„Sichere Häfen. Leinen los“ – 60 Kommunen nehmen freiwillig noch mehr Migranten

Es sei beschämend, dass man dem Sterben im Mittelmeer tatenlos zu sehen würde. Besonders für Berliner sei es "nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern eine Pflicht" zu helfen, so Schirmherr Michael Müller (SPD) auf dem Berliner Kongress, der am 13. und 14. Juni stattfand.
Titelbild
Migranten-Boot vor der griechischen KüsteFoto: ARIS MESSINIS/Getty Images
Epoch Times15. Juni 2019

Als im Sommer 2018 das zivile Rettungsschiff „Lifeline“ für eine Woche mit 234 Menschen vor der europäischen Mittelmeerküste gelegen hatte, gründete sich die Initiative „Seebrücke – schafft Sichere Häfen“. Denn obwohl mehrere europäische Länder und Städte ihre Bereitschaft erklärt hatten, die aus der Seenot geretteten Menschen aufzunehmen, durfte das Schiff nicht in den italienischen Hafen einlaufen.

Mit ihrer Initiative setzt sich die „Seebrücke“ dafür ein, „dass Menschen, die fliehen mussten, einen Ort zum Ankommen finden – einen Sicheren Hafen“. Dazu fand am 13. und 14. Juni ein Kongress unter dem Motto „Sichere Häfen. Leinen los für kommunale Aufnahme“ statt.

Schirmherr des Kongresses war Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er forderte laut „Tagesspiegel“, es müsse „sich etwas ändern, es geht so nicht mehr“. Es sei beschämend, dass man dem Sterben im Mittelmeer tatenlos zusehen würde. Besonders für Berliner sei es „nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern eine Pflicht“ zu helfen. Schließlich hätten zu Kriegszeiten Piloten der Luftbrücke ihr Leben für sie eingesetzt.

So wie Berlin setzten weitere 59 Kommunen auf dem Kongress ein Zeichen für einen Wandel in der Migrantenpolitik. Die Initiative „Seebrücke“ fordert laut ihrer Internetseite, dass sich die Kommunen bereit erklären,

aus Seenot gerettete Menschen, beispielsweise von einem zivilen Seenotrettungsboot, ähnlich eines Relocation-Programms, direkt aufzunehmen und unterzubringen. Diese Aufnahme geschieht zusätzlich zur Verteilungsquote Asylsuchender. Hierzu wird ein Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Inneres und Sport, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem (zuständigen) Bundesamt hergestellt.“

Die beteiligten Kommunen sollen darüber hinaus die Regierung des zuständigen Bundeslandes auffordern, „ein eigenständiges humanitäres Aufnahmeprogramm für Flüchtende gemäß § 23 Abs 1 AufenthG einzuführen und damit Flüchtenden die legale Einreise nach Deutschland und einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen“. Zudem würden „dauerhaft und verlässlich erheblich höhere Aufnahmequoten als bisher“ vereinbart werden.

Nur so kann Deutschland seiner Verantwortung nachkommen, Menschen die Flucht auf gefährlichen, illegalisierten Wegen (zu) ersparen“, heißt es in der Forderung der Seebrücke.

Bundesnorm abschaffen und Gesetzeslücken nutzen

Dafür ist eine gesetzliche Änderung in § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) notwendig. Der Passus „Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Inneren“ soll gestrichen werden. Damit würde die Zustimmungserfordernis des Bundes für eine Aufnahme der Migranten entfallen. Diese soll durch die „Einführung einer eigenständigen Norm“ ersetzt werden.

Mit ihrer Bereitschaft sorgen die Kommunen für ein „langfristiges Ankommen, indem alle notwendigen Ressourcen für eine menschwürdige Versorgung, insbesondere in den Bereichen Wohnen, medizinische Versorgung und Bildung, zur Verfügung“ gestellt werden.

Darüber hinaus sollen sich die beteiligten Kommunen an einem europäischen Bündnis zur „aktiven Gestaltung einer menschenrechtskonformen europäischen Migrationspolitik beteiligen“.

Das Bündnis samt Forderungen wurde am Freitag laut „Merkur“ durch die Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg (Grüne), Michel Brand (Linke) und Hilde Mattheis (SPD) unterstützt.

Die Juristen Helene Heuse arbeitet an der Refugee Law Clinic der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg im Forschungsprojekt „Städte der Zuflucht“. Sie betonte auf dem Kongress, dass die Städte bereits jetzt viele Möglichkeiten hätte, eigenständig zu handeln, weil die juristische Lage so unklar sei. So könnten offensichtliche Lücken im internationalen Flüchtlingsschutz gefüllt werden, heißt es im „Tagesspiegel“.

Zudem könnten die Kommunen nur aufnehmen, wem die nationale Regierung zuvor ein Visum erteilt habe. Tatsächlich könnten die Kommunen aber zusätzliche Plätze anbieten, ihre Bereitschaft zur Aufnahme bestimmter Gruppen oder auch Einzelpersonen erklären und die Visa-Kosten übernehmen.

Teilnehmende Kommunen

Sichere Häfen in Deutschland. Foto: screenshot seebruecke.org

Sichere Häfen in Deutschland. Foto: screenshot seebruecke.org

Baden-Württemberg: Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz, Reutlingen, Rottenburg, Tübingen

Bayern: Aschaffenburg, Erlangen, Regensburg

Berlin

Brandenburg: Potsdam

Bremen

Hamburg

Hessen: Kassel, Marburg, Wiesbaden

Mecklenburg-Vorpommern: Greifswald, Neubrandenburg, Rostock

Niedersachsen: Braunschweig, Cloppenburg, Cuxhaven, Region Hannover, Hildesheim, Landkreis Hildesheim, Nordhorn, Oldenburg, Osnabrück, Thedinghausen

Nordrhein-Westfalen: Arnsberg, Bad Lippspringe, Bielefeld, Blomberg, Bonn, Brilon, Detmold, Dortmund, Düsseldorf, Kempen, Köln, Krefeld, Meschede, Olsberg, Solingen, Viersen (Kreis Viersen), Wetter (Ruhr)

Rheinland-Pfalz: Mainz, Trier

Sachsen: Leipzig

Sachsen-Anhalt: Halle (Saale)

Schleswig-Holstein: Flensburg, Kiel, Kreis Nordfriesland, Lübeck, Plön (Kreis), Schleswig-Flensburg, Sylt

Thüringen: Jena

(sua)



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