Seehofer fordert von Merkel Kurswechsel binnen weniger Wochen

CSU-Chef Horst Seehofer verlangt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nun einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik binnen weniger Wochen.
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Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer im Dezember in Berlin. Seehofer fordert erneut einen Kurswechsel in Sachen Flüchtlingspolitik.Foto: Michael Kappeler/dpa
Epoch Times19. Januar 2016
„Ich glaube, das ist eine vernünftige Zeitachse“, sagte Seehofer am Rande der CSU-Fraktionsklausur in Wildbad Kreuth über eine entsprechende Forderung seines Vorvorgängers Edmund Stoiber. Allerdings rechnet Seehofer nicht damit, dass Merkel schon bei ihrem neuerlichen Besuch in Kreuth an diesem Mittwochabend eine Kehrtwende vollziehen wird. Der bayerische Ministerpräsident betonte aber, man werde nicht ruhen, bis es zu einem Kurswechsel gekommen sei. „Es wird jede Woche dringlicher – das kann man mit Händen greifen“, sagte er.

Stoiber hatte der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, Merkel habe nicht mehr viel Zeit für die Bewältigung des Problems. „Maximal bis Ende März. Dann muss das gelöst sein.“

Seehofer erlitt während seiner Rede vor den Landtagsabgeordneten kurzzeitig einen Schwächeanfall. Er sei gestützt worden – danach redete er im Sitzen weiter, verlautete aus Teilnehmerkreisen.

Zum konkreten Zeitplan, was beispielsweise eine mögliche Klage Bayerns gegen den Bund angeht, wollte Seehofer nichts sagen. Es gebe viele Gespräche und viele Telefonate, und dann müsse man einschätzen, ob es noch die Chance auf eine Änderung der Politik gebe oder ob diese Hoffnung völlig aussichtslos sei. „Bei völliger Aussichtslosigkeit empfiehlt es sich auch nicht, noch viele Monate zu warten“, erklärte er. Er halte insbesondere nichts davon, den weiteren Zeitplan „an irgendwelchen Daten festzumachen“, sagte Seehofer mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen im März.

Konkrete Drohungen vermied der CSU-Vorsitzende. Insbesondere sagte er, die Frage nach einem Koalitionsbruch stelle sich nicht. Auf eine entsprechende Nachfrage zitierte Seehofer aber, was er Merkel vor zwei Wochen bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Kreuth schon gesagt habe: „Wir wollen mit Dir eine Lösung – die Betonung liegt aber auf: Wir wollen eine Lösung. Das ist entscheidend.“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte, man müsse Flüchtlinge künftig unmittelbar an der Grenze zurückweisen, wenn die Kontrollen an den EU-Außengrenzen nicht innerhalb weniger Wochen funktionieren. Es gehe zwar nicht um eine komplette Schließung der Grenzen auch für den Wirtschaftsverkehr oder Touristen. „Es geht darum, dass wir keine Flüchtlinge mehr unkontrolliert in unser Land lassen.“

In einem Brandbrief an Merkel fordern mehr als 30 Landtagsabgeordnete einen Kursschwenk in der Flüchtlingspolitik – und die Festlegung einer Obergrenze für die Zuwanderung. „Mehr als 200 000 Zuwanderer pro Jahr – seien es Bürgerkriegsflüchtlinge oder Asylsuchende – kann Deutschland nicht verkraften“, heißt es in dem Schreiben, das Merkel am Mittwochabend übergeben werden soll. „Wir haben die große Befürchtung, dass ohne eine schnelle Begrenzung in 2016 noch weit mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden als im Jahr 2015.“ Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor.

Auch aus ihrem Kabinett bekommt die Kanzlerin nun Gegenwind für ihre Flüchtlings- und Asylpolitik. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt forderte im „Münchner Merkur“ einen Kurswechsel und riet dringend dazu, einen Plan B zu entwickeln.

„Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen. Wir müssen das mit den anderen Ländern auf der Reiseroute der Flüchtlinge zügig absprechen“, sagte der CSU-Politiker.

Dobrindt warf der EU vor, Deutschland mit dem Flüchtlingsproblem alleinzulassen. „Wer von einer Koalition der Willigen redet zur Bewältigung dieser Krise, muss auch die Realität benennen: Es gibt bei dem Thema längst einen Pakt der Unwilligen gegen uns.“ Man brauche eine schnelle Veränderung der Situation – „im Wissen, dass das Auswirkungen auch auf das Ansehen Deutschlands in Europa haben kann“, sagte Dobrindt. „Es reicht jetzt aber nicht mehr aus, der Welt ein freundliches Gesicht zu zeigen.“

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) forderte die Kanzlerin auf, das Grundgesetz wieder strikt anzuwenden und Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen. „Wir müssen zur Verfassungstreue zurückfinden. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil der Flüchtlinge, der jetzt an der deutsch-österreichischen Grenze zu uns kommt, nicht nach Deutschland gelassen werden darf. Das ist geltendes Recht“, sagte er der „Magdeburger Volksstimme“.

Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung und stellvertretende SPD-Vorsitzende, Aydan Özoguz, warnte dagegen davor, die Grenzen in Europa wieder dicht zu machen. „Kaum ein Land profitiert so stark vom freien Warenverkehr in Europa wie wir, die Nachteile wären immens“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. „Die Forderung nach der Wiedereinführung von Schlagbäumen in Europa ist daher nicht nur leichtsinnig, sie ist brandgefährlich.“

Der richtige Kurs in der Flüchtlingspolitik bleibt auch in der Unionsfraktion umstritten. Kritiker und Unterstützer der Linie Merkels liefern sich mit gegensätzlichen Briefen einen Schlagabtausch. Etwa 50 der 310 Abgeordneten von CDU und CSU schlossen sich bis Montagabend nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin einer Unterschriftenaktion gegen den Kurs Merkels an. Der CDU-Abgeordnete Martin Patzelt sagte der dpa, er habe auf seinen Unterstützungsbrief für Merkel von gut 40 Kollegen positive Rückmeldungen erhalten.

Im Brief der Merkel-Kritiker heißt es: „Wir stehen vor einerÜberforderung unseres Landes. Deshalb halten wir eine Änderung der derzeitigen Zuwanderungspraxis (…) durch die Rückkehr zur strikten Anwendung des geltenden Rechts für dringend geboten.“

Zur Integration der Flüchtlinge will Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) mit einem neuen Zehn-Millionen-Euro-Programm unter dem Motto „Menschen stärken Menschen“ Paten, Vormünder und Gastfamilien für Asylbewerber gewinnen. „Integration ist mehr als der Gang zum Sprachkurs oder Arbeitsamt“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“.

(dpa)

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