Seit 2016: Özdemir sieht sich durch türkische Nationalisten massiv bedroht

Nach seinem Einsatz für die Armenien-Resolution des Bundestages 2016 spürte Cem Özdemir einige Folgen. Die Resolution habe sein Leben „in ein Davor und ein Danach verändert“. Er macht den Sicherheitsbehörden schwere Vorwürfe.
Dutzende Einsatzkräfte und Protestierende mit Schildern begleiteten den Rundgang von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir über die Messe Fruchtwelt Bodensee.
Cem Özdemir setzte sich für die Armenien-Resolution des Bundestages aus dem Jahr 2016 ein.Foto: Philipp von Ditfurth/dpa
Epoch Times5. Dezember 2024

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat von massiver Bedrohung durch türkische Nationalisten gegen ihn berichtet und den deutschen Sicherheitsbehörden schwere Vorwürfe gemacht.

Als Auslöser nannte der aktuelle Bundeslandwirtschafts- und Bildungsminister seinen Einsatz für die Armenien-Resolution des Bundestages aus dem Jahr 2016. Darin wird das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs als Völkermord bezeichnet.

Die Resolution habe sein Leben „in ein Davor und ein Danach verändert“, sagte Özdemir dem Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ der Funke-Mediengruppe. Ihm sei klar gewesen, „das wird einschneidende Konsequenzen haben“. Er habe Teile seines Berliner Wohnviertels Kreuzberg meiden müssen. Özdemir berichtet, von Taxifahrern bedrängt worden zu sein, die offenbar türkische Nationalisten gewesen seien.

Türkische Nationalisten hätten „Filme ausgestrahlt, in denen auch meine damalige Frau, meine Kinder erwähnt wurden“, sagte Özdemir. Freunde in der Türkei hätten ihm damals geraten, dies „verdammt ernst“ zu nehmen. „Da geht es jetzt um dich. Und wenn die deinen Namen erwähnen, dann heißt es, du stehst da ganz oben auf der Liste“, zitierte Özdemir sein näheres Umfeld.

Selbstverteidigung und Morddrohungen auf türkisch

Bei seiner Familie in der Türkei sei er seit 2016 nicht mehr gewesen. „Ich konnte zum Beispiel zur Beerdigung meines Onkels nicht gehen“, sagte Özdemir. Er wollte das Risiko vermeiden, dass in der Türkei „die gleichgeschaltete Presse dann mobilisiert wird und es dann heißt: Ach guck mal, das ist die Verwandtschaft von diesem Verräter“.

Um seine Familie in Deutschland zu schützen, habe er zusammen mit seinen beiden Kindern einen Kurs im Selbstverteidigungssystem Krav Maga gemacht. „Wenn jemand kommt, ein Selfie möchte, der jetzt offensichtlich türkische Herkunft ist, dann gehen meine Kinder automatisch etwas weg von mir, auch aus Sicherheitsgründen“, sagte er.

Auf notwendige Sicherheitsvorkehrungen sei er zunächst nicht hingewiesen worden, kritisierte Özdemir. Die Sicherheitsbehörden hätten sich erst nach einer Intervention des damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) bei ihm gemeldet.

Der Grünen-Politiker fügte hinzu, er habe „die Morddrohungen, die ich bekam, auf Deutsch übersetzt, weil es anscheinend irgendwie bei den Sicherheitsbehörden wohl heißt, wir nehmen Morddrohungen nur in deutscher Sprache entgegen“.

Damals Schutz durch Nachbarn

In den Tagen nach der Resolution hätten sich Fremde in seiner Straße bei türkeistämmigen Nachbarn erkundigt, „wann ich die Wohnung betrete, wann ich sie verlasse, wo genau das Fenster ist, welchen Weg ich nehme, wenn ich mit dem Fahrrad ins Büro fahre“.

Der Sicherheitsapparat habe damals praktisch aus seiner Nachbarschaft bestanden, so Özdemir. Nachbarn hätten Personen, die nach ihm gefragt hätten, „irgendwann mal am Schlawittchen gepackt und gesagt, verschwindet hier“.

Der Grünen-Politiker zog ein bitteres Fazit. „Allein die Tatsache, dass mir geraten wurde von den Sicherheitsbehörden, ich soll das Taxifahren meiden, und nicht gesagt wurde, wenn irgendwas im Taxi passiert, gib uns das Kennzeichen, gib uns den Namen, wenn du kannst, schreib dir die Nummer auf, wir nehmen die am Schlawittchen, wir gehen jedem einzelnen Fall nach. Das zeigt doch schon, dass der Rechtsstaat sich zurückzieht im Zweifelsfall und sich eben nicht vor dich stellt“, so Özdemir. „Also es hat sich hoffentlich in vielem gebessert heute und geändert. Aber damals war es jedenfalls so.“

Özdemir kam 1965 als Sohn türkischer Einwanderer im schwäbischen Urach zur Welt. Seine Eltern waren Anfang der 60er Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. 1994 zog Özdemir als erstes Kind türkischer Gastarbeiter in den Bundestag ein. 2021 wurde er als erstes Kind türkischer Gastarbeiter Bundesminister. Zuletzt kündigte er an, Anfang 2026 bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg als Spitzenkandidat für die Grünen antreten zu wollen. (dpa/dts/red)



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