Seehofer lobt Kanzlerin Merkel – und lehnt Visa-Freiheit für die Türkei noch stärker ab
Die „Bedenken“ der CSU hinsichtlich der geplanten Visa-Freiheit für Türken in der EU sind nach Worten von Parteichef Horst Seehofer nach dem Putschversuch „eher noch stärker geworden“. Das sagte Seehofer im ARD-Sommerinterview des „Berichts aus Berlin“. Die Aufarbeitung des Putschversuchs sei „eine Bewährungsprobe für die türkische Regierung“.
„Mein größter Wunsch ist, dass dies auch als Chance begriffen wird. Allerdings deuten viele Begriffe und Vorgehensweisen nicht unbedingt darauf hin, dass es jetzt nach rechtsstaatlichen Regeln dort gehen wird. Das wäre sehr zu bedauern, aber von Säuberungen zu sprechen – alleine der Begriff lässt schon Schlimmes ahnen.“
In diesem Zusammenhang kritisierte Horst Seehofer auch das Besuchs-Verbot für die Bundeswehrsoldaten im türkischen Incirlik scharf: „Es ist natürlich völlig unannehmbar, dass eine Parlamentsarmee, das ist ja unsere Bundeswehr, die mit Zustimmung der Parlamentsvertretung dort hingeschickt wird, dass die nicht von den Abgeordneten besucht werden kann, die über sie befinden, die die Armee ausstatten. Das ist auf Dauer nicht hinzunehmen.“
Nach dem Terroranschlag von Nizza verwies Horst Seehofer auf ein überarbeitetes Sicherheitskonzept. Man müsse wachsam bleiben und alles Menschenmögliche tun, um noch die Prävention zu verstärken – auch wenn die Politik kein Versprechen abgeben könne, es gebe keinen absoluten Schutz.
Zu konkret geplanten Maßnahmen des neuen Konzepts in Bayern erklärte Seehofer: „Wir überlegen eine weitere Verstärkung der Polizeipräsenz. Wir überlegen auch rechtliche Änderungen, zum Beispiel der stärkere Informationsaustausch zwischen den Ländern in der Europäischen Union und weltweit, aber auch zwischen der Polizei und den Sicherheitsorganen.“ Es sei schlimm, wenn Informationen zwar vorhanden seien, aber aus „irgendwelchen Datenschutzgründen“ nicht an andere Sicherheitsorgane oder an andere Länder weitergegeben werden können.
Befragt zu seinem Kurs in der Flüchtlingspolitik, beharrt Seehofer auf seiner Forderung nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen im Jahr. Zwar wurden nach Angaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2016 bereits 222.264 Menschen in Deutschland registriert. Die Obergrenze sei damit aber nicht überschritten, so Seehofer. Er verweist auf unterschiedliche Zählweisen. „Das ist ein anderes Erfassungsverfahren, da werden in diesem Jahr auch Menschen erfasst, die bereits im letzten Jahr nach Deutschland eingereist sind. Insofern ist dies eine schiefe Statistik.“
Die Kontrolle der Binnengrenzen, so Seehofer, müsse weiter gehen, solange die EU nicht in der Lage sei, die Außengrenzen wirksam zu schützen. Horst Seehofer äußerte sich auch zu einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, die das ARD-Hauptstadtstudio in Bayern in Auftrag gegeben hatte.
Auf die Frage, welche Partei sie wählen würden, wenn heute Landtagswahl wäre, antworteten die Befragten folgendermaßen: 45 Prozent würden die CSU wählen. Das sind zwei Punkte weniger als bei der letzten Umfrage des Instituts im Januar 2016. Die absolute Mehrheit kann die CSU damit knapp behaupten. SPD, Grüne und FDP legen jeweils einen Prozentpunkt zu (auf SPD 17 Prozent, Grüne 13 Prozent, FDP 4 Prozent), die Freien Wähler bleiben mit 5 Prozent stabil. Die AfD legt ebenfalls einen Prozentpunkt zu und liegt nunmehr in Bayern bei 9 Prozent.
Horst Seehofer will der Partei „Alternative für Deutschland“ nicht absprechen, eine demokratische Partei zu sein – aber: „Ich habe mit denen gar nichts am Hut. Parteien, die radikal eingestellt sind, ob links oder rechts, werden von uns bekämpft, erbittert. Das gehört zu meinem ganzen politischen Leben.“
Auf die Frage, ob CDU und CSU zur Bundestagswahl 2017 mit einem gemeinsamen Wahlprogramm antreten werden, will Seehofer sich nicht festlegen: „Ich denke, wir haben im Moment eine sehr gute Chance, aber es wäre ja auch kein Beinbruch, wenn es einen oder zwei Punkte gibt, die gab es bei jeder Bundestagswahl, wo die CSU sagt: aber aus bayerischer Sicht haben wir noch hier in diesem Punkt, das letzte Mal war es zum Beispiel die Maut, eine eigene Vorstellung.“
Ungewohnte Töne dann in Richtung Angela Merkel. Der CSU-Vorsitzende, der die Kanzlerin in den vergangenen Monaten häufig hart attackiert hatte, lobt sie heute fast überschwänglich: „Ich sage hinzu, dass die Kanzlerin dieses Land exzellent führt und dass sie uns auch hervorragend repräsentiert in der ganzen Welt. Sie ist eine total anerkannte Führerin in diesen großen wichtigen Dingen.“
Ob die CSU allerdings eine erneute Kanzlerkandidatur der CDU-Chefin unterstützen würde, lässt Seehofer offen. Solche Fragen entscheide man erst dann, wenn sie anstehen. (dts)
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