Showdown im Wahlkampf: Die Migrationsdebatte spaltet die Parteienlandschaft
Die politische Debatte in Deutschland spitzt sich weiter zu – nicht zuletzt, weil der Wahltermin am 23. Februar immer näher rückt. Spätestens seit den Morden von Aschaffenburg ist die Migrationspolitik zum zentralen Thema in der gesellschaftlichen Mitte geworden. Ein getöteter kleiner Junge, ein Vater, der helfen wollte und dabei starb, sowie ein kleines Mädchen, ein Rentner und eine Betreuerin, die schwer verletzt wurden – die erschütternde Bilanz des afghanischen Täters hat viele Menschen im Land zum Nachdenken gebracht.
Das Vorgehen von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz in der Migrationsfrage – entgegen der Taktik der sogenannten „Brandmauer“ gegen die AfD – sorgt für zunehmende Kontroversen in der politischen Spitze und spaltet die Gemüter.
Schon warnt SPD-Generalsekretär Matthias Miersch vor einer schwarz-blauen Koalition und der sorgenvolle Blick vieler Sozialdemokraten, Grünen und Linken dürfte dieser Tage bei einigen europäischen Nachbarn verweilen: Die Niederlande haben eine rechts-konservative Regierung, Belgien steht kurz vor einer rechtspolitischen Regierung, in Italien ist bereits seit dem Jahr 2022 Giorgia Meloni Regierungschefin und in Österreich stehen alle Zeichen auf eine baldige erneute Regierung aus FPÖ und ÖVP, allerdings zum ersten Mal mit einem FPÖ-Kanzler.
„Antifa“ und „Raute gegen Rechts“ – Merkel-Kritik kommt links der Mitte gut an
Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich aus dem politischen Ruhestand zurückgemeldet, um den Kanzlerkandidaten von CDU/CSU bei seiner Entscheidung in der Asyldebatte zu kritisieren – was bei Sozialdemokraten und Grünen Jubel ausgelöst hatte. Der Grünen-EU-Abgeordnete Erik Marquardt twittert: „In Rente, aber trotzdem da, Angela Merkel Antifa!“. Und der SPD-Wahlkampfberater Matthäus Berg lobt Merkels Auftreten als „Raute gegen rechts“.
Ich war selten einer Meinung mit Merkel. Sie hat vieles verschlafen, manches aber auch solide gelöst. Einiges werde ich ihr immer übel nehmen. Aber wenn es drauf ankam, hat sie gezeigt, was christliche Werte und bürgerlicher Anstand bedeuten. pic.twitter.com/nhmj5VGThq
— Mattheus Berg (@MattheusBerg) January 30, 2025
Aiwanger: „Merkel ist die Mutter der AfD“
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) erinnerte an das vom Bundesverfassungsgericht später als eine Verletzung des Rechts auf Chancengleichheit der Parteien gewertete Eingreifen Merkels nach der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsidenten.
Derweil legte Bayerns Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) den Finger tief in die Migrationswunde: „Merkel hat 2015 das Desaster eingeleitet, von dem wir uns bis heute nicht erholt haben, die Ampel hat es die letzten Jahre noch verschärft.“
Doch Aiwanger geht noch weiter: „Merkel ist auch die Mutter der AfD. Immer mehr Wähler gehen deshalb frustriert nach Rechtsaußen.“ Die Folge sei eine Zementierung rot-grüner Regierungsbeteiligungen, „weil es anders keine Mehrheiten gibt“. Aiwanger verwies auf die Ost-Bundesländer, wo die AfD starke Wahlergebnisse zeigte. Aber: „Selbst bei über 30 Prozent AfD regieren dann eben alle anderen inklusive derer, die der Stasi nahe standen“, sagte der FW-Parteichef gegenüber der Mediengruppe Bayern.
Ich kann eine gewisse Schadenfreude nicht verhehlen.
