„Sichere Häfen“ am Limit – von überlasteten Städten und menschenunwürdigen Asylunterkünften
Mangelnde Planung, Wohnraumknappheit, unterfinanzierte Kommunen. Vielerorts haben Gemeinden und Städte, die sich vor fünf Jahren als sogenannte „Sichere Häfen“ für die Aufnahme von Migranten positioniert haben, ihre Kapazitäten erreicht. Solidaritätsbekundungen mit Asylbewerbern sind nun weitestgehend verhallt – im Gegenteil: Obergrenzen für aufzunehmende Migranten werden gefordert.
Wie die „Welt“ berichtete, kommen vor allem größere Städte an ihre Grenze. „Wir sehen eine Überforderung bei der Finanzierung“, sagte Miriam Koch, Beigeordnete für Kultur und Integration in Düsseldorf. Sie war im Jahr 2019 eine Protagonistin des Bündnisses „Städte Sichere Häfen“ und setzte sich dafür ein, freiwillig mehr Migranten aufzunehmen. In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ erklärte sie im Januar 2020: „Wenn man auf die Zahl der infrage kommenden Flüchtlinge schaut: Das sind alles Mengen, die sich bewältigen lassen. Und wir brauchen Zuwanderung.“
Nun, vier Jahre später, steht die Landeshauptstadt laut Koch unter Druck. Von Februar bis August 2022 kamen 10.000 Ukrainer. Das sind genauso viele Migranten wie in den Jahren 2015 und 2016 aus allen Ländern zusammen. Etwa 850 Euro zahle die Stadt pro Kopf für die Unterbringung, nur rund ein Drittel davon kämen von Bund und Land zurück.
„Auch heute würden wir aus Seenot Gerettete zusätzlich aufnehmen“ – nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch aufgrund des Fachkräftemangels, schildert Koch. „Ich würde aber einschränkend sagen, dass die Finanzierung leider immer noch nicht ausreichend geregelt ist.“
Laut Statistischem Bundesamt betrug der Anteil der Ausländer zum Stichtag 31. Dezember 2022 in Düsseldorf 22,3 Prozent (rund 140.000) der etwa 629.000 Einwohner.
Integration? Fehlanzeige
Ähnlich stellt sich die Situation im rund 400 Kilometer entfernten Fürth dar. Seit dem 27. Februar 2019 ist die Stadt in Mittelfranken auf der Website der Organisation Seebruecke als „Sicherer Hafen“ gelistet. Auch hier hat sich die Situation geändert – spätestens mit dem Ukrainekrieg. Im Mai 2023 forderte Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) anlässlich des Flüchtlingsgipfels in Berlin nicht nur mehr Geld, sondern auch eine Begrenzung der Migration. Rund 1.800 Menschen seien vor dem Krieg in der Ukraine geflohen. Hinzu kämen weitere 2.000 Migranten, die in den Jahren 2015/16 in Deutschland eingereist seien und noch immer in Fürth lebten.
Wie Jung gegenüber „BR24“ schilderte, sei der Anteil der integrierten Personen mit eigenem Wohnraum verhältnismäßig gering. „Viele hundert Familien sitzen ganz beengt in Zimmern, obwohl beispielsweise Hausaufgaben zu machen sind, und es kommen jede Woche noch Menschen dazu“, berichtete der Fürther OB. Die Herbergen in Fürth seien mittlerweile voll und das im Ort errichtete Container-Dorf habe die Kapazitätsgrenze erreicht. Provisorische Unterkünfte in Industriegebieten, die aufgebaut würden, könnten keine Lösung sein.
Ausländeranteil in deutschen Städten und Gemeinden
Die interaktive Grafik kann über den Scrollbalken am unteren Bildrand verschoben werden, um weitere Details einzublenden. Vergrößerung durch Doppelklick ein-/ausschalten. Stand 31. Dezember 2022.
Laut Statistischem Bundesamt betrug der Anteil der Ausländer in Fürth Ende Dezember 2022 insgesamt 21,8 Prozent – ungefähr 28.700 – der rund 131.000 Einwohner, während der Anteil in der Nachbarstadt Nürnberg bei 26,1 Prozent der etwa 523.000 Einwohner lag.
In der Metropole Frankfurt am Main mit über 773.000 Einwohnern lag der Ausländeranteil am gleichen Stichtag bei 30,9 Prozent und in Offenbach am Main (Stadt) waren es sogar 39 Prozent von rund 134.000 Einwohnern.
Hohe Arbeitslosenquoten, vor allem im Norden und Ostdeutschland geben Anlass zum Zweifel, dass der Fachkräftemangel durch die eingewanderten Ausländer behoben werden kann.
Anteil der arbeitslosen Ausländer in deutschen Städten und Gemeinden
Die interaktive Grafik kann über den Scrollbalken am unteren Bildrand verschoben werden, um weitere Details einzublenden. Vergrößerung durch Doppelklick ein-/ausschalten. Stand 31. Dezember 2022.
Unzumutbare Zustände in Hermsdorf
Dass es längst nicht mehr um humanitäre Hilfe für gestrandete Migranten seitens der „Sicheren Häfen“ geht, sondern Asylunterkünfte selbst in Schieflage geraten, zeigte ein MDR-Bericht im Dezember 2023 auf. Darin wurde die Lage in einer Unterkunft im thüringischen Hermsdorf geschildert.
