen 133 Menschen ums Leben. 

Besonders der afghanische IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Khorasan stehe dabei im Fokus. Aber auch der IS insgesamt sowie al-Qaida hätten die Ereignisse im Nahen Osten zum Anlass genommen, zum Dschihad aufzurufen. Insgesamt ist das Personenpotenzial im Bereich Islamismus und islamistischer Terrorismus laut Haldenwang mit etwa 27.200 Personen annähernd gleich geblieben (2022: 27.480).

Zahl der Rechts- und Linksextremisten gestiegen

In den Bereichen Rechts- und Linksextremismus habe 2023 das Personenpotenzial allerdings zugenommen. Die Zahl der dem Rechtsextremismus zugeordneten Personen sei im vergangenen Jahr von 38.800 in 2022 auf 40.600 angewachsen. Leicht angestiegen ist laut Bericht des Verfassungsschutzes auch der Anteil gewaltorientierter Rechtsextremisten. Waren es 2022 noch 14.000 Personen, geht das Bundesamt nun für 2023 von 14.500 Personen aus. 

Im Jahr 2023 sei zudem die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund um fast ein Viertel auf rund 29.000 angestiegen, so Haldenwang. Besonders beunruhigt zeigte er sich vom Anstieg der Gewalttaten um 13 Prozent auf 1.148 Fälle (2022: 1.016). In 1.016 Fällen habe es sich um Körperverletzungsdelikte gehandelt. Zudem seien vier Fälle von versuchter Tötung gezählt worden.

AfD-Einstufung als gesichert rechtsextrem steht nicht unmittelbar bevor

Weiter nannte Haldenwang auf der Pressekonferenz den Verlag Antaios in Schnellroda (Sachsen-Anhalt). Das Unternehmen des Verlegers Götz Kubitschek würde seit Anfang des Monats vom Bundesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ geführt. Das erlaube seiner Behörde nun eine weitergehende Beobachtung. Seit April letzten Jahres war schon Kubitscheks ebenfalls in Schnellroda ansässiger Thinktank Institut für Staatspolitik als gesichert rechtsextrem eingestuft worden. Im Mai 2024 gab Götz Kubitschek die Auflösung von Verein und Thinktank bekannt.

Gleichzeitig wies der Verfassungsschutzpräsident gestern Medienberichte zurück, wonach eine Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem unmittelbar bevorstehe. Sein Amt sei rechtlich dazu verpflichtet, die Einstufung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall, die kürzlich vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt wurde, regelmäßig zu überprüfen, so Haldenwang. Diese Überprüfung finde derzeit statt, doch müsse man dafür die schriftliche Begründung des Urteils aus Münster abwarten, die noch ausstehe. 

Es sei grundsätzlich möglich, dass der Verfassungsschutz zu dem Ergebnis komme, dass sich der Verdacht gegen die AfD nicht bestätige. Das hält Haldenwang jedoch, so seine Aussage gestern, für unwahrscheinlich. Neben einer Fortführung der Verdachtsbeobachtung sei auch eine Hochstufung zur gesichert extremistischen Bestrebung denkbar.

Klimaaktivisten erstmals Verdachtsfall

Im Jahr 2023 ist die Zahl der Personen, die dem linksextremistischen Spektrum zugeordnet werden, um 500 auf insgesamt 37.000 angestiegen. Laut Verfassungsschutz gilt mehr als ein Viertel dieser Personen als gewaltorientiert. Besorgniserregend ist laut Haldenwang der Anstieg der linksextremistisch motivierten Gewalttaten um 20,8 Prozent auf 727 Delikte (2022: 602). Die Gesamtzahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg um 10,4 Prozent auf 4.248.

Haldenwang gab zudem bekannt, dass die Klimaaktivistengruppe Ende Gelände erstmals als linksextremistischer Verdachtsfall eingestuft und beobachtet wird. 

Das Bündnis, das vorwiegend durch Proteste gegen den Kohlebergbau in Erscheinung getreten war, habe seine Aktionsformen zunehmend „bis hin zur Sabotage“ verschärft. Grundsatzpapiere der Gruppe ließen „deutlich eine Radikalisierung im Hinblick auf die vorherrschenden ideologischen Positionen“ erkennen, so Haldenwang.

Innenministerin Faeser riet den politischen Jugendorganisationen der Grünen, der SPD und anderen Parteien daraufhin, die Zusammenarbeit mit dieser Gruppierung zu beenden.

Insgesamt wurden im Jahr 2023 39.433 Straftaten mit extremistischem Hintergrund registriert, ein Anstieg von fast 4.000 Fällen gegenüber dem Vorjahr (2022: 35.452). Dabei handelte es sich in 2.761 Fällen um Gewalttaten (2022: 2.847), womit ein neuer Höchststand erreicht wurde, so der Verfassungsschutz.



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