„Ganz Berlin hasst die CDU!“
Nun erntet die CDU das, was sie mit SPD, GRÜNEN und LINKEN gemeinsam gesät hat.pic.twitter.com/RupgSQwCMW
— Georg Pazderski (@Georg_Pazderski) February 3, 2025
Lindner und Habeck mit gegenseitigen Schuldzuweisungen
Während Aiwanger sich zur Geburtsstunde der AfD äußerte, geht der ehemalige Ampelminister und FDP-Chef Christian Lindner auf die vergangenen Jahre ein: „Stagnation, Heizungschaos, Verweigerung bei der Begrenzung von Migration und Bevormundung erwachsener Menschen. Schon mal erwogen, dass grüne Politik die AfD erst groß gemacht hat?“
Stagnation, Heizungschaos, Verweigerung bei der Begrenzung von Migration und Bevormundung erwachsener Menschen. Schon mal erwogen, dass grüne Politik die AfD erst groß gemacht hat? CL https://t.co/GJDelGh90G
— Christian Lindner (@c_lindner) February 1, 2025
Für den Wirtschaftsminister und den Kanzlerkandidaten der Grünen waren es genau Union und FDP, die zweimal mit der AfD abgestimmt hätten. Robert Habeck sagte bei einer Wahlkundgebung am 1. Februar zu Lindners Koalitionsabsage an die Grünen: „Das ist für mich nicht nur ein Sinnbild von Lernunfähigkeit oder trotziger Verweigerung von Lernen, sondern wenn man an dem Tag, wo man zum zweiten Mal mit der AfD, einer rechtsradikalen Partei abgestimmt hat, nicht ein drittes Mal ausschließt, sondern ein Bündnis mit den Grünen, dann ist das politische Koordinatensystem komplett verschoben.“
Einsichten nach Kindermord
In Deutschland spiegelte sich die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der Ampelregierung im Ausstieg der FDP aus der Koalition mit SPD und Grünen Anfang November wider. Es folgte die negativ beschiedene Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Mitte Dezember sowie die Ansetzung vorgezogener Neuwahlen für den 23. Februar. Mit deren Heranrücken wird der Wahlkampf zunehmend hitziger und gipfelt jetzt offenbar in einer Art Panik vor einem möglichen Wahlerfolg der AfD und dem Bröckeln der sogenannten „Brandmauer“.
Alles begann eigentlich, nachdem Merz bei einer Pressekonferenz zum tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg – welcher auf den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg und den islamistischen Messerangriffen in Solingen und Mannheim folgte – am 23. Januar erklärt hatte, dass er dies nicht als „neue Normalität in Deutschland“ akzeptieren wolle. Mehr noch: „Das Maß ist endgültig voll“, so der CDU-Chef. Man stehe vor dem „Scherbenhaufen einer seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik“. Er betonte, dass der Staat sein Grundversprechen, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, einlösen müsse.
Sachpolitik oder Wahlkampfpoker
Infolgedessen legte der Unionskanzlerkandidat dem Bundestag einen Antrag für einen Fünf-Punkte-Plan zur Änderung der Asylpolitik vor, der mit knapper Stimmenmehrheit – auch dank der Stimmen von AfD und FDP – angenommen wurde. Zuvor hatte Merz für seinen Plan zur Migrationswende bei den Regierungsparteien SPD und Grüne um Unterstützung ersucht – allerdings vergebens.
Aus Richtung einiger Medien gab es starke Kritik an Merz. Von einem Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ wurde der CDU-Chef als „Führer“ beschimpft und ein Minister der Bundesregierung zog auf X die Nazi-Karte. Plötzlich demonstrierten Menschenmassen vor CDU-Zentralen und stürmten diese sogar teilweise. Landesweit poppten Anti-CDU-Kundgebungen auf – gut organisiert und im Stil der Anti-Rechts-Demos vom vergangenen Jahr.
Das Argument, dass die Union keinen Einfluss auf das Wahlverhalten der AfD hat, ließ SPD-Co-Parteichef Lars Klingbeil nicht gelten. Er schrieb auf X: „Mit den extremen Rechten von der AfD macht man keine gemeinsame Sache! Keine gemeinsamen Abstimmungen im Parlament, keine ausgestreckte Hand in Richtung Weidel und co.“
„Friedrich Merz hat […] sein eigenes Wort gebrochen. Man kann ihm nicht mehr trauen, dass er nicht bei nächster Gelegenheit wieder Mehrheiten mit der AfD sucht.“ Dann, so Klingbeil, gibt es ein „starkes Zeichen“ und „dass ganz viele Menschen in unserem Land auf die Straße gehen“ und deutlich machten: „Das wollen wir nicht“, erklärte Klingbeil.
Nach dem Tabubruch von Friedrich Merz diese Woche im Bundestag sind heute wieder Hunderttausende Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen. Alleine in Berlin kamen 160.000 Menschen zusammen. Und überall waren auch wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dabei. Denn… pic.twitter.com/ipb6zUgdoI
— SPD Parteivorstand 🇪🇺 (@spdde) February 2, 2025
Und was sagen die Sonntagsumfragen?
Die aktuelle INSA-Sonntagsfrage vom 3. Februar sieht die AfD mit 22 Prozent auf Platz zwei hinter der Union, die mit 30 Prozent die Umfragen führt. Die Regierungsparteien SPD und Grüne liegen bei 16 beziehungsweise 13 Prozent, die ehemalige Ampelpartei FDP bei 4,5 und die Linke bei 5 Prozent. Das BSW, in diesem Jahr erstmals bei einer Bundestagswahl dabei, liegt in der Wählergunst demnach bei 5,5 Prozent.
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