„Verschimmeltes Essen, dreckige Klos und Schlägereien: Auf engem Raum sind am Rande von Hermsdorf mehr als 600 geflüchtete Männer in einer Halle untergebracht. Sie warten darauf, dass es weitergeht“, heißt es in dem Bericht, der vorwiegend auf den Schilderungen von Migranten und privaten Fotos beruht.
„Wir wollen endlich richtig ankommen und arbeiten. Wir verschwenden unsere Zeit“, so ein Asylbewerber. Manche seien schon drei Monate dort, andere sogar sieben. Selbst Bewohner, die erst wenige Tage dort seien, wollten sofort wieder raus.
„Auch das Gefängnis ist besser als ein Lager“, erklärte ein weiterer Bewohner. „Wir sind Hunderte da drin, es gibt sechs Waschmaschinen und vier davon sind momentan kaputt“, so ein Vierter. Auch die ärztliche Versorgung schildern die Migranten als problematisch, nicht nur wegen der Sprachbarriere.
Die Zustände in der Halle seien untragbar. Kleine Bereiche seien für acht Menschen abgesteckt, mit kaum Privatsphäre. Mülleimer quellen über, Dreck auf dem Boden verstreut, der Sanitärbereich verschmutzt.
Die Landesverwaltung hingegen nimmt hier die untergebrachten Migranten selbst in die Pflicht, persönliche Abfälle zu beseitigen und Verschmutzung zu vermeiden. „Hermsdorf ist ein Notquartier und wir sind dort immer nur von einer Aufenthaltsdauer von drei bis vier Tagen ausgegangen“, erklärt Frank Roßner, Präsident des Thüringer Landesverwaltungsamtes. Er setzt auf eine neue Unterkunft in Gera, in der bis zu 200 Menschen unterkommen sollen.
Bürgerinitiative fordert menschenwürdige Unterkunft
Im rheinland-pfälzischen Isert, einem 100-Seelen-Dorf, hat sich im November eine Bürgerinitiative gebildet. Hier sollen auf einem Grundstück direkt an der stark befahrenen Bundesstraße 256 in unmittelbarer Nähe einer Funkmastanlage eine Gemeinschaftsunterkunft entstehen. Für über 40 Männer im Alter von 20 bis 40 Jahren ist eine Containeranlage geplant. „Mitten im Nirgendwo“, so beschrieb ein Bürger gegenüber der Epoch Times die Grundstückslage – Geschäfte und medizinische Versorgung sind sieben Kilometer entfernt und nur mit dem Bus erreichbar.
Problematisch sei auch der verhältnismäßig hohe Anteil der Migranten auf die rund 100 Einwohner. Eigentlich erfolgt die Zuweisung nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssels, der gemäß § 45 Asylgesetz die Aufnahmequoten regelt. Der Schlüssel definiert die Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit der Zuteilung der Asylbewerber nach der Leistungsfähigkeit der einzelnen Bundesländer. Er berücksichtigt zu zwei Dritteln die durch die Steuereinnahmen definierte Finanzkraft des Landes und zu einem Drittel die Bevölkerungszahl. Für die Verteilung im Landesinnern sind die Länder verantwortlich.
In Rheinland-Pfalz gibt es – im Gegensatz beispielsweise zu Nordrhein-Westfalen – keine ausreichende gesetzliche Regelung einer Zuteilung auf die Kommunen, kritisiert die Bürgerinitiative. Es werde nach Auskunft der Behörden ausschließlich die Bevölkerungszahl als Zuteilungsschlüssel berücksichtigt. Damit bleibe die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen außen vor. Damit die einheimischen Bewohner die Integration der Asylbewerber jedoch überhaupt bewältigen können, sei die Zumutbarkeit bis auf die Ebene der Ortsgemeinden sicherzustellen, so die Initiative.
Mit einer Petition fordert die Bürgerinitiative Isert nun die Anwendung des Königsteiner Schlüssels bis auf die unterste Ebene – soweit dies die Regelungsbefugnis von Landrat, Kreistag und Verbandsgemeinde übersteige, müsse das auf Landesebene beschlossen werden.
Für die Einwohner Iserts hat gleichzeitig eine menschenwürdige Unterbringung der Migranten oberste Priorität, auch um Unruhen vorzubeugen. Eine Unterbringung an dem geplanten Standort an der B 256 hingegen erfülle nicht einmal die Mindestanforderungen.
Unter Verweis auf die Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften, die vom Bundesfamilienministerium herausgegeben wurden, fordert die Initiative gesunde Wohnraumverhältnisse sowie einen geeigneten Rahmen für geflüchtete Menschen mit Traumata, beispielsweise aus Kriegsgebieten.
Das deutsche Institut für Menschenrechte spreche sich ausdrücklich dafür aus, „Aufnahme- oder Gemeinschaftsorte nicht an Orten ohne vorhandene Infrastruktur einzurichten“, heißt es in einem der Epoch Times vorliegenden Pressemitteilung der Bürgerinitiative Eichelhardt.
„Die mehr als 40 Asylbegehrenden in Isert ohne weitere Betreuung durch Behörden sich selbst zu überlassen, ist unzumutbar und unverantwortlich. Diese Art der menschenunwürdigen Unterbringung birgt zudem ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial, das sowohl für Bewohner als auch Anwohner zu Gefährdungen führen kann.“
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