Seehofer prüft strengeren Schutz von Polizeidatenbanken
Als Reaktion auf illegale Zugriffe von Beamten auf Datenbanken der Polizei erwägt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) schärfere Schutzmaßnahmen. „Ich werde prüfen, ob der Zugriff auf Polizeidatenbanken mit biometrischen Merkmalen besseren Schutz ermöglicht“, erklärte Seehofer am Sonntag in Berlin. „Datenzugriffe sind eine sehr sensible Angelegenheit und sollten deshalb mit den höchsten Standards geschützt sein.“ Oppositionspolitiker hatten zuvor erhöhte Schutzvorkehrungen gefordert.
Die in den vergangenen Wochen bekannt gewordene Serie rechtsextremistischer „NSU 2.0“-Drohschreiben steht in Zusammenhang mit illegalem Zugriff auf Polizeidatenbanken. Zudem wurde am Wochenende publik, dass in Deutschland in den vergangenen Jahren hunderte Verfahren wegen illegaler Datenabfragen durch Polizeibeamte eingeleitet wurden.
Bundesweit habe es seit 2018 mehr als 400 Ordnungswidrigkeits-, Straf- oder Disziplinarverfahren gegen Polizisten wegen unberechtigten Zugriffs auf Daten gegeben, berichtete die „Welt am Sonntag“. Die Zeitung stützt ihre Angaben auf eine Umfrage bei den Innenministerien und Datenschutzbeauftragten der 16 Bundesländer und des Bundes.
Kontrollmechanismen bei den Datenabfragen von Land zu Land unterschiedlich
Die Umfrage ergab der Zeitung zufolge auch, dass sich die Kontrollmechanismen bei den Datenabfragen von Land zu Land deutlich unterscheiden – in vielen Bundesländern werde nur stichprobenartig kontrolliert.
Müssten Beamte in Baden-Württemberg jede 50. Abfrage begründen, fordert Hessen das nur bei der 200. Abfrage – und dies auch erst seit 2019, schrieb die „Welt am Sonntag“. In Bundesländern wie Sachsen, Hamburg oder Baden-Württemberg ahndeten Datenschutzbehörden Ordnungswidrigkeiten, in anderen Ländern fehlten der Behörde entsprechende Befugnisse.
Die Innenexperten von FDP und Linksfraktion forderten am Sonntag bundesweit einheitliche Kontrollverfahren, um Datenmissbrauch durch Polizeibeamte zu verhindern. Durch den unrechtmäßigen Abruf von Personendaten werde „das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden erschüttert“, sagte der Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, der Nachrichtenagentur AFP. „Die Innenminister von Bund und Ländern müssen sicherstellen, dass unbefugte Datenabfragen sofort gestoppt werden.“
Kuhle beklagte eine schleppende Aufklärung in vielen dieser Fälle: „Dass teilweise Jahre vergehen, bis unberechtigten Datenabfragen nachgegangen wird, ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der zur Entfremdung von Sicherheitsbehörden und Bevölkerung beiträgt.“
Linken-Fraktionschef: „Völlig unkontrollierbare Bereiche darf es nicht länger geben“
Auch der stellvertretende Linken-Fraktionschef André Hahn forderte schärfere Kontrollmechanismen. „Völlig unkontrollierbare Bereiche darf es nicht länger geben“, sagte der Innenexperte zu AFP. „Die Bestimmungen für die Dokumentation von polizeilichen Abfragen und deren Begründung müssen bundesweit vereinheitlicht werden.“
Illegale Datenabfragen durch Polizisten dürften keinesfalls geduldet werden, mahnte Hahn. „Wer als Polizist Daten abfragt und diese für Straftaten wie Morddrohungen zur Verfügung stellt, ist selbst ein Fall für die Staatsanwaltschaft und muss sofort entlassen werden.“
In den vergangenen Wochen war bekannt geworden, dass mehrere Personen des öffentlichen Lebens – vor allem Frauen – Drohschreiben mit der Unterzeichnung „NSU 2.0“ erhalten hatten. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sprach am Dienstag von 69 derartigen Schreiben. Die nicht-öffentlichen Daten einiger Betroffenen wurden kurze Zeit vorher von hessischen Polizeicomputern abgefragt. (afp)